27.01.2021

Grau: „Onlinevorlesungen haben einen neuen Horizont eröffnet“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 7

Grau: „Onlinevorlesungen haben einen neuen Horizont eröffnet“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 7

Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Die Pandemie verändert die Lehre, das Lernverhalten und das Miteinander von Lehrenden und Studierenden. Im Rahmen dieser PUBLICUS-Umfrage haben wir Lehrende zu ihren konkreten Erfahrungen und Eindrücken mit der veränderten Lehrsituation befragt. Heute: Prof. Michael Grau, HS Ludwigsburg.

 

Was sind die für Sie wesentlichen Erfahrungen, die Sie in den letzten Monaten mit dem Online-Unterricht gemacht haben?

Grau: Als im März letzten Jahres der erste Lockdown kam, mussten wir über Nacht umdenken, wie ein Onlineunterricht aussehen kann. Das bloße zur Verfügung stellen von Dateien, ob Dokumente oder besprochene Präsentationsfolien, über Mail oder Internetplattformen konnte dabei nur ein erster Ansatz sein. Schnell wurde klar und dank der sehr guten technischen Ausstattung unserer Hochschule auch möglich, Vorlesungen über Videoplattformen abzuhalten. Was zuvor einer kühnen Vorstellung entsprach, wurde in Windeseile umgesetzt. Bereits zwei bis drei Wochen nach dem Lockdown stand der Kontakt mit den Studierenden über Videoplattformen. Erfreulich war dabei auch, dass die Studierenden über die technischen Möglichkeiten verfügten.


Dennoch kann Onlineunterricht eine Präsenzveranstaltung nicht ersetzen. Der interaktive Austausch der an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften gerade so wichtig ist, wird dadurch wesentlich schwieriger und nicht ersetzt werden.

Nennen Sie bitte die dabei für Sie wichtigsten Unterschiede gegenüber der Präsenzlehre.

Grau: Die Studierenden sind durch die Distanz, Internetverbindungsproblemen schneller abgelenkt als in einer Präsenzvorlesung. Ist die Kamera zudem ausgeschaltet, erhöht sich die Unkonzentriertheit, da man für niemanden mehr sichtbar ist. Die sozialen Kontakte zwischen den Studierenden sind ebenso weniger möglich, wie auch das kurze Fragen des Sitznachbarns, ob er das verstanden hat. Sowohl für die Studierenden aber auch für die Dozierenden sind Onlinevorlesungen anstrengender. In Präsenzveranstaltungen gefühlte Emotionen bei der Stoffvermittlung sind online nicht möglich. Und dies gilt nicht nur für das fehlende Lachen, wenn der Dozierende von einer Anekdote berichtet.

Welche technischen Hilfsmittel und Systeme kommen aktuell zum Einsatz, um Onlineveranstaltungen abzuhalten? Mit welchen Tools haben Sie persönlich dabei die besten Erfahrungen gesammelt?

Grau: Videokonferenzsoftware und Onlineplattformen, am besten beides aus einem Guss, sind die geeignetsten Formen. Für die Anbieter von Videokonferenzsoftware entstand quasi über Nacht ein völlig neuer Markt. Waren seither nur geschäftliche Videokonferenzen vorgesehen, galt es nunmehr eine große Zahl von Teilnehmern mit didaktischen Instrumenten aufzunehmen. Neben einer sehr guten Stabilität ist eine einfache Handhabung von großer Wichtigkeit, damit die „Mondlandung“ auch für jeden leicht möglich ist. Schnell wurde aber auch deutlich, dass didaktische Möglichkeiten, wie das Anlegen von mehreren Gruppenräumen, schnelles Abfragen einer Meinung mittles „Ja“ oder „Nein“ Schaltflächen von großem Vorteil sind.

Gab es Schwierigkeiten bei Klausuren und mündliche Prüfungen, die unter veränderten Bedingungen abgehalten werden mussten? Wenn ja: Welche?

Grau: Klausuren wurden an unserer Hochschule weiterhin unter Beachtung der Hygieneregelungen in Präsenz geschrieben. Mündliche Prüfungen, wie zum Beispiel die mündliche Prüfung zur Bachelorarbeit, wurden erstmals in geringem Umfang auch über Videokonferenzen abgehalten. Nach einem Testversuch verliefen diese überwiegend problemlos. Die Wahrscheinlichkeit eines Stromausfalles war größer, als dass die Prüfung online nicht durchgeführt werden konnte.

Wie haben sich die Leistungen und Lernerfolge der Studierenden im Zusammenhang mit der Online-Lehre entwickelt?

Grau: Im Schnitt blieben die Ergebnisse mehr oder weniger auf dem Niveau der Vorjahre. Was auffiel ist, dass die Zahl der Nichtbesteher leicht angestiegen ist und die Erfolgsschere etwas weiter aufging. Zudem ist mein Eindruck, dass der Lernerfolg bei Onlinevorlesungen noch viel stärker vom Engagement und der Disziplin der Studierenden abhängig ist als dies früher der Fall war.

Gibt es praktische Erfahrungen, die sich dauerhaft auf die Präsenz-Lehre nach überstandener Pandemie übertragen lassen?

Grau: Onlinevorlesungen haben einen neuen Horizont eröffnet, der zuvor so nicht eingesetzt wurde. Es ist ein zusätzliches Instrument das neue Möglichkeit schafft. So können beispielsweise größere Zielgruppen leichter und flexibler erreicht werden als früher. Insbesondere der Austausch in der Hochschulorganisation und Selbstverwaltung hat ein neues Medium gefunden, was aber auch hier den menschlichen Kontakt nicht gänzlich ersetzt.

Wie lauten die drei persönlich wichtigsten Schlagworte, die Ihnen im Kontext der Online-Lehre einfallen?

Grau: Onlinelehre kann Präsenz nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.

Onlinelehre erfordert neue Lehrkonzepte.

Onlinelehre erfordert von Softwareanbieter noch mehr didaktische Möglichkeiten.

foto: benjamin stollenberg

Zur Person:

Herr Professor Grau ist Studiendekan des Fachbereichs Allgemeine Finanzverwaltung und weiterer Prodekan der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen.

Zur Hochschule:

Die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen (HVF) in ihrer heutigen Form ist 1999 entstanden.  An zwei Fakultäten unterrichten ca. 80 Professoren und Professorinnen die knapp 3000 Studierenden. Absolventen erlangen den Titel Diplom-Verwaltungswirt. Rektor ist seit 2016 Professor Wolfgang Ernst.

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Die Serie: PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie



















 

Birgit Stotz

Teamleiterin im Fachbereich Bund/Länder/Kommunen, Richard Boorberg Verlag
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