09.12.2020

Majer: „Die Schere geht weit auseinander“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 1

Majer: „Die Schere geht weit auseinander“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 1

Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Die Pandemie verändert die Lehre, das Lernverhalten und das Miteinander von Lehrenden und Studierenden. Im Rahmen dieser PUBLICUS-Umfrage haben wir Lehrende zu ihren konkreten Erfahrungen und Eindrücken mit der veränderten Lehrsituation befragt. Heute: Prof. Christian Majer, HVF Ludwigsburg.

 

Was sind die für Sie wesentlichen Erfahrungen, die Sie in den letzten Monaten mit dem Online-Unterricht gemacht haben?

Majer: Zunächst war die konkrete Ausgestaltung schwierig, da wir kaum Erfahrung insoweit hatten. Die Umstellung gelang aber gut, die Durchführung einer Vorlesung als Videokonferenz klappt relativ gut. Auch die Integration von Podcasts ist eine sinnvolle Ergänzung.

Nennen Sie bitte die dabei für Sie wichtigsten Unterschiede gegenüber der Präsenz-Lehre.

Majer: Man muss dabei Podcasts/Lehrvideos von der Videokonferenz unterscheiden. Erstere haben den Vorteil, dass sich die Studierenden die Zeit frei einteilen können, der Nachteil liegt im fehlenden Dialog. Durch eine Videokonferenz hingegen kann die Präsenzlehre relativ genau abgebildet werden. Es ist für den Dozenten ungewohnt, nur in den Bildschirm hineinzureden, und weniger persönlich, sodass sie sich für Formate wie Seminare weniger eignet als die Präsenzlehre. Ansonsten ist sie didaktisch weitgehend ebenbürtig.


Welche technischen Hilfsmittel und Systeme kommen aktuell zum Einsatz, um Online-Veranstaltungen abzuhalten? Mit welchen Tools haben Sie persönlich dabei die besten Erfahrungen gesammelt?

Majer: Schon länger nutzen wir die Plattform MOODLE, um den Studierenden Dateien in großer Menge oder mit großem Volumen zur Verfügung stellen zu können. Für die Videokonferenzen haben sich bei uns die Tools Cisco Webex und Zoom relativ gut bewährt.

Gab es Schwierigkeiten bei Klausuren und mündliche Prüfungen, die unter veränderten Bedingungen abgehalten werden mussten? Wenn ja: Welche?

Majer: Hier muss man auch unterscheiden. Eine mündliche Prüfung ist aus meiner Sicht ohne weiteres online per Videokonferenz durchführbar. Die geringfügig gesteigerte Manipulationsmöglichkeit ist ohne weiteres mit einigen Vorsichtsmaßnahmen abwendbar. Anderes gilt jedoch für die Klausuren: hier bestehen erhebliche Schwierigkeiten, eine Manipulation durch die Studierenden vor allem durch die Nutzung des Internet abzuwenden; bislang haben wir hierfür noch keine Lösung gefunden.

Wie haben sich die Leistungen und Lernerfolge der Studierenden im Zusammenhang mit der Online-Lehre entwickelt?

Majer: Ein interessanter Aspekt. Wir haben bei der Korrektur der Klausuren die Erfahrung gemacht, dass sowohl der Anteil der sehr guten und guten als auch der Anteil der sehr schlechten Klausuren gestiegen ist – die Schere geht weiter auseinander. Zu vermuten ist, dass einige Studierende die durch den Wegfall der Fahrtzeit zur Hochschule gewonnene Zeit sehr gut genutzt haben, während andere offenbar Schwierigkeiten mit der hier verstärkt erforderlichen Selbstdisziplin hatten.

Gibt es praktische Erfahrungen, die sich dauerhaft auf die Präsenz-Lehre nach überstandener Pandemie übertragen lassen?

Majer: Wir sollten die Vorteile der Online-Lehre in die hoffentlich schon in diesem Sommer beginnende Nach-Pandemie-Zeit hinüberretten. Das gilt insbesondere für Podcasts, die mit dem Konzept des „Inverted Classroom“ in die reguläre Vorlesung integriert werden können. Das gilt aber auch für die Vorlesung in Form einer Videokonferenz, die für viele Studierende etwa mit Kind oder pflegebedürftigen Angehörigen oder bei einem entfernten Wohnort erhebliche Vorteile aufweist. Die Ressourcenersparnis und Klimafreundlichkeit der Online-Lehre darf nicht unter den Tisch fallen.

Wie lauten die drei persönlich wichtigsten Schlagworte, die Ihnen im Kontext der Online-Lehre einfallen?
Moderne Lehrkonzepte, Ressourcenersparnis, Notwendigkeit einer angemessen Ausstattung.

Zur Person: Prof. Christian F. Majer

Jahrgang 1978, Professor für Zivilrecht u.a. an der HVF Ludwigsburg seit 2013, davor Rechtsanwalt und Akademischer Mitarbeiter in Tübingen, Direktor des Instituts für Internationales und ausländisches Privat- und Verfahrensrecht, Gründungs(mit)herausgeber der Zeitschrift Jura Studium & Examen (JSE).

Zur Hochschule: HVF Ludwigsburg
Die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen (HVF) in ihrer heutigen Form ist 1999 entstanden.  An zwei Fakultäten unterrichten ca. 80 Professoren und Professorinnen die knapp 3000 Studierenden. Absolventen erlangen den Titel Diplom-Verwaltungswirt. Rektor ist seit 2016 Professor Wolfgang Ernst.

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Die Serie: PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie



















 

Marcus Preu

Ltg. Lektorat und Redaktion, Rechtsanwalt
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