29.03.2021

Brecht: „Präsenzunterricht wird weiter dominieren“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 16

Brecht: „Präsenzunterricht wird weiter dominieren“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 16

Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Die Pandemie verändert die Lehre, das Lernverhalten und das Miteinander von Lehrenden und Studierenden. Im Rahmen dieser PUBLICUS-Umfrage haben wir Lehrende zu ihren konkreten Erfahrungen und Eindrücken mit der veränderten Lehrsituation befragt. Heute: Ulrich Brecht, Aus- und Fortbildungsinstitut des Landes Sachsen-Anhalt.

 

Was sind die für Sie wesentlichen Erfahrungen, die Sie in den letzten Monaten mit dem Online-Unterricht gemacht haben?

Brecht: Die Aus- und Weiterbildungslehrgänge wurden in der Vergangenheit ausschließlich als Präsenzveranstaltungen durchgeführt.  Daher konnten wir zu Beginn des Lockdown im März 2020 auf keine Lernsoftware zugreifen, sondern haben den Lehrbetrieb durch Übersendung von Fernaufgaben aufrechterhalten. Seit Beginn des zweiten Lockdown im Dezember 2020 arbeiten wir  mit einer Lernsoftware.

Nur im Bereich der Fortbildung bieten wir schon seit Jahren eLearning-Seminare an. Die dabei gesammelten Erfahrungen waren für die Aus- und Fortbildung jedoch weder übertragbar noch   anders nutzbar.


Nennen Sie bitte die dabei für Sie wichtigsten Unterschiede gegenüber der Präsenz-Lehre.

Brecht: Das Einbringen der Persönlichkeit! Präsenzveranstaltungen leben wesentlich von der Persönlichkeit und auch Leidenschaft, die der Unterrichtende einbringt. Vor einer Webcam ist das zwar nicht unmöglich, aber zumindest eingeschränkt.

Es fehlt auch der visuelle Kontakt mit den Lernenden, die ihre Webcams zur Teilnahme an der Veranstaltung nur selten aktivieren. Das gilt auch für die Aktivierung der Mikrofone, sodass die aktive Einbindung der Lernenden eingeschränkt ist. Der Hintergrund dafür liegt neben möglicherweise bestehenden persönlichen Befindlichkeiten auch in technischen Problemen. Hierzu zähle ich auch die digitale Infrastruktur.

Der fehlende Blickkontakt erschwert es, die Lernenden nach ihren individuellen Bedürfnissen abzuholen; im Rahmen einer Präsenzveranstaltung ist es durch den Blickkontakt möglich, zu erkennen, ob ein Lernender der Veranstaltung folgen kann.

Zudem kann eine als Präsenzunterricht geplante Lehrveranstaltung nicht unverändert als Online-Veranstaltung durchgeführt werden. Der Ablauf einer  jeder Lehrveranstaltung ist den veränderten Verhältnissen des Online-Unterrichts anzupassen. Dazu gehört auch die Erstellung neuer Präsentationen zu Inhalten, die im Rahmen einer Präsenzveranstaltung bisher bewusst mit anderen Medien im Lehrsaal entwickelt worden sind.

Die Vorbereitung einer Online-Veranstaltung ist daher, zumindest in der Umstellungsphase, zeitaufwendiger. Für hauptamtlich Unterrichtende stellt das eine kleinere Anforderung dar. Anders ist das für nebenamtlich Unterrichtende zu beurteilen. Der Aufwand ist für sie häufig zu groß und nicht leistbar. Auch aus diesem Grund  sind nebenamtlich Unterrichtende von der Übernahme eines ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplanten Lehrauftrages zurückgetreten. Bei der Abdeckung aller Stoffgebiete und Seminare mit Unterrichtenden führt das zu Problemen.

Außerdem eignen sich nicht alle Seminarinhalte für die Online-Lehre. Das trifft insbesondere auf Seminare des Fortbildungsbereichs zu. Stellen Sie sich dazu bitte vor, ein Seminar zu Stressabbau mit Entspannungsübungen sollte Online durchgeführt werden.

Welche technischen Hilfsmittel und Systeme kommen aktuell zum Einsatz, um Onlineveranstaltungen abzuhalten? Mit welchen Tools haben Sie persönlich dabei die besten Erfahrungen gemacht?

Brecht: Wir nutzen BigBlueBotton (BBB). Das Programm ermöglicht es, Power Point Präsentationen in die Lehrveranstaltung einzubringen und verfügt über eine Whiteboard-Funktion. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Teilnehmenden eines Kurses im Laufe der Lehrveranstaltung in Arbeitsgruppen einzuteilen. Die Lehrenden haben die Möglichkeit, den Arbeitsgruppen beizutreten und somit Hilfestellungen und Hinweise zu geben. Insgesamt kann die Lehrveranstaltung dadurch analog des Präsenzunterrichtes strukturiert werden.

Gab es Schwierigkeiten bei Klausuren und mündlichen Prüfungen, die unter veränderten Bedingungen abgehalten werden mussten? Wenn ja: Welche?

Brecht: Die Mehrzahl der Prüfungsordnungen sehen nicht vor, dass die Ergebnisse der Lehrgangsklausuren als Vornote in das Prüfungsergebnis einfließen. Sie haben den Charakter von Übungsklausuren. Daher können sie problemlos als Online-Klausuren angefertigt werden. Lehrgangsklausuren, deren Ergebnisse in die Prüfungsbewertung eingehen, waren in den bisherigen Lockdown nicht anzufertigen.

Die Prüfungsklausuren wurden in Kleingruppen in großen Räumen als Präsensklausuren angefertigt. Das gilt auch für mündliche Prüfungen.

Wie haben sich die Leistungen und Lernerfolge der Studierenden im Zusammenhang mit der Online-Lehre entwickelt?

Brecht: Hierzu liegen uns noch keine belastbaren Erkenntnisse vor, denn bisher sind noch keine Prüfungen von Lernenden absolviert worden, die zuvor ausschließlich oder überwiegend online unterrichtet worden sind. Die Ergebnisse der Prüfungen nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 entsprechen den Ergebnissen der Vorjahre.

Gibt es praktische Erfahrungen, die sich dauerhaft auf die Präsenz-Lehre nach überstandener Pandemie übertragen lassen?

Brecht: Eine Übertragung der Erfahrungen aus der Onlinelehre auf die Präsenzlehre ist  nur sehr eingeschränkt möglich. Sicher werden die Erfahrungen aus der Lehre in der Pandemie aber Anlass geben, über die Einführung hybrider Veranstaltungen nachzudenken.

Wie lauten die drei persönlich wichtigsten Schlagworte, die Ihnen im Kontext der Online-Lehre einfallen?

Brecht:

  • Gutes Alternativangebot
  • Neue Erfahrung und Herausforderung für Lernende und Lehrende
  • Präsenzunterricht wird weiter dominieren

 

Zur Person:

Ulrich Brecht ist hauptamtlicher Dozent am Aus- und Fortbildungsinstitut. Er lehrt Verfassungsrecht und besonderes Verwaltungsrecht (Gefahrenabwehrrecht, Sozialrecht und Kommunalrecht).

©privat

Zur Hochschule:

Das Aus- und Fortbildungsinstitut des Landes Sachsen-Anhalt betreibt die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Landesbediensteten der allgemeinen Verwaltung, der Beamt*innen besonderer Fachrichtungen und des Justizvollzugsdienstes. Seine Standorte sind Blankenburg, Thale und Benneckenstein/Harz.

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Die Serie: PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie



















 
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