26.03.2021

Neue Ökodesign-Anforderungen für Elektrogeräte

Ressourcenschutz durch Reparatur

Neue Ökodesign-Anforderungen für Elektrogeräte

Ressourcenschutz durch Reparatur

Hersteller bestimmter Elektrogeräte trifft erstmals die Verpflichtung, deren Reparierbarkeit sicherzustellen. © by-studio – fotalia.com
Hersteller bestimmter Elektrogeräte trifft erstmals die Verpflichtung, deren Reparierbarkeit sicherzustellen. © by-studio – fotalia.com

Im Fahrwasser der EU-Rahmenrichtlinie über die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte (kurz: Ökodesign-Richtlinie, 2009/125/EG) hat die Europäische Kommission kürzlich ein neues Regelungspaket für einen verbesserten Ressourcenverbrauch geschnürt. Das Paket besteht aus einer Reihe von Verordnungen, die seit dem 1. März 2021 in Kraft stehen und weitreichende Anforderungen an das Ökodesign bestimmter Produktkategorien formulieren. Standen bislang Energieeffizienzanforderungen im Fokus der Ökodesign-Richtlinie, trifft die Hersteller bestimmter Elektrogeräte nunmehr erstmals die Verpflichtung, deren Reparierbarkeit sicherzustellen, aber auch Ersatzteile vorzuhalten und den barrierefreien Zugang zu Reparaturinformationen zu ermöglichen.

Produktgestaltung als wesentlicher Baustein einer „Circular Economy“

Bereits in ihrem „Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft“ aus dem Jahr 2015 hat sich die Europäische Kommission dem Ausbau einer kreislauforientierten Wirtschaft („Circular Economy“) verschrieben. Produkte, Stoffe und Ressourcen sollen so lange wie möglich dem Wirtschaftskreislauf erhalten bleiben und damit einen Beitrag zu einer nachhaltigen, CO2-armen und ressourceneffizienten EU-Wirtschaft leisten. Daran anknüpfend benennt die Kommission in ihrem „Ökodesign-Arbeitsprogramm 2016 – 2019“ auch die Produktgestaltung als essentiellen Baustein des Konzepts einer möglichst ausgeprägten Kreislaufwirtschaft, „da sie den gesamten Lebenszyklus eines Produkts bestimmt, also etwa entscheidend für seine Langlebigkeit ist oder festlegt, ob es leicht reparierbar, wiederverwendbar oder wiederverwertbar ist“. Ihren programmatischen Worten hat die Kommission im Oktober 2019 legislative Taten folgen lassen. Zur „Durchführung“ der Ökodesign-Richtlinie (vgl. Art. 15 der RL) hat sie in einer Reihe von Verordnungen neue Ökodesign-Anforderungen für einzelne Produktgruppen (Kühlgeräte, Waschmaschinen, Wäschetrockner etc.) festgelegt, welche auch deren Produktgestaltung und Reparierbarkeit adressieren. Die wesentlichen Teile der Verordnungen bilden seit dem 1. März 2021 in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht.

Beispiel: Verordnung zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Haushaltsgeschirrspüler

Regelungstechnisch werden die Ökodesign-Anforderungen produktgruppenspezifisch in jeweils separaten Durchführungsverordnungen aufgeführt. Vorgaben für Haushaltsgeschirrspüler finden sich beispielsweise in der Verordnung zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Haushaltsgeschirrspüler (VO 2019/2022). Deren Anhang II normiert unter Nr. 5 im Detail die zu beachtenden „Ressourceneffizienzanforderungen“: Die Hersteller von Haushaltsgeschirrspülern trifft danach die Pflicht, gewerblichen Reparateuren und Endnutzern für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren nach dem Inverkehrbringen des letzten Exemplars eines Modells Ersatzteile wie Türscharniere, Dichtungen oder Ablauffilter zur Verfügung zu stellen. Eine Liste der Ersatzteile und das Verfahren für deren Bestellung müssen dabei auf der frei zugänglichen Website des jeweiligen Geräteherstellers öffentlich verfügbar sein, der auch sicherzustellen hat, dass die Ersatzteile innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Bestelleingang geliefert werden. Bei alledem haben die Gerätehersteller dafür Sorge zu tragen, dass die entsprechenden Ersatzteile mit allgemein verfügbaren Werkzeugen und ohne dauerhafte Beschädigung am Gerät ausgewechselt werden können. Schließlich wird den Herstellern von Haushaltsgeschirrspülern die Verpflichtung auferlegt, gewerblichen Reparateuren gerätespezifische Reparatur- und Wartungsinformationen (Zerlegungspläne, Verdrahtungs- und Anschlusspläne etc.) innerhalb eines Arbeitstags gegen eine „angemessene und verhältnismäßige“ Gebühr bereitzustellen. Gleichartige „Ressourceneffizienzanforderungen“ ergeben sich aus parallelen Verordnungen etwa für Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner (VO 2019/2023), Kühlgeräte (VO 2019/2019) oder elektronische Displays (VO 2019/2021).


Marktaufsicht: Selbstkontrolle der Hersteller und stichprobenartige Überprüfungen durch nationale Behörden

Nach der Regelungsstrategie der Ökodesign-Richtlinie und der sie durchführenden Verordnungen sind es die Gerätehersteller (oder ggf. Importeure) selbst, die dafür verantwortlich sind, dass ihre Produkte die jeweiligen Ökodesign-Vorgaben erfüllen. Vor dem Inverkehrbringen eines Geräts haben sie durch interne „Entwurfskontrollen“ und „Managementsysteme“ (vgl. Art. 8 Ökodesign-RL) sicherzustellen, dass die Konformität des Produkts auch mit den vorthematisierten „Ressourceneffizienzanforderungen“ bewertet wird (sog. „New Approach“-Ansatz). Ein präventives Kontrollsystem, welches das Inverkehrbringen der Geräte von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig machen würde, sieht die Ökodesign-Richtlinie also gerade nicht vor.

Die Marktüberwachung ist nach der Systematik der Ökodesign-Richtlinie vielmehr auf repressive Kontrolle angelegt und Sache der mitgliedstaatlichen Behörden. Ihnen steht als Korrektiv zur Selbstkontrolle der Hersteller ein Überwachungsregularium zur Verfügung, das sich im Wesentlichen aus stichprobenartigen oder anlassbezogenen Überprüfungen (Art. 3 Ökodesign-RL) und – bei festgestellten Verstößen gegen die Ökodesign-Anforderungen – Sanktionsmöglichkeiten (Art. 20 Ökodesign-RL) zusammensetzt. Näheres in Bezug auf die Aufsicht des deutschen Marktes regelt das Gesetz über die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte (EVPG). Das die Vorschriften der Ökodesign-Richtlinie umsetzende Regelwerk wird als eigene Angelegenheit von den Ländern ausgeführt (Art. 83 GG). Dementsprechend sind es – je nach landesrechtlicher Ausgestaltung der Zuständigkeiten – letztlich die Gewerbeaufsichtsämter, die Landesämter für Arbeitsschutz oder auch die obersten Landesbehörden, welche für die Überwachung der Einhaltung der reparaturbezogenen „Ressourceneffizienzanforderungen“ verantwortlich sind. Unterstützt werden sie in ihrer Arbeit von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung als sog. „Beauftragte Stelle“.

Effektivität der Marktüberwachung als Schwachstelle? 

Die behördliche Aufsicht über die Einhaltung der Ökodesign-Anforderungen gilt in Bezug auf viele EU-Mitgliedstaaten als notorisch defizitär. Wie die Europäische Kommission in ihrem 2016 verabschiedeten „Ökodesign-Arbeitsprogramm 2016 – 2019“ selbst einräumt, wurden von 10 % – 25 % der auf dem EU-Binnenmarkt vertriebenen Produkte die bis dato schon geltenden Ökodesign- und Energiekennzeichnungsanforderungen nicht erfüllt. Ob sich diese „Fehlerquote“ angesichts der neu hinzugekommenen Ökodesign-Facetten mit all ihren komplexen Konstruktions-, Informations- und Lieferpflichten künftig vermindern wird, darf bezweifelt werden.

Neue Regelungsansätze abseits des Marktaufsichtsrechts

Auch vor diesem Hintergrund werden in der rechtspolitischen Diskussion verschiedene Regelungsmodelle diskutiert, mit deren Hilfe weitere Anreize für die Hersteller zur Konstruktion langlebigere und damit ressourcenschonendere Produkte geschaffen werden könnten. Ein Ansatz besteht etwa darin, Regelungen zur Mindestlebensdauer bestimmter Produkte gleich in das Durchführungsregime der Ökodesign-Richtlinie aufzunehmen. Weiterhin wird das EU-Kaufrecht als regulative Stellschraube ins Spiel gebracht: Denkbar wäre es, die bislang zweijährige Gewährleistungsfrist künftig auch produktgruppenspezifisch auszugestalten. Für bestimmte Gerätegruppen könnten individuelle Fristen vorgesehen werden, die sich an einer technisch jeweils realisierbaren sowie ressourcenschutzfördernden Lebensdauer orientieren. Gelegenheit zur Umsetzung eines solchen Regelungsansatzes hätte die unlängst erlassene – und bis zum 1. Juli 2021 in nationales Recht zu überführende – Warenkauf-Richtlinie (RL 2019/771) geboten. Mit einem objektiven Haltbarkeitserfordernis (Art. 7) führt sie aber immerhin ein Element in das EU-Kaufrecht bzw. in dessen Sachmangelrecht ein, das eine ganz ähnliche Lenkungswirkung in Richtung Ressourcenschutz entfaltet.

 

Dr. Maximilian Wormit

TU Bergakademie Freiberg
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