22.03.2021

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kommunalfinanzen (1)

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Teil 1

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kommunalfinanzen (1)

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Teil 1

Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Die Bundesregierung hat mit der Drucksache 19/23514 vom 20.10.2020 ausführlich auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kommunalfinanzen geantwortet. Der erste Teil der Reihe bietet eine Einführung in das Thema und beschäftigt sich mit der Einnahmesituation der Kommunen, dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und den Gewerbesteuereinnahmen.

Vorbemerkung

Die Bundesregierung stellt ihrer Antwort in den Vorbemerkungen voran, dass die Überwindung der Krise nur gemeinsam mit den Ländern und Kommunen gelinge: Jede Ebene müsse hierbei zunächst ihre originären Aufgaben wahrnehmen. So bewähre sich der Föderalismus gerade in herausfordernden Zeiten. Den Kommunen komme als den Garanten der Daseinsvorsorge vor Ort hierbei eine besonders wichtige Rolle zu. Ihre Handlungsfähigkeit zu bewahren und die für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wichtige Investitionstätigkeit zu stützen, sei daher auch ein wichtiges Ziel des Bundes sowie der für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen zuständigen Länder. Ergänzend zu den länderspezifischen Stützungsmaßnahmen enthalte das Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket sowie das Zukunftspaket daher in erheblichem Umfang sowohl akute kommunale Nothilfen als auch – über die erhöhte Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) – eine dauerhafte und strukturelle Entlastung der Kommunalfinanzen.

Sie legt sodann die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Einnahmesituation im Ganzen, auf den gemeindlichen Anteil an der Einkommensteuer sowie auf die Gewerbesteuer dar. Maßstab ist dabei die vorvergangene Steuerschätzung vom Herbst 2019.


Einnahmesituation der Kommunen

Der Rückgang der Wirtschaftsleistung in Folge der COVID-19-Pandemie hat massive negative Auswirkungen auf das Steueraufkommen aller Gebietskörperschaften in Deutschland. Auch die Gemeinden müssen in diesem Zusammenhang mit Einnahmeausfällen insbesondere bei der Gewerbesteuer sowie dem Gemeindeanteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer rechnen.

Zudem sind die Kommunen durch die im Jahresverlauf 2020 teilweise wirksamen Kontaktbeschränkungen mit Gebührenausfällen, u. a. im Bereich der Kindertagesbetreuungseinrichtungen, sowie zusätzlichen Finanzbedarfen der kommunalen Unternehmen, u. a. bei den kommunalen Verkehrsbetrieben, konfrontiert. Darüber hinaus führen die Steuermindereinnahmen der Länder über den Steuerverbund und die Kommunalen Finanzausgleichsysteme ceteris paribus zu einer Reduzierung der Finanzausgleichsmasse und damit insbesondere im Jahr 2021 zu massiven Mindereinnahmen der Kommunen. Die Bundesregierung hat die negativen finanziellen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Kommunen, sowohl einnahme- als auch ausgabeseitig, seit Beginn der Pandemie im Blick. Sie hat frühzeitig auf die erwartete massive Schwächung der kommunalen Finanzsituation reagiert.

Der hälftig von Bund und Ländern finanzierte pauschale Ausgleich der erwarteten gemeindlichen Gewerbesteuermindereinnahmen 2020 i. H. v. rd. 11,8 Mrd. € sowie die dauerhafte Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Ausgaben für die KdU-Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mit einer jährlichen Entlastungswirkung für die Kommunen von rd. 3,4 Mrd. € im Jahr 2020 und voraussichtlich rd. 3,9 Mrd. € ab dem Jahr 2021 sind hierbei zentrale Bestandteile der Unterstützungsleistungen des Bundes.

Die i. R. d. konjunkturpolitischen Maßnahmen zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgewirkungen der COVID-19-Pandemie beschlossenen Maßnahmen zur Unterstützung der Kommunen durch Bund und Länder sind jedoch vielfältig und gehen weit über die o. g., i. R. d. Gesetzes zur finanziellen Entlastung der Kommunen und der neuen Länder beschlossenen Maßnahmen hinaus.

So unterstützt der Bund im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten in erheblichem Umfang Länder und Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, z. B. in den Bereichen ÖPNV, Gesundheit und Ganztagsbetreuung, kommunale Unternehmen. So profitieren die Kommunen an verschiedenen anderen Stellen des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets, z. B. durch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel im Jahr 2020 um 2,5 Mrd. j, welche zum Ausgleich Corona-bedingter Lasten im ÖPNV beiträgt und damit auch die Fahrgeldmindereinnahmen 2020 der kommunalen Verkehrsbetriebe abfedert.

Auch intensiviert der Bund im Rahmen seiner konjunkturpolitischen Maßnahmen abermals seinen finanziellen Beitrag zur Investitionsförderung, um zu verhindern, dass kurzfristige Mindereinnahmen zu einem Nachlassen der kommunalen Investitionstätigkeit führen. Beispielhaft zu nennen sind diesbezüglich die Beschleunigung des Investitionsprogramms für den Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagesbetreuung durch zusätzliche Finanzmittel i. H. v. bis zu 1,5 Mrd. € sowie die intensivierte Förderung des Kapazitätsausbaus im Bereich der Kindergärten, Kitas und Krippen durch Zuführungen i. H. v. 1 Mrd. € an das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ bis Ende 2021. Unbenommen der massiven finanziellen Entlastungen der Kommunen durch den Bund, welche weit über das Jahr 2020 hinauswirken, sind im zweistufigen Staatsaufbau der BRD die Länder für eine aufgabengerechte Finanzausstattung ihrer Kommunen verantwortlich.

Das Ergreifen von Maßnahmen zur Stabilisierung der Einnahmensituation der Kommunen in der derzeitigen Krise liegt daher vorrangig in der Verantwortung der Länder. Viele Länder sind dabei, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen bzw. haben diese bereits ergriffen. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die Stabilisierung der Einnahmen aus den kommunalen Finanzausgleichen.

Gemeindeanteil an der Einkommensteuer

Gemessen als Differenz der Ergebnisse der aktuellen, 158. Steuerschätzung vom September 2020 mit den Ergebnissen der letzten Steuerschätzung vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie aus dem Oktober 2019 (156. Steuerschätzung) sind die geschätzten Mindereinnahmen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer bis einschließlich 2024 der folgenden Tabelle zu entnehmen.

Gemessen am Niveau der IST-Einnahmen im Vorkrisenjahr 2019 i. H. v. rd. 43,1 Mrd. € sind Mindereinnahmen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer nach den Ergebnissen der 158. Steuerschätzung nur in den Jahren 2020 und 2021 zu erwarten.

 

2020 2021 2022 2023 2024
in Mio. Euro
Gemeindeanteil Einkommensteuer nach den Ergebnissen der

156. Steuerschätzung

 

44 163

 

46 401

 

48 866

 

51 483

 

54 105

Gemeindeanteil Einkommensteuer nach den Ergebnissen der

158. Steuerschätzung

 

39 926

 

42 617

 

44 807

 

47 520

 

50 382

Geschätzte Mindereinnahmen als Differenz der obigen Ergebnisse 4 237 3 784 4 049 3 963 3 723

 

Der 158. Steuerschätzung zugrunde liegen die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Interimsprojektion 2020 der Bundesregierung. Die Abweichung zu den Ergebnissen der 156. Steuerschätzung lassen sich zu einem Großteil auf die wirtschaftlichen Folgewirkungen der Pandemie zurückführen.

Daneben ergeben sich auch beträchtliche Auswirkungen der zur Stützung der deutschen Volkswirtschaft ergriffenen untergesetzlichen Maßnahmen (insbesondere aus der Herabsetzung der Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und aus Stundungen) sowie aus Rechtsänderungen (insbesondere aus dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz). Die ausgewiesenen Mindereinnahmen umfassen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer im Jahr 2020 auch die Mindereinnahmen aus der Gewährung des Kinderbonus i. H. v. geschätzt 822 Mio. €, welche den Gemeinden durch einen erhöhten Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer kompensiert werden. Nach Ländern aufgeschlüsselte Ergebnisse weist der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ nicht aus. Die Einkommensteuereinnahmen der Kommunen je Einwohner in den Jahren 2014 bis 2019 stellen sich wie folgt dar:

 

Gemeindeanteil an der Einkommensteuer 2014 2015 2016 2017 2018 2019
  in Euro/Einwohner
Deutschland 406 427 442 473 495 519
Baden-Württemberg 488 511 531 573 596 613
Bayern 511 542 565 607 631 661
Berlin 370 397 405 402 457 495
Brandenburg 281 306 318 336 364 386
Bremen 352 359 374 382 408 421
Hamburg 586 622 625 681 714 765
Hessen 482 498 524 568 563 598
Mecklenburg-Vorpommern 227 242 248 263 278 300
Niedersachsen 365 380 390 415 438 458
Nordrhein-Westfalen 402 421 434 458 483 498
Rheinland-Pfalz 378 389 384 418 449 475
Saarland 325 335 339 357 386 386
Sachsen 224 244 262 275 294 314
Sachsen-Anhalt 220 235 244 260 279 294
Schleswig-Holstein 372 392 407 446 452 481
Thüringen 225 243 260 276 290 306

Quelle: Gemeindeanteil Einkommensteuer – BMF; Bevölkerungszahlen – Statistisches Bundesamt.

Gewerbesteuereinnahmen

Die geschätzten gemeindlichen Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer bis 2024 werden ebenfalls gemessen als Differenz der Ergebnisse der 158. Steuerschätzung aus dem September 2020 mit den Ergebnissen der letzten Steuerschätzung vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie aus dem Oktober 2019 (156. Steuerschätzung) und sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

Das Niveau der IST-Einnahmen 2019 i. H. v. rd. 47,3 Mrd. € wird bei den gemeindlichen Gewerbesteuereinnahmen nach den Ergebnissen der 158. Steuerschätzung voraussichtlich bereits im Jahr 2022 wieder überschritten.

 

2020 2021 2022 2023 2024
in Mio. Euro
Gewerbesteuer (netto) nach den  Ergebnissen der 156. Steuerschätzung  

49 868

 

51 465

 

52 880

 

54 248

 

55 617

Gewerbesteuer (netto) nach den  Ergebnissen der 158. Steuerschätzung  

38 553

 

45 443

 

47 313

 

49 320

 

52 332

Geschätzte Mindereinnahmen

als Differenz der obigen Ergebnisse

11 315 6 022 5 567 4 928 3 285

Die Abweichungen der Schätzergebnisse lassen sich zu einem Großteil auf die wirtschaftlichen Folgewirkungen der Pandemie auf die Gewerbeerträge der steuerpflichtigen Betriebe sowie auf die zur Stützung der deutschen Volkswirtschaft ergriffenen steuerlichen und konjunkturpolitischen Maßnahmen zurückführen. Nach Ländern aufgeschlüsselte Ergebnisse weist der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ nicht aus.

Im Folgenden wird die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen je Einwohner in den Jahren 2014 bis 2019 dargestellt:

Gewerbesteuereinnahmen 2014 2015 2016 2017 2018 2019
  in Euro/Einwohner
Deutschland 444 458 502 526 553 558
Baden-Württemberg 477 515 556 578 610 599
Bayern 548 564 614 610 657 647
Berlin 405 384 441 491 512 499
Brandenburg 283 279 300 362 360 404
Bremen 563 544 700 715 738 684
Hamburg 993 900 998 1 037 1 144 1 199
Hessen 604 616 682 675 704 731
Mecklenburg-Vorpommern 230 249 293 315 332 326
Niedersachsen 398 382 429 424 454 467
Nordrhein-Westfalen 455 488 521 585 592 604
Rheinland-Pfalz 364 398 435 442 493 477
Saarland 329 326 348 389 438 413
Sachsen 313 302 334 366 370 384
Sachsen-Anhalt 268 274 342 322 343 351
Schleswig-Holstein 317 356 390 433 450 463
Thüringen 258 275 304 322 357 348

Quelle: Gewerbesteuer (netto, d. h. nach Abzug der Gewerbesteuerumlage) und Bevölkerungszahlen – Statistisches Bundesamt.

 

Deutscher Bundestag

Gemeindekasse BW 2021/1

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

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Fachzeitschrift für das kommunale Finanzwesen
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