Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kommunalfinanzen (1)
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Teil 1
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kommunalfinanzen (1)
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Teil 1
Die Bundesregierung hat mit der Drucksache 19/23514 vom 20.10.2020 ausführlich auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kommunalfinanzen geantwortet. Der erste Teil der Reihe bietet eine Einführung in das Thema und beschäftigt sich mit der Einnahmesituation der Kommunen, dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und den Gewerbesteuereinnahmen.
Vorbemerkung
Die Bundesregierung stellt ihrer Antwort in den Vorbemerkungen voran, dass die Überwindung der Krise nur gemeinsam mit den Ländern und Kommunen gelinge: Jede Ebene müsse hierbei zunächst ihre originären Aufgaben wahrnehmen. So bewähre sich der Föderalismus gerade in herausfordernden Zeiten. Den Kommunen komme als den Garanten der Daseinsvorsorge vor Ort hierbei eine besonders wichtige Rolle zu. Ihre Handlungsfähigkeit zu bewahren und die für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wichtige Investitionstätigkeit zu stützen, sei daher auch ein wichtiges Ziel des Bundes sowie der für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen zuständigen Länder. Ergänzend zu den länderspezifischen Stützungsmaßnahmen enthalte das Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket sowie das Zukunftspaket daher in erheblichem Umfang sowohl akute kommunale Nothilfen als auch – über die erhöhte Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) – eine dauerhafte und strukturelle Entlastung der Kommunalfinanzen.
Sie legt sodann die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Einnahmesituation im Ganzen, auf den gemeindlichen Anteil an der Einkommensteuer sowie auf die Gewerbesteuer dar. Maßstab ist dabei die vorvergangene Steuerschätzung vom Herbst 2019.
Einnahmesituation der Kommunen
Der Rückgang der Wirtschaftsleistung in Folge der COVID-19-Pandemie hat massive negative Auswirkungen auf das Steueraufkommen aller Gebietskörperschaften in Deutschland. Auch die Gemeinden müssen in diesem Zusammenhang mit Einnahmeausfällen insbesondere bei der Gewerbesteuer sowie dem Gemeindeanteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer rechnen.
Zudem sind die Kommunen durch die im Jahresverlauf 2020 teilweise wirksamen Kontaktbeschränkungen mit Gebührenausfällen, u. a. im Bereich der Kindertagesbetreuungseinrichtungen, sowie zusätzlichen Finanzbedarfen der kommunalen Unternehmen, u. a. bei den kommunalen Verkehrsbetrieben, konfrontiert. Darüber hinaus führen die Steuermindereinnahmen der Länder über den Steuerverbund und die Kommunalen Finanzausgleichsysteme ceteris paribus zu einer Reduzierung der Finanzausgleichsmasse und damit insbesondere im Jahr 2021 zu massiven Mindereinnahmen der Kommunen. Die Bundesregierung hat die negativen finanziellen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Kommunen, sowohl einnahme- als auch ausgabeseitig, seit Beginn der Pandemie im Blick. Sie hat frühzeitig auf die erwartete massive Schwächung der kommunalen Finanzsituation reagiert.
Der hälftig von Bund und Ländern finanzierte pauschale Ausgleich der erwarteten gemeindlichen Gewerbesteuermindereinnahmen 2020 i. H. v. rd. 11,8 Mrd. € sowie die dauerhafte Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Ausgaben für die KdU-Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mit einer jährlichen Entlastungswirkung für die Kommunen von rd. 3,4 Mrd. € im Jahr 2020 und voraussichtlich rd. 3,9 Mrd. € ab dem Jahr 2021 sind hierbei zentrale Bestandteile der Unterstützungsleistungen des Bundes.
Die i. R. d. konjunkturpolitischen Maßnahmen zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgewirkungen der COVID-19-Pandemie beschlossenen Maßnahmen zur Unterstützung der Kommunen durch Bund und Länder sind jedoch vielfältig und gehen weit über die o. g., i. R. d. Gesetzes zur finanziellen Entlastung der Kommunen und der neuen Länder beschlossenen Maßnahmen hinaus.
So unterstützt der Bund im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten in erheblichem Umfang Länder und Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, z. B. in den Bereichen ÖPNV, Gesundheit und Ganztagsbetreuung, kommunale Unternehmen. So profitieren die Kommunen an verschiedenen anderen Stellen des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets, z. B. durch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel im Jahr 2020 um 2,5 Mrd. j, welche zum Ausgleich Corona-bedingter Lasten im ÖPNV beiträgt und damit auch die Fahrgeldmindereinnahmen 2020 der kommunalen Verkehrsbetriebe abfedert.
Auch intensiviert der Bund im Rahmen seiner konjunkturpolitischen Maßnahmen abermals seinen finanziellen Beitrag zur Investitionsförderung, um zu verhindern, dass kurzfristige Mindereinnahmen zu einem Nachlassen der kommunalen Investitionstätigkeit führen. Beispielhaft zu nennen sind diesbezüglich die Beschleunigung des Investitionsprogramms für den Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagesbetreuung durch zusätzliche Finanzmittel i. H. v. bis zu 1,5 Mrd. € sowie die intensivierte Förderung des Kapazitätsausbaus im Bereich der Kindergärten, Kitas und Krippen durch Zuführungen i. H. v. 1 Mrd. € an das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ bis Ende 2021. Unbenommen der massiven finanziellen Entlastungen der Kommunen durch den Bund, welche weit über das Jahr 2020 hinauswirken, sind im zweistufigen Staatsaufbau der BRD die Länder für eine aufgabengerechte Finanzausstattung ihrer Kommunen verantwortlich.
Das Ergreifen von Maßnahmen zur Stabilisierung der Einnahmensituation der Kommunen in der derzeitigen Krise liegt daher vorrangig in der Verantwortung der Länder. Viele Länder sind dabei, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen bzw. haben diese bereits ergriffen. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die Stabilisierung der Einnahmen aus den kommunalen Finanzausgleichen.
Gemeindeanteil an der Einkommensteuer
Gemessen als Differenz der Ergebnisse der aktuellen, 158. Steuerschätzung vom September 2020 mit den Ergebnissen der letzten Steuerschätzung vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie aus dem Oktober 2019 (156. Steuerschätzung) sind die geschätzten Mindereinnahmen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer bis einschließlich 2024 der folgenden Tabelle zu entnehmen.
Gemessen am Niveau der IST-Einnahmen im Vorkrisenjahr 2019 i. H. v. rd. 43,1 Mrd. € sind Mindereinnahmen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer nach den Ergebnissen der 158. Steuerschätzung nur in den Jahren 2020 und 2021 zu erwarten.
2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | |
in Mio. Euro | |||||
Gemeindeanteil Einkommensteuer nach den Ergebnissen der
156. Steuerschätzung |
44 163 |
46 401 |
48 866 |
51 483 |
54 105 |
Gemeindeanteil Einkommensteuer nach den Ergebnissen der
158. Steuerschätzung |
39 926 |
42 617 |
44 807 |
47 520 |
50 382 |
Geschätzte Mindereinnahmen als Differenz der obigen Ergebnisse | 4 237 | 3 784 | 4 049 | 3 963 | 3 723 |
Der 158. Steuerschätzung zugrunde liegen die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Interimsprojektion 2020 der Bundesregierung. Die Abweichung zu den Ergebnissen der 156. Steuerschätzung lassen sich zu einem Großteil auf die wirtschaftlichen Folgewirkungen der Pandemie zurückführen.
Daneben ergeben sich auch beträchtliche Auswirkungen der zur Stützung der deutschen Volkswirtschaft ergriffenen untergesetzlichen Maßnahmen (insbesondere aus der Herabsetzung der Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und aus Stundungen) sowie aus Rechtsänderungen (insbesondere aus dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz). Die ausgewiesenen Mindereinnahmen umfassen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer im Jahr 2020 auch die Mindereinnahmen aus der Gewährung des Kinderbonus i. H. v. geschätzt 822 Mio. €, welche den Gemeinden durch einen erhöhten Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer kompensiert werden. Nach Ländern aufgeschlüsselte Ergebnisse weist der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ nicht aus. Die Einkommensteuereinnahmen der Kommunen je Einwohner in den Jahren 2014 bis 2019 stellen sich wie folgt dar:
Gemeindeanteil an der Einkommensteuer | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
in Euro/Einwohner | ||||||
Deutschland | 406 | 427 | 442 | 473 | 495 | 519 |
Baden-Württemberg | 488 | 511 | 531 | 573 | 596 | 613 |
Bayern | 511 | 542 | 565 | 607 | 631 | 661 |
Berlin | 370 | 397 | 405 | 402 | 457 | 495 |
Brandenburg | 281 | 306 | 318 | 336 | 364 | 386 |
Bremen | 352 | 359 | 374 | 382 | 408 | 421 |
Hamburg | 586 | 622 | 625 | 681 | 714 | 765 |
Hessen | 482 | 498 | 524 | 568 | 563 | 598 |
Mecklenburg-Vorpommern | 227 | 242 | 248 | 263 | 278 | 300 |
Niedersachsen | 365 | 380 | 390 | 415 | 438 | 458 |
Nordrhein-Westfalen | 402 | 421 | 434 | 458 | 483 | 498 |
Rheinland-Pfalz | 378 | 389 | 384 | 418 | 449 | 475 |
Saarland | 325 | 335 | 339 | 357 | 386 | 386 |
Sachsen | 224 | 244 | 262 | 275 | 294 | 314 |
Sachsen-Anhalt | 220 | 235 | 244 | 260 | 279 | 294 |
Schleswig-Holstein | 372 | 392 | 407 | 446 | 452 | 481 |
Thüringen | 225 | 243 | 260 | 276 | 290 | 306 |
Quelle: Gemeindeanteil Einkommensteuer – BMF; Bevölkerungszahlen – Statistisches Bundesamt.
Gewerbesteuereinnahmen
Die geschätzten gemeindlichen Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer bis 2024 werden ebenfalls gemessen als Differenz der Ergebnisse der 158. Steuerschätzung aus dem September 2020 mit den Ergebnissen der letzten Steuerschätzung vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie aus dem Oktober 2019 (156. Steuerschätzung) und sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.
Das Niveau der IST-Einnahmen 2019 i. H. v. rd. 47,3 Mrd. € wird bei den gemeindlichen Gewerbesteuereinnahmen nach den Ergebnissen der 158. Steuerschätzung voraussichtlich bereits im Jahr 2022 wieder überschritten.
2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | |
in Mio. Euro | |||||
Gewerbesteuer (netto) nach den Ergebnissen der 156. Steuerschätzung |
49 868 |
51 465 |
52 880 |
54 248 |
55 617 |
Gewerbesteuer (netto) nach den Ergebnissen der 158. Steuerschätzung |
38 553 |
45 443 |
47 313 |
49 320 |
52 332 |
Geschätzte Mindereinnahmen
als Differenz der obigen Ergebnisse |
11 315 | 6 022 | 5 567 | 4 928 | 3 285 |
Die Abweichungen der Schätzergebnisse lassen sich zu einem Großteil auf die wirtschaftlichen Folgewirkungen der Pandemie auf die Gewerbeerträge der steuerpflichtigen Betriebe sowie auf die zur Stützung der deutschen Volkswirtschaft ergriffenen steuerlichen und konjunkturpolitischen Maßnahmen zurückführen. Nach Ländern aufgeschlüsselte Ergebnisse weist der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ nicht aus.
Im Folgenden wird die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen je Einwohner in den Jahren 2014 bis 2019 dargestellt:
Gewerbesteuereinnahmen | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
in Euro/Einwohner | ||||||
Deutschland | 444 | 458 | 502 | 526 | 553 | 558 |
Baden-Württemberg | 477 | 515 | 556 | 578 | 610 | 599 |
Bayern | 548 | 564 | 614 | 610 | 657 | 647 |
Berlin | 405 | 384 | 441 | 491 | 512 | 499 |
Brandenburg | 283 | 279 | 300 | 362 | 360 | 404 |
Bremen | 563 | 544 | 700 | 715 | 738 | 684 |
Hamburg | 993 | 900 | 998 | 1 037 | 1 144 | 1 199 |
Hessen | 604 | 616 | 682 | 675 | 704 | 731 |
Mecklenburg-Vorpommern | 230 | 249 | 293 | 315 | 332 | 326 |
Niedersachsen | 398 | 382 | 429 | 424 | 454 | 467 |
Nordrhein-Westfalen | 455 | 488 | 521 | 585 | 592 | 604 |
Rheinland-Pfalz | 364 | 398 | 435 | 442 | 493 | 477 |
Saarland | 329 | 326 | 348 | 389 | 438 | 413 |
Sachsen | 313 | 302 | 334 | 366 | 370 | 384 |
Sachsen-Anhalt | 268 | 274 | 342 | 322 | 343 | 351 |
Schleswig-Holstein | 317 | 356 | 390 | 433 | 450 | 463 |
Thüringen | 258 | 275 | 304 | 322 | 357 | 348 |
Quelle: Gewerbesteuer (netto, d. h. nach Abzug der Gewerbesteuerumlage) und Bevölkerungszahlen – Statistisches Bundesamt.
Deutscher Bundestag
Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.