22.03.2021

Knauthe: „Die Digitalisierung der Lehre wird nicht umkehrbar sein und sollte es auch nicht.“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 15

Knauthe: „Die Digitalisierung der Lehre wird nicht umkehrbar sein und sollte es auch nicht.“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 15

Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Die Pandemie verändert die Lehre, das Lernverhalten und das Miteinander von Lehrenden und Studierenden. Im Rahmen dieser PUBLICUS-Umfrage haben wir Lehrende zu ihren konkreten Erfahrungen und Eindrücken mit der veränderten Lehrsituation befragt. Heute: Prof. Dr. Karola Knauthe, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

 

Was sind die für Sie wesentlichen Erfahrungen, die Sie in den letzten Monaten mit dem Online-Unterricht gemacht haben?

Knauthe: Die plötzliche Umstellung von der Präsenz- auf die Online-Lehre erfolgte bei uns genau in der Prüfungsphase. Das war für viele der Beteiligten eine große Herausforderung. In dieser Situation zeigte sich, dass Kreativität, Pragmatismus und Teamwork die wesentlichen Pfeiler für das Gelingen der Umstellung waren. In den folgenden Monaten begann die Online-Lehre zu einer neuen Form der Normalität für viele zu werden. Die Studierenden genossen den Vorteil der größeren Flexibilität und loggten sich auch mal aus dem einen oder anderen Büro ein, in dem sie einer Werkstudententätigkeit nachgehen. Die Lehrenden stellten, häufig überrascht, fest, dass man viele Lehrinhalte auch online vermitteln kann. Für diejenigen, die schon vor der Pandemie von den Möglichkeiten der Online-Lehre überzeugt waren und diese vielfach in der Lehre einsetzten, brach auch eine neue Zeit an. Ihre Expertise war gefragt und die Möglichkeiten neuer Tools mussten immer schneller ausgelotet werden. Nach zwölf Monaten Online-Lehre scheint aber bei vielen Lehrenden eine zunehmende Online-Müdigkeit aufzukommen. Denn gute Online-Lehre ist, zumindest anfangs, in der Vor- und Nachbereitung deutlich aufwendiger als die Präsenzlehre. Insbesondere Studierende mit Werkstudententätigkeiten hoffen hingegen in zunehmendem Maße, dass die Online-Lehre möglichst lange aufrechterhalten oder in weiten Teilen nach Ende der Pandemie beibehalten wird. Dies gilt naturgemäß stärker für die höheren Semester.

Nennen Sie bitte die dabei für Sie wichtigsten Unterschiede gegenüber der Präsenzlehre.


Knauthe: Der entscheidende Unterschied der Online-Lehre gegenüber der Präsenzlehre ist der fehlende persönliche Kontakt zu den Studierenden. Dieses Problem kann man etwas reduzieren, wenn man Studierende bittet, regelmäßig zwischendurch die Kamera zu aktivieren, aber dennoch fehlt der unmittelbare Kontakt zu allen Studierenden gleichzeitig. Die Vermittlung von Inhalten stellt dadurch eine große Herausforderung dar, da man nicht in den Gesichtern lesen kann, ob etwas verstanden wurde oder ob es weiterer Erklärungen bedarf. Andererseits lassen sich Gruppenarbeiten deutlich leichter organisieren als in Präsenzveranstaltungen, da die Studierenden mit wenigen Klicks in Breakout-Räumen sind und nicht erst aufstehen und die Plätze tauschen müssen.

Welche technischen Hilfsmittel und Systeme kommen aktuell zum Einsatz, um Onlineveranstaltungen abzuhalten? Mit welchen Tools haben Sie persönlich dabei die besten Erfahrungen gesammelt?

Knauthe: Primär wird bei uns BigBlueButton genutzt. Aber auch MS Teams kommt zum Einsatz und ist insbesondere bei Gruppenarbeiten BigBlueButton überlegen, auch wenn es kein Moodle-Plugin gibt, was viele kritisieren. Die Studierenden bevorzugen häufig MS Teams, wenn sie es erst einmal kennengelernt haben, und bilden zunehmend Lerngruppen hierüber. Die Lerninhalte stellen wir über Moodle zur Verfügung. Soweit die Lehrenden die Technik beherrschen, nutzen sie hierbei die vielfältigen Möglichkeiten, die Moodle bietet, inklusive animierter Lehrvideos, die auch Testfragen umfassen können. Persönlich nutze ich zudem weitere Tools wie beispielsweise Plotagon, um kurze Lehrvideos zu erstellen.

Gab es Schwierigkeiten bei Klausuren und mündliche Prüfungen, die unter veränderten Bedingungen abgehalten werden mussten? Wenn ja: Welche?

Knauthe: In den mündlichen Online-Prüfungen gibt es das eine oder andere Mal Leitungsprobleme, die aber mit zuvor eingerichteten Backups ausnahmslos behoben werden konnten. Interessanter ist es bei Online-Klausuren, insbesondere wenn sie als sogenannte Open Book-Klausuren gestellt werden. Wenn man hierbei nicht aufpasst und die Aufgaben zu einfach oder die Studierenden zu kreativ sind, kommt es teilweise zu auffallend ähnlichen Lösungen. Wenn aber die Aufgaben komplex und der Aufgabenumfang hoch ist, dann ist der Durchschnitt bei den Online-Klausuren meist mit den in Präsenz geschriebenen Klausuren vergleichbar.

Wie haben sich die Leistungen und Lernerfolge der Studierenden im Zusammenhang mit der Online-Lehre entwickelt?

Knauthe: Ein großer Leistungsunterschied ist bei den Studierenden bisher nicht aufgefallen. Aber im Online-Raum können sich Studierende besser verstecken als in Präsenzveranstaltungen. Andererseits erscheinen diejenigen, die nicht so interessiert sind, dann häufig nicht in den Vorlesungen, loggen sich aber gegebenenfalls online ein, um sich zumindest die Inhalte anzuhören, gegebenenfalls auch ohne ihnen zu folgen. Um dies besser zu kontrollieren, eignen sich insbesondere kleine Gruppenarbeiten zwischendurch. Zudem hilft es den Studierenden, wenn mehr Lehr- und Lernmaterialien online zur Verfügung gestellt werden als in der Präsenzlehre, um Inhalte zu vertiefen oder Fragestellungen noch einmal detaillierter aufzugreifen. Das können kurze Videos oder Tests oder weitere Dokumente sein.

Gibt es praktische Erfahrungen, die sich dauerhaft auf die Präsenz-Lehre nach überstandener Pandemie übertragen lassen?

Knauthe: Eine wichtige Erfahrung ist, dass nicht alles perfekt sein muss, um gut zu sein. Wenn die Leitungen überlastet sind, die Tablets streiken oder die Mitbewohner zu viel streamen, muss man immer wieder neue Lösungen finden. Häufig sind diese Lösungen besser als die etablierten. Diese Erfahrung kann in der Präsenz-Lehre helfen, in Zukunft variabler zu agieren. Zudem wird die Digitalisierung der Lehre nicht umkehrbar sein und sollte es auch nicht. Die Online-Lehre bietet viele Vorteile für Lehrende und Studierende. Beispielsweise können in Form des digitalen Flipped Classroom reine Lerninhalte asynchron vermittelt und Fragen anschließend in der Vorlesung diskutiert werden. Auch die Vertiefung kann digital häufig besser erfolgen als in Präsenz, da Studierende hierbei ihrem eigenen Lerntempo folgen können.

Wie lauten die drei persönlich wichtigsten Schlagworte, die Ihnen im Kontext der Online-Lehre einfallen?

Knauthe:

  • Kreativität, Vorlesungen neu zu strukturieren
  • Flexibilität, sich auf unerwartete Situationen einzustellen
  • Mut, Neues auszuprobieren

 

©privat

Zur Person:

Prof. Dr. Karola Knauthe, LL.M., ist seit 2017 Professorin für Immobilienrecht mit den Schwerpunkten Immobilienwirtschaft, öffentliches Immobilienrecht und Immobiliensteuerrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin am Fachbereich 4 – Rechtspflege. Zuvor war sie Rechtsanwältin und Lehrbeauftragte an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.

Zur Hochschule:

Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) ist mit rund 11.400 Studierenden eine der großen Hochschulen Berlins. Sie zeichnet sich durch ausgeprägten Praxisbezug, intensive und vielfältige Forschung, hohe Qualitätsstandards sowie eine starke internationale Ausrichtung aus. Das Portfolio der HWR Berlin umfasst eine große fachliche Bandbreite: Unter einem Dach werden Wirtschaftswissenschaften, privates und öffentliches Recht, Verwaltungs-, Rechts- und Sicherheitsmanagement sowie ingenieurwissenschaftliche Studiengänge angeboten.

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Die Serie: PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie



















 
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