08.02.2021

Erdmann: „Onlinelehre als Ergänzung sollte auch künftig ihren Platz haben“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 9

Erdmann: „Onlinelehre als Ergänzung sollte auch künftig ihren Platz haben“

PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie – Folge 9

Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus – Schwerpunkt Corona« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Die Pandemie verändert die Lehre, das Lernverhalten und das Miteinander von Lehrenden und Studierenden. Im Rahmen dieser PUBLICUS-Umfrage haben wir Lehrende zu ihren konkreten Erfahrungen und Eindrücken mit der veränderten Lehrsituation befragt. Heute: Prof. Dr. Christian Erdmann, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Fachbereich Allgemeine Verwaltung.

 

Was sind die für Sie wesentlichen Erfahrungen, die Sie in den letzten Monaten mit dem Online-Unterricht gemacht haben?

Erdmann: Die unerwartete Einstellung des Präsenzlehrbetriebs im Sommersemester 2020 an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin hat erhebliche Anforderungen an Lehrende und Studierende gestellt. Eingespielte und bewährte Präsenzformate mussten in kürzester Zeit auf Onlineformate umgestellt werden. Der schnelle Ausbau der hochschulseitigen IT-Infrastruktur, die Beschaffung neuer Laptops für die Lehrenden sowie der Ausbau von Videokonferenzsystemen hat den Umstieg zumindest technisch schnell ermöglicht. Diese Erweiterungen konnten durch eine zusätzliche Finanzierung des Landes Berlin an die Hochschulen vorgenommen werden.

Da am Fachbereich Allgemeine Verwaltung bereits seit drei Jahren ein Projekt zur Implementierung eines Blended-Studiengangs „Öffentliche Verwaltung“ lief, waren zahlreiche Vorarbeiten für einen digitalen Unterricht bereits umgesetzt oder zumindest projektiert. Das hat den Umstieg für viele Lehrkräfte vereinfacht.


Nennen Sie bitte die dabei für Sie wichtigsten Unterschiede gegenüber der Präsenzlehre.

Erdmann: Die Vermittlung von Lerninhalten kann auch auf Distanz erfolgen. Es fehlt allerdings die unmittelbare Interaktion zwischen Lehrendem und den Studierenden. Die Kameras der Studierenden sind in der Onlinevorlesung in der Regel ausgeschaltet. Teilweise möchten die Studierenden die Kamera auch nicht einschalten. Das ist grundsätzlich zu akzeptieren. Die Chatfunktion bei Onlinevorlesungen wird hingegen gut genutzt, um Fragen zu stellen. Einzelne Studierende stellen auch Fragen über das Mikrofon – das ist allerdings nicht die Regel. Für mich ist daher schwer einzuschätzen, ob ich die Studierenden wirklich erreiche. Es fehlt also das gemeinsame Lernen und Erarbeiten von Stoff. Die Studierenden haben zwar auch die Möglichkeit, BigBlueButton für eigene Lerngruppen zu nutzen. Ob und in welchem Umfang das genutzt wird, ist hingegen nicht bekannt.

Welche technischen Hilfsmittel und Systeme kommen aktuell zum Einsatz, um Onlineveranstaltungen abzuhalten? Mit welchen Tools haben Sie persönlich dabei die besten Erfahrungen gesammelt?

Erdmann: Die Hochschule für Wirtschaft und Recht nutzt seit vielen Jahren die Lehrplattform Moodle. Insofern war die digitale Bereitstellung von Vorlesungsmaterial, die Nutzung von Chats und anderen Lerntools bereits vorher möglich und wurde von vielen Lehrenden auch eingesetzt. Für die Durchführung von Onlinevorlesungen stehen die Videokonferenzsysteme Jitsy und BigBlueButton zur Verfügung. Daneben setze ich persönlich vereinzelt auch Zoom ein. BigBlueButton funktioniert relativ reibungslos und ist in Moodle integrierbar. Die Vorlesungen können aufgezeichnet und anschließend den Studierenden zur Nacharbeit zur Verfügung gestellt werden. BigBlueButton bietet auch die Möglichkeit, die Studierenden über in die Vorlesung eingebetteten Umfragen oder Abstimmungen zu aktivieren. BigBlueButton unterstützt allerdings keine Breakoutrooms, mit denen Kleingruppen gebildet werden können, um Gruppenarbeiten zu ermöglichen. Das ist mit Zoom hingegen problemlos möglich.

Die Lehrenden werden darüber hinaus durch das eLearning-Zentrum der Hochschule mit Tutorials sowie persönlicher Beratung unterstützt. Das ist bei der Konzeption von Lehrvermittlung sowie der Erstellung von eKlausuren eine wesentliche Unterstützung. Daneben findet auch ein regelmäßiger Austausch zwischen den Lehrenden statt.

Gab es Schwierigkeiten bei Klausuren und mündlichen Prüfungen, die unter veränderten Bedingungen abgehalten werden mussten? Wenn ja: Welche?

Erdmann: Zunächst mussten die rechtlichen Voraussetzungen für eKlausuren und mündliche Abschlussprüfungen durch Veränderung der Prüfungsordnungen geschaffen werden. Die mündlichen Abschlussprüfungen wurden – vorausgesetzt die Studierenden haben diesem Verfahren zugestimmt – über Videokonferenzen abgenommen. Dieses Format hat sich bewährt und bis auf wenige technische Störungen konnten alle mündlichen Abschlussprüfungen (auch die Staatsprüfungen zum Erwerb der Laufbahnbefähigung) auf diesem Weg abgenommen werden.

Die schriftlichen Prüfungen wurden überwiegend als eKlausur abgenommen. Die Studierenden sind dabei nicht in der Hochschule, sondern schreiben die Klausur zu Hause. Dazu stehen in Moodle verschiedene Tools zur Verfügung („Aufgabe“ oder „Test“). Die Klausuren sind als „open book“ Klausur konzipiert, d.h. die Studierenden können alle Lehrmaterialien für die Klausur verwenden. Es gab allerdings auch Täuschungsversuche in der Form, dass Studierende erkennbar zusammengearbeitet haben. Durch Randomisierung von Fragen und Antworten sowie eine vorgeschriebene Reihenfolge der Bearbeitung der Fragen ohne die Möglichkeit, zu einzelnen Fragen zurückzukehren, wurde dieses Verfahren für das Wintersemester angepasst.

Diese Form der Abnahme von Klausuren ist allerdings der besonderen aktuellen Situation zuzuschreiben – eine Rückkehr zu Präsenzprüfungen wird in dem Moment erfolgen, wenn die Pandemielage dieses zulässt.

Wie haben sich die Leistungen und Lernerfolge der Studierenden im Zusammenhang mit der Online-Lehre entwickelt?

Erdmann: In dem von mir vertretenen Lehrgebiet „Öffentliche Finanzwirtschaft“ unterscheiden sich die Klausurergebnisse nicht wesentlich von denen der Vorjahre. Ob die Lernerfolge mit denen normaler Semester vergleichbar sind, lässt sich allerdings erst in späteren Semestern beurteilen, wenn die Fächer vertieft werden. Ich erwarte da einen gewissen Nachholbedarf und stelle mich auf die punktuelle Wiederholung ausgewählter Grundlagen ein.

Losgelöst von der Frage des Lernerfolgs ist gerade für die Erst- und Zweitsemesterstudierenden festzuhalten, dass diese einen erschwerten Einstieg in das Studium hatten. Es fehlen die persönlichen Begegnungen, die Hochschulbibliothek ist nur eingeschränkt nutzbar und die Professorinnen und Professoren sind – außer im Videochat – nicht erlebbar. Das ist eine wesentliche Einschränkung für Studienanfänger.

Gibt es praktische Erfahrungen, die sich dauerhaft auf die Präsenz-Lehre nach überstandener Pandemie übertragen lassen?

Erdmann: Die Studierenden können sich Grundlagen eines Fachs durchaus digital und im Vorfeld von Vorlesungen aneignen. Dadurch besteht die Möglichkeit, in den Präsenzvorlesungen auf konkrete Fragen einzugehen oder Fallbearbeitungen zum digitalen Stoff in der Gruppe vorzunehmen. Die Studierenden äußern häufig, dass ihnen die Bereitstellung von Lehrvideos die Möglichkeit gibt, nicht verstandenen Stoff eigenständig und zu selbst bestimmten Zeiten zu wiederholen. Das stellt sich für mich als ein außerordentlicher Vorteil dar. Ich persönlich hoffe, dass wir nach der Rückkehr zu einem „normalen“ Lehrbetrieb auch weiterhin digitale Elemente und Videovorlesungen als Ergänzung im Programm behalten. Ich werde künftig Sprechstunden oder die Besprechung von Abschlussarbeiten/ Gliederungsbesprechungen im Videoformat abhalten.

Wie lauten die drei persönlich wichtigsten Schlagworte, die Ihnen im Kontext der Online-Lehre einfallen?

Erdmann:

  • Corona hat an der Hochschule Prozesse angeschoben, die sonst wohl mehrere Jahre gedauert hätten
  • Steigerung der Digitalkompetenz auf Seiten der Lehrenden und Studierenden
  • Onlinelehre als Ergänzung zu Präsenzvorlesungen sollte auch künftig ihren Platz haben

 

Zur Person:

Christian Erdmann ist Professor für öffentliche Finanzwirtschaft mit dem Schwerpunkt staatliches Haushaltsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin am Fachbereich 3 – Allgemeine Verwaltung. Zuvor war er Leiter des Rechnungsprüfungsamtes der Landeshauptstadt Potsdam. Er ist Mitherausgeber der Vorschriftensammlung für das Land Brandenburg sowie Mitautor von Kommentaren zum brandenburgischen Kommunalverfassungsrecht sowie zum kommunalen Haushaltsrecht.

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin ©Christoph Eckelt

Zur Hochschule:

Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin ist mit rund 11400 Studierenden eine der großen Hochschulen Berlins. Sie zeichnet sich durch ausgeprägten Praxisbezug, intensive und vielfältige Forschung, hohe Qualitätsstandards sowie eine starke internationale Ausrichtung aus. Das Portfolio der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) umfasst eine große fachliche Bandbreite: Unter einem Dach werden Wirtschaftswissenschaften, privates und öffentliches Wirtschaftsrecht, Verwaltungs-, Rechts- und Sicherheitsmanagement sowie ingenieurwissenschaftliche Studiengänge angeboten.

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Die Serie: PUBLICUS-Umfrage zur Lehre in der Pandemie



















 
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