26.01.2021

Schnelle Hilfe für Opfer von Gewalttaten

Traumaambulanzen im Neuen Sozialen Entschädigungsrecht

Schnelle Hilfe für Opfer von Gewalttaten

Traumaambulanzen im Neuen Sozialen Entschädigungsrecht

© vege – Fotolia.com
© vege – Fotolia.com

Der Beitrag stellt ausschließlich die persönliche Ansicht der Autorin dar.

Im Dezember 2019 wurde das Recht der Sozialen Entschädigung umfangreich reformiert und in einem Vierzehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV) neu kodifiziert. Dieses regelt die Entschädigung u. a. für Opfer von Gewalttaten. Der Großteil der Vorschriften tritt erst zum 1. Januar 2024 in Kraft. Bereits seit dem 1. Januar 2021 besteht jedoch der Anspruch auf Leistungen der Traumaambulanz.

Was sind Traumaambulanzen?

Gewalttaten – man denke etwa an den Amoklauf jüngst in Trier – wirken sich nicht nur auf die körperliche, sondern oft auch auf die psychische Gesundheit der Opfer aus. Um hier langfristige Gesundheitsstörungen oder deren Chronifizierung zu vermeiden, erhalten Betroffene rasche psychotherapeutische Unterstützung in der Traumaambulanz. Das sind Ambulanzen, mit denen die für die Durchführung des sozialen Entschädigungsrechts zuständigen Länder entsprechende Verträge schließen. Zwar gibt es bereits seit Jahren Traumaambulanzen in Deutschland, doch erst seit dem 1. Januar 2021 haben Betroffene einen eigenen, einklagbaren Anspruch auf Leistungen der Traumaambulanz.


Traumaambulanzen sind neben dem Fallmanagement Leistungen der Schnellen Hilfen. Das bedeutet, dass Betroffene schnell und unbürokratisch Zugang hierzu erhalten sollen. Denn gerade, wenn es darum geht, die Gesundheit der Betroffenen zu erhalten bzw. wiederherzustellen, ist rasches Handeln gefragt. Eine langwierige Überprüfung im regulären Verwaltungsverfahren wäre hinderlich. Vor diesem Hintergrund erhalten Betroffene Zugang zur Traumaambulanz, bevor feststeht, ob überhaupt ein Entschädigungsanspruch besteht. Für die ersten beiden Sitzungen in der Traumaambulanz besteht keine Antragspflicht. Über einen spätestens dann zu stellenden Antrag wird im Erleichterten Verfahren (§ 115 SGB XIV) entschieden. Dabei wird der von den Betroffenen vorgetragene Sachverhalt als wahr unterstellt, wenn seine Unrichtigkeit nicht offensichtlich ist. Es folgt eine lediglich summarische Prüfung des Anspruchs. Wird festgestellt, dass die bereits in Anspruch genommenen Leistungen der Traumaambulanz zu Unrecht erbracht wurden, besteht kein Erstattungsanspruch gegen die Betroffenen.

Wer darf in die Traumaambulanz kommen?

Anspruch auf Leistungen der Traumaambulanz nach dem SGB XIV haben Opfer von Gewalttaten, Opfer der Kriegsauswirkungen der beiden Weltkriege, im Zivildienst Geschädigte sowie Impfgeschädigte, wobei die zuerst genannte Gruppe die zahlenmäßig relevanteste sein wird.

Nach aktuellem Recht erhalten nur Opfer physischer Gewalttaten Entschädigungsleistungen. Zwar weitet das SGB XIV den Gewaltbegriff auch auf psychische Gewalttaten aus, doch treten die entsprechenden Vorgaben erst zum 1. Januar 2024 in Kraft. Das bedeutet: Opfer psychischer Gewalt können erst ab diesem Zeitpunkt Leistungen der Sozialen Entschädigung, einschließlich der Traumaambulanz, beanspruchen.

Gibt es ein zeitliches Limit für Leistungen der Traumaambulanz?

Um ihre volle Wirkung zu entfalten, muss die psychotherapeutische Intervention früh einsetzen. Daher besteht der Anspruch nur, wenn Betroffene innerhalb von zwölf Monaten nach dem schädigenden Ereignis die Traumaambulanz aufsuchen. Berechtigt sind aber nicht nur die Primäropfer selbst, sondern auch Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende. Bei diesen Personen kommt es hinsichtlich der Zwölf-Monats-Frist auf die Kenntnis vom schädigenden Ereignis an. Des Weiteren können auch Personen, bei denen das schädigende Ereignis länger zurückliegt, Leistungen der Traumaambulanz in Anspruch nehmen, wenn die Tat zu einer akuten psychischen Belastung geführt hat. So kann ein aktuelles Ereignis als „Trigger“ wirken und eine akute Krise auslösen. Das Auftreten dieser akuten Belastung ist dann für den Zwölf-Monats-Zeitraum maßgebend.

Welche Leistungen erhält man in der Traumaambulanz?

Betroffene erhalten psychotherapeutische Intervention in bis zu 15, bei Kindern und Jugendlichen bis zu 18 Sitzungen. Bei den zuletzt Genannten besteht ein höherer Bedarf, da eine Abstimmung mit den Erziehungsberechtigten, dem Jugendamt, Schulen etc. erforderlich sein kann.

Weitere Regelungen stellen sicher, dass Berechtigte die Leistungen der Traumaambulanz tatsächlich in Anspruch nehmen können. So werden erforderliche Dolmetscher- oder Übersetzerkosten ebenso übernommen wie erforderliche Fahrkosten sowie Betreuungskosten für zu pflegende oder zu betreuende Familienangehörige der Berechtigten und notwendiger Begleitpersonen.

Wie geht es weiter?

Nicht in allen Fällen genügt die Behandlung in der Traumaambulanz, um den Eintritt einer psychischen Gesundheitsstörung zu verhindern bzw. um diese zu heilen. Besteht weiterer psychotherapeutischer Behandlungsbedarf, werden Betroffene auf Angebote außerhalb der Traumaambulanz verwiesen. Um den in der Traumaambulanz erzielten Fortschritt nicht zu schmälern, ist eine möglichst nahtlose Weiterbehandlung erforderlich.

Nicht immer ist es leicht, eine zügige Anschlussbehandlung zu ermöglichen. Daher verpflichtet das neue Recht die Traumaambulanz, einen erforderlichen Weiterbehandlungsbedarf spätestens nach der fünften Sitzung der zuständigen Behörde mitzuteilen, damit diese entsprechende Vorkehrungen treffen kann.

Ausblick

Leistungen des SGB XIV werden nur in Traumaambulanzen erbracht, mit denen die zuständigen Landesbehörden entsprechende Vereinbarungen getroffen haben. Was diese Verträge mindestens beinhalten müssen, wird durch eine zum 1. Januar 2024 in Kraft tretende Verordnung festgelegt, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrates erlässt. Die Verordnung enthält Vorgaben u. a. zur Qualifikation des Personals, das die Sitzungen durchführt, zur Erreichbarkeit der Traumaambulanz und zur Terminvergabe. Die Ausgestaltung im Einzelnen wird mit Spannung erwartet.

 

Maria Monica Fuhrmann

Regierungsdirektorin
n/a