28.01.2021

Praxisrelevante Klarstellungen

Neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – Teil 1

Praxisrelevante Klarstellungen

Neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – Teil 1

Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist bei der Durchführung amtlicher Vermessungen an die Bestimmungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. ©PRODUCTION PERIG – adobe stock.com
Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist bei der Durchführung amtlicher Vermessungen an die Bestimmungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. ©PRODUCTION PERIG – adobe stock.com

Der Beitrag stellt die neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure vor und ordnet sie in den Kontext bislang ergangener Entscheidungen ein. Bei der Analyse ist festzustellen, dass einerseits die bereits vorliegende Rechtsprechung bestätigt wird, anderseits aber auch bislang ungeklärte Rechtsfragen einer (erstmaligen) gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Die gerichtlichen Entscheidungen zeichnen sich durch hohe Praxisrelevanz sowohl für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure als auch für die Aufsichtsbehörden aus. Teil 1 befasst sich nach einer Einleitung mit der Rechtsstellung der Vermessungsingenieure als Beliehene.

Einleitung

Die Leistungen des amtlichen Vermessungswesens sind von zentraler Bedeutung für die Gesellschaft. Die von der amtlichen Vermessung vorgehaltenen Geodaten sind unverzichtbare Grundlage von Entscheidungen der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft. Die Herausforderungen der Zukunft wären ohne qualifizierte, raumbezogene Informationen kaum zu bewältigen, was sowohl für die intelligente Weiterentwicklung von Ballungsräumen wie auch für die nachhaltige Stärkung des ländlichen Raumes sowie zukunftsprägende Themen wie bspw. Bildung, Nahverkehr, medizinische Grundversorgung und diverse Umweltanwendungen gilt (vgl. Grams et al. 2018, S. 198). Die amtliche Vermessung sichert zudem rechtsverbindlich das Eigentum an Grund und Boden in räumlicher Hinsicht (Kriesten 2017, S. 42 ff.) Dementsprechend ist auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Schlussfolgerung gelangt, dass das amtliche Vermessungswesen einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut dient (Kriesten 2017, S. 42 ff). Innerhalb des amtlichen Vermessungswesens wiederum spielt der Berufsstand der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure eine zentrale Rolle. In der Bundesrepublik sind derzeit rund 1.500 Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure im amtlichen Vermessungswesen tätig. Lediglich in Bayern sehen die landesgesetzlichen Bestimmungen keine Bestellung von Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren vor. Das Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure ist eine bedeutsame und komplexe Rechtsmaterie. Es sind hierzu zahlreiche gerichtliche Entscheidungen ergangen, sowohl von Bundesgerichten als auch innerhalb der jeweiligen Gerichtsbarkeit der Bundesländer. Das Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure ist dezidiert im Lehrbuch des Autors dargestellt (Kriesten 2017). Im Folgenden sollen die aktuellsten und bedeutsamsten Entwicklungen im Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure vorgestellt werden.

Rechtsstellung als Beliehener

Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist als Träger eines öffentlichen Amtes zur Erfüllung hoheitlicher Vermessungsarbeiten bestellt und hat insoweit nach ständiger Rechtsprechung die Rechtsstellung eines Beliehenen (Kriesten 2017, S. 247, zuletzt OVG NRW, Urteil vom 23.01.2019, 14 A 720/16; OVG Saarland, Beschluss vom 09.03.2018, 1 A 348/17). Dies hat zur Folge, dass private Vermessungsingenieure von der Erbringung amtlicher (hoheitlicher) Vermessungsleistungen ausgeschlossen sind. Auch den Bürgern ist es damit verwehrt, private Vermessungsingenieure mit der Durchführung hoheitlicher Vermessungsaufgaben zu betrauen. Wie das Oberverwaltungsgericht Münster zutreffend entschieden hat, ist der Ausschluss privater Vermessungsingenieure von amtlichen Vermessungshandlungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.12.2017, 14 A 2265/15).


Der Öffentlich bestelle Vermessungsingenieur ist bei der Durchführung amtlicher Vermessungen an die Bestimmungen des – jeweils einschlägigen – Landesverwaltungsverfahrensgesetzes gebunden (Kriesten 2017, S. 248). Ebenso sind die einschlägigen standesrechtlichen Normen zu beachten. Daher gelten für Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure (weitgehend) die Bestimmungen für Beamte entsprechend, die den Ausschluss von hoheitlichen Tätigkeiten wegen einer Nähebeziehung zum betroffenen Bürger oder die Befangenheit des Amtsträgers regeln. In Baden-Württemberg ergibt sich dies beispielhaft aus § 7 ÖbVI-Berufsordnung i.V.m. §§ 20 f. Verwaltungsverfahrensgesetz (im Folgenden: VwVfG) Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen aus § 9 Abs. 2 Nr. 2 ÖbVIG NRW i.V.m. § 20 VwVfG NRW bzw. aus § 9 Abs. 2 Nr. 4 ÖbVIG. Problematisch kann die Situation für den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur werden, wenn er vor Durchführung einer amtlichen Vermessung wie bspw. einer Grenzfeststellung in derselben Angelegenheit bereits privatrechtlich aufgetreten ist, z. B. im Rahmen einer nichtamtlichen Grenzfeststellung (vgl. hierzu Kriesten 2017, S. 26) oder eines Gutachtens. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg neigt in dieser Konstellation dazu, einen Ausschlusstatbestand im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 6 VwVfG anzunehmen, ohne sich jedoch abschließend festzulegen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.12.2017, 2 L 33/16). Nach dieser Bestimmung »darf für eine Behörde nicht tätig werden, wer außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft in der Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist.« Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg ist jedoch der Auffassung, dass ein etwaiger Mangel im Verfahren nicht auf die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung durchschlägt, sondern gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich wird, wenn die Widerspruchsbehörde nach eigener Bewertung des Sachverhaltes die Ausgangsentscheidung im Ergebnis bestätigt. Dabei soll es weitergehend unerheblich sein, ob die Widerspruchsbehörde den Mangel der Ausgangsentscheidung gekannt hat. § 46 VwVfG lautet: »Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.«

Gleichwohl sollte der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur diese Entscheidung nicht als »Carte blanche« verstehen, sondern sich bewusst sein, dass die – mutmaßlich – unzulässige Durchführung einer Amtshandlung ggf. disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf ein neueres Judikat des VG Düsseldorf zu verweisen, wonach ein Verstoß gegen die Bestimmungen, die den Ausschluss des ÖbVI von der Amtshandlung wegen eines besonderen Näheverhältnisses zu einem Verfahrensbeteiligten oder wegen Besorgnis der Befangenheit regeln, als Dienstvergehen disziplinarrechtlich geahndet werden kann (VG Düsseldorf, Urteil vom 19.06.2018, 4 K 15775/16, wonach eine Geldbuße von 1.000 € vom Gericht bestätigt wurde). Ggf. kann die unzulässige Durchführung einer Amtshandlung sich zudem auf den Vergütungsanspruch des ÖbVI auswirken, auch wenn hierzu bislang – soweit ersichtlich – noch keine Rechtsprechung ergangen ist.

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Vermessungsrecht_Grenzstreit

Literatur

Kriesten, M. (2017): Vermessungsrecht, Grenzstreitigkeiten und Recht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure. 1. Auflage, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart.

Grams, G., Heß, D., Paul, T., Schleyer, A., Steudle, G. (2018): 200 Jahre Landesvermessung und Liegenschaftskataster – ein Bogenschlag vom Königreich Württemberg zu digital@bw. In: zfv – Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement, Heft 4/2018, 143. Jg., S. 198–215. DOI: 10.12902/zfv-0223-2018.

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

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Die Serie: Praxisrelevante Klarstellungen

 

Markus Kriesten

Regierungsdirektor beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg
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