04.02.2021

Praxisrelevante Klarstellungen (2)

Neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – Teil 2

Praxisrelevante Klarstellungen (2)

Neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – Teil 2

Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist bei der Durchführung amtlicher Vermessungen an die Bestimmungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. ©PRODUCTION PERIG – adobe stock.com
Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist bei der Durchführung amtlicher Vermessungen an die Bestimmungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. ©PRODUCTION PERIG – adobe stock.com

Der Beitrag stellt die neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure vor und ordnet sie in den Kontext bislang ergangener Entscheidungen ein. Bei der Analyse ist festzustellen, dass einerseits die bereits vorliegende Rechtsprechung bestätigt wird, anderseits aber auch bislang ungeklärte Rechtsfragen einer (erstmaligen) gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Die gerichtlichen Entscheidungen zeichnen sich durch hohe Praxisrelevanz sowohl für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure als auch für die Aufsichtsbehörden aus. Teil 2 befasst sich insbesondere mit der Bearbeitungszeit von Zerlegungsvermessungen sowie mit der Aufsicht und dem Weisungsrecht der oberen Vermessungsbehörde.

Pflichten gegenüber dem amtlichen Vermessungswesen und dem Auftraggeber

Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure haben die amtlichen Vermessungsleistungen sorgfältig und gewissenhaft durchzuführen. Neben der qualitativ hochwertigen Aufgabenerfüllung haben sie ferner auch dem Aspekt der zügigen Aufgabenerfüllung Rechnung zu tragen (Kriesten 2017, S. 250). So ist bspw. die zügige Bearbeitung von Zerlegungsvermessungen von erheblicher Bedeutung, weil sie in der Regel Grundstücksgeschäfte vorbereitet (Kriesten 2017, S. 250 unter Verweis auf OVG Bremen, Beschluss vom 17.07.2015, 2 B 78/15). Schuldhafte Verzögerungen bei der Aufgabenerfüllung können dementsprechend disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen oder im Extremfall sogar zum Widerruf der Bestellung führen, wie dies Streitgegenstand einer neueren Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bremen war (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18).

Naturgemäß ist es schwierig, einen exakten Zeitwert anzugeben, binnen der Liegenschaftsvermessungen durchzuführen sind. Dementsprechend zurückhaltend sind auch die Vermessungs- und Katastergesetze der Bundesländer, was die Benennung von Fristen zur Durchführung von Liegenschaftsvermessungen angeht. Selbstverständlich müssen stets die Umstände des Einzelfalles beachtet werden, wie bspw. die Komplexität der konkret durchzuführenden amtlichen Vermessung. Ggf. können auch Umstände, die in der Sphäre des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs liegen, Verzögerungen in gewissem Umfang rechtfertigen, etwa im Falle von (erheblichen) Erkrankungen im Geschäftsbetrieb des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs. Diesbezüglich ist jedoch klarzustellen, dass der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur auch in diesen Fällen von seinen Verpflichtungen gegenüber dem amtlichen Vermessungswesen nicht entbunden ist, soweit er dazu tatsächlich noch in der Lage ist. So bestimmt etwa § 12 Abs. 1 Satz 1 ÖbVIG NRW, dass der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur für seine Vertretung sorgen kann, wenn er durch Urlaub, Krankheit oder aus anderen unaufschiebbaren Gründen gänzlich verhindert ist seinen Beruf auszuüben. Bei einer Verhinderung von mehr als einer Woche muss er gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 ÖbVIG NRW für seine Vertretung sorgen und dies der Aufsichtsbehörde umgehend anzeigen, eine Vertretung von mehr als vier Wochen bedarf gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 ÖbVIG NRW zudem der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.


Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in Bremen geht davon aus, dass für eine durchschnittliche Zerlegungsvermessung eine Bearbeitungszeit von ca. 3 Monaten ausreichend ist (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18, unter Hinweis auf OVG Bremen, Urteil vom 03.08.2016, 2 LB 140/15). Zudem ist der Antragsteller über etwaige Verzögerungen zeitnah zu unterrichten (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18). Je länger sich die Bearbeitung verzögert, desto mehr obliegt es dem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur die Gründe hierfür plausibel vorzutragen (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18).

Zur gewissenhaften Amtsausführung gehört es zudem, zutreffende Angaben zu Abschluss und Fortgang der Vermessungssache zu machen (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18). Soweit konkrete Fertigstellungstermine genannt werden, stellt deren spätere Verfehlung nur dann keine Pflichtverletzung dar, wenn der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur den Grund des Verzugs nicht zu vertreten hat (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18).

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Vermessungsrecht_Grenzstreit

Beaufsichtigung durch die Aufsichtsbehörde und Weisungsgebundenheit des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs

Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur untersteht der Aufsicht und dem Weisungsrecht der oberen Vermessungsbehörde als Aufsichtsbehörde (Kriesten 2017, S. 252 f.). Die staatliche Aufsicht über die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure stellt eine Rechts- und Fachaufsicht dar, sodass neben der rechtmäßigen auch die zweckmäßige Aufgabenerfüllung durchgesetzt werden kann (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.07.2006, 1 M 76/06; VGH Hessen, Urteil vom 21.03.1989, 11 UE 795/86).

Was die Frage der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Weisungen der Aufsichtsbehörde angeht, ist der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur mit einem Beamten vergleichbar, indem die beamtenrechtlichen Grundsätze über das sogenannte »Grundverhältnis« bzw. »Betriebsverhältnis« übertragbar sind (VGH Hessen, Urteil vom 21.03.1989, 11 UE 795/86 mit weiteren Nachweisen). Nach den beamtenrechtlichen Grundsätzen ist das »Grundverhältnis« des Beamten dann betroffen, wenn der Beamte durch eine Maßnahme unmittelbar in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen ist, die Maßnahme also den persönlichen Rechtskreis des Beamten betrifft. Klassisches Beispiel für eine solche den persönlichen Rechtskreis des Beamten betreffende Maßnahme des Dienstherrn ist die »Versetzung«. Lediglich das »Betriebsverhältnis« des Beamten ist hingegen betroffen, wenn die Maßnahme sich nur gegen die Stellung des Beamten als Amtsträger und Teil der Verwaltung richtet, wie dies klassischerweise bei einer der Aufgabenerfüllung dienenden dienstlichen Weisung der Fall ist.

Praktische Folge der Unterscheidung ist, dass Maßnahmen, die das »Grundverhältnis« des Beamten betreffen, das für einen Verwaltungsakt erforderliche Tatbestandsmerkmal der »Außenwirkung« erfüllen mit der Folge, dass verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz über die »Anfechtungs-« bzw. »Verpflichtungsklage« möglich ist. Im reinen »Betriebsverhältnis« hingegen ist die persönliche Rechtsstellung des Beamten nicht tangiert und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nur sehr eingeschränkt möglich, ggf. im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage. Übertragen auf die Situation des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs bedeutet dies Folgendes:

Eine fachaufsichtliche Weisung wird regelmäßig mangels Außenwirkung nur dem reinen Betriebsverhältnis zuzuordnen sein und somit keine Verwaltungsaktqualität haben. Derartige fachaufsichtliche Weisungen innerhalb des reinen Betriebsverhältnisses unterliegen keinen strengen Anforderungen, da lediglich Vorgänge innerhalb der Verwaltung selbst geregelt werden (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18). Insbesondere bei Auskunftsverlangen im Rahmen der Fachaufsicht wird es regelmäßig an der erforderlichen Außenwirkung fehlen (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18). Die Fachaufsichtsbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Mittel sie zur Sachverhaltsaufklärung einsetzt, ist dabei jedoch an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.07.2006, 1 M 76/06). Zulässig ist auch die fachaufsichtliche Anforderung der den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur betreffenden Unterlagen bei der unteren Vermessungsbehörde, jedenfalls soweit der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur die Unterlagen nicht selbst vorlegt (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.07.2006, 1 M 76/06). Auch sind fachaufsichtliche Aufforderungen zur sachgerechten und zügigen Erledigung offener Vermessungsanträge rechtlich unproblematisch als lediglich innerbetriebliche rechtmäßige Weisungen zu verstehen, jedenfalls solange die Vergütung des Auftrages nicht infrage steht (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18).

Mit der Frage, ob und inwieweit der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur verpflichtet ist, auch unentgeltlich für die amtliche Vermessung tätig zu werden, hat sich bereits das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 1994 beschäftigt (BVerwG, Urteil vom 15.12.1994, 4 C 11/94). Danach stellt es keinen Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG dar, wenn vom Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur Arbeiten zu Gunsten des amtlichen Vermessungswesens verlangt werden, ohne dass dieser hierfür eine besondere Vergütung erlangt, soweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt bleibt. In formalrechtlicher Hinsicht ist zudem erforderlich, dass der Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes legitimiert ist, welche die nähere rechtliche Ausgestaltung des Eingriffs regelt, sodass eine bloße – generalklauselartig formulierte – landesorganisationsrechtliche Regelung zur Fachaufsicht und zum Weisungsrecht nicht ausreichend ist.

Eine fachaufsichtliche Weisung kann (ausnahmsweise) dann Verwaltungsaktcharakter haben, wenn ihre Rechtswirkung unter Berücksichtigung des zugrundeliegenden materiellen Rechts nicht im staatlichen Innenbereich verbleibt, sondern auf den rechtlich geschützten Bereich des Amtsträgers übergreift und damit Außenwirkung erzeugt (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.02.1997, 5 S 7/97 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 15.12.1994, 4 C 11.94). Soweit eine solche Außenwirkung vorliegt, ist der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur – wie bereits dargelegt – in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen, was ihn in die Lage versetzt, subjektiven Rechtsschutz in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu begehren (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18). Insbesondere wird eine etwaige Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen solchen Eingriff in die persönliche Rechtsstellung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs begründen (VG Bremen, Beschluss vom 01.08.2018, 5 V 1374/18; VGH Hessen, Urteil vom 21.03.1989, 11 UE 795/86).

Soweit ein Gebührenbescheid des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs nach Widerspruch des Adressaten des Gebührenbescheids von der Fachaufsicht in der Höhe herabgesetzt oder ganz aufgehoben wird, kann der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur hiergegen im Rahmen der Anfechtungsklage den Verwaltungsrechtsweg beschreiten, da er hierdurch in seinem Recht auf Gebührenerhebung verletzt sein kann (Kriesten 2017, S. 296). Diese Rechtsprechung wurde zuletzt durch ein Urteil des OVG Sachsen-Anhalt bestätigt (Urteil vom 22.01.2020, 2 L 146/18).

Literatur

Kriesten, M. (2017): Vermessungsrecht, Grenzstreitigkeiten und Recht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure. 1. Auflage, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart.

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

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Die Serie: Praxisrelevante Klarstellungen

 

Markus Kriesten

Regierungsdirektor beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg
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