22.02.2021

Meilensteine, Stolpersteine (2)

Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens – Teil 2

Meilensteine, Stolpersteine (2)

Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens – Teil 2

Die Weichenstellung im § 304 InsO wird seit Jahren heftig kritisiert. © Tatjana Balzer – Fotolia.com
Die Weichenstellung im § 304 InsO wird seit Jahren heftig kritisiert. © Tatjana Balzer – Fotolia.com

Die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz schreibt vor, dass unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das es ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden. Die Richtlinie ist bis zum 17. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen. Mit dem für Deutschland beschlossenen Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens wurden jetzt die Richtlinienvorgaben zur Restschuldbefreiung umgesetzt, wobei hier Verbraucherinnen und Verbraucher mit einbezogen werden (G. v. 22.12.2020, BGBl. I S. 3328, Nr.67). Teil 1 befasste sich mit u.a. mit der Wohlverhaltensphase und der Entscheidung nach § 300 InsO. In Teil 2 geht es um die Versagungsgründe für die Restschuldbefreiung sowie die Sperrfrist für einen neunen Antrag auf Restschuldbefreiung.

Versagungsgründe für die Restschuldbefreiung

Während des Insolvenzverfahrens gibt es verschiedene Versagungsgründe. Die Versagungsgründe während des laufenden Verfahrens sind in § 290 InsO geregelt. Die Versagungsgründe während der Wohlverhaltensphase in §§ 295, 295a InsO. Ein Insolvenzgläubiger muss daher vor Stellung eines Antrags auf Versagung der Restschuldbefreiung genau prüfen, worauf er seinen Versagungsantrag stützen kann. In jedem Falle können jedoch nur solche Insolvenzgläubiger einen Antrag stellen, die am Insolvenzverfahren teilnehmen. Zu § 290 InsO enthält die Reform keine Änderungen. Der Katalog der Obliegenheiten des Schuldners in § 295 InsO wird dagegen erweitert. Nach bisherigem Recht obliegt es dem Schuldner nach § 295 Abs 1 Nr. 2 InsO, Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben. Diese Obliegenheit wird erweitert und gilt künftig nicht nur für Erbschaften, sondern auch für Schenkungen. Neu ist ebenfalls, dass Gewinne aus einer (legalen) Lotterie, Ausspielung oder einem Spiel mit Gewinnmöglichkeit zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben sind. Die Herausgabepflicht besteht allerdings nicht bei Gelegenheitsgeschenken und Gewinnen von geringem Wert. Neue Aufgaben kommen hier auf das Gericht zu, da der Schuldner einen Antrag an das Insolvenzgericht auf Feststellung richten kann, ob ein Vermögenserwerb von der Herausgabepflicht ausgenommen ist. Dieser Antrag kann sich nach der Gesetzessystematik allerdings nur auf die Frage beziehen, ob es sich um gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke oder um Gewinne von geringem Wert handelt. Es bleibt hier abzuwarten, welche Bewertungskriterien hier die Rechtsprechung entwickelt. Es bietet sich an, hier die vorliegende Rechtsprechung zu § 4 AnfG (Schenkungsanfechtung) heranzuziehen.  Insolvenzschuldnern ist jedenfalls anzuraten, entsprechendes Vermögen vor einer Klärung nicht anzugreifen und im Zweifelsfall einen Antrag auf Feststellung, ob der Vermögenserwerb von der Herausgabeobliegenheit ausgenommen ist, an das Insolvenzgericht zu stellen, § 295 S. 2 InsO. § 295 S.1 InsO wird weiterhin um eine Nummer 5 erweitert. Es dürfen hiernach auch während der Wohlverhaltensphase keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Abs.1 Nr. 4 InsO begründet werden. In den Vorentwürfen war noch vorgesehen, dass eine entsprechende Prüfung dieser Obliegenheit von Amts wegen durch das Gericht erfolgen solle. Dieser Umstand wurde aber im Gesetz nicht übernommen. Durch den entsprechenden Verweis auf § 290 InsO kann die hierzu ergangene Rechtsprechung für die neue Regelung herangezogen werden. Antragsberechtigt sind nur Insolvenzgläubiger, die am Verfahren teilnehmen. Neugläubiger haben kein Antragsrecht und haben auch kein rechtliches Interesse an einer Versagung der Restschuldbefreiung. Die Neugläubiger profitieren im Gegenteil von der Befreiung von „Altlasten“.

Neu ist ebenfalls § 295 a InsO hinsichtlich Obliegenheiten eines Schuldners bei selbstständiger Tätigkeit. Nach bisherigem Recht oblag es dem Schuldner bei Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre, § 35 Abs. 2 a.F. i.V.m. § 295 Abs 2 aF. Bisher fehlte es an einer Regelung, innerhalb welcher Fristen diese Zahlungen zu erfolgen hatten. Das Gesetz berücksichtigt jetzt die bisher hierzu ergangene Rechtsprechung, wonach Zahlungen einmal jährlich zu erfolgen hatten und setzt jetzt für die Zahlungen eine feste Frist, wonach die Zahlungen kalenderjährlich bis zum 31. Januar des Folgejahres zu leisten sind. Problematisch ist die Konstellation, wenn der Selbstständige mehr verdient, als er bei abhängiger Tätigkeit erzielt hätte und damit im Ergebnis abführen muss. Der Selbstständige ist nicht verpflichtet, während der Wohlverhaltensphase den Betrag abzuführen, den er tatsächlich verdient. Denkbar sind daher Fälle, in denen der Selbstständige hohe Gewinne behalten darf und gleichwohl die Restschuldbefreiung erhält. Auf diesen Umstand ist die Reform nicht eingegangen. Andererseits ist der Schuldner bei mangelndem wirtschaftlichen Erfolg seiner freigegebenen selbstständigen Tätigkeit nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen. Nach der bisherigen Praxis muss der Schuldner jedoch am Ende der Wohlverhaltensperiode die ihm obliegenden Zahlungen vollständig erbracht haben. Hierdurch ergeben sich Unsicherheiten für einen Schuldner bei selbstständiger Tätigkeit hinsichtlich einer sicheren Prognose, ob er seinen Obliegenheiten wirklich nachkommen kann. Geregelt ist in § 295 a Abs. 2 InsO hierzu nur der Umstand, dass auf Antrag des Schuldners das Gericht den Betrag festsetzt, der den Bezügen aus einem zu Grunde zu legenden Dienstverhältnis entspricht. Eine umfassendere gesetzliche Regelung wäre dahingehend wünschenswert gewesen, im Interesse des Schuldners und der Gläubiger eine Regelung aufzunehmen, wonach das Gericht bei selbstständiger Tätigkeit außerdem entweder klarstellen kann, dass auch höhere Gewinne abzuführen sind, oder andererseits wirtschaftliche Schwierigkeiten bei der Höhe der zu erbringenden Zahlungen zu berücksichtigen sind.


Von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderungen

Nach § 302 InsO werden bestimmte Forderungen von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt, wie Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung oder aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat (s. im Einzelnen § 302 InsO), sofern diese Forderung nach den Vorgaben der Insolvenzordnung angemeldet und festgestellt sind. Als Rechtsfolge ergibt sich, dass der Gläubiger wegen einer solchen Forderung nach der endgültigen Entscheidung über die Restschuldbefreiung vollstrecken kann. Vollstreckungstitel ist allein die Eintragung der Forderung in der Insolvenztabelle. Da bereits regelmäßig vor Erteilung der Restschuldbefreiung bei diesen Forderungen Klarheit besteht, dass diese von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, wäre es wünschenswert gewesen, in Abweichung der Rechtsprechung des BGH eine Regelung dahingehend zu treffen, die Vollstreckung dieser Forderungen bereits vor Erteilung der Restschuldbefreiung zuzulassen. Die Vorteile bestünden im Entstehen von Pfandrechten bei wiederkehrenden Einnahmen des Schuldners während der Wohlverhaltensphase und bei privilegierten Forderungen (vorsätzliche unerlaubte Handlung, bzw. Unterhalt) in einem Zugriff in den ansonsten einer Pfändung nicht unterworfenen Teil des Vermögens. Die übrigen Insolvenzgläubiger hätten durch eine solche Regelung keine Benachteiligung erfahren. Der insolvente Schuldner erhält durch das Fehlen einer solchen Regelung dagegen einen nicht gerechtfertigten Vorteil.

Sperrfrist für einen neuen Antrag auf Restschuldbefreiung

Die Sperrfrist für einen erneuten Antrag auf Restschuldbefreiung wurde von 10 Jahren auf 11 Jahre verlängert, § 287a Abs.2 InsO. Der Regierungsentwurf enthielt noch eine Frist von 13 Jahren. Der Gefahr, das Insolvenzverfahren zur wiederholten Reduzierung der Schuldenlast zu missbrauchen, wird hierdurch wirksam begegnet. Zur Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags hat das Gericht daher zu prüfen, ob hier eine Sperrfrist besteht. Hier kann es auf eigene Erkenntnisse zurückgreifen, was nicht weiterhilft, wenn der Schuldner bereits von einem anderen Gericht die Restschuldbefreiung erteilt wurde (Wohnsitzwechsel), oder bei Änderung des Namens (nach Eheschließung oder Scheidung). Das Gericht ist daher regelmäßig auf die Angaben des Schuldners in seinem Antrag angewiesen. Eine rechtssichere Nachprüfung ist kaum möglich, nachdem u.a. die Entscheidungen im Restschuldbefreiungsverfahren spätestens 6 Monate nach der Erteilung oder der Versagung der Restschuldbefreiung in den amtlichen Bekanntmachungen im Internet gelöscht werden. Die Einrichtung eines einheitlichen bundesweiten Registers mit den entsprechenden Speicherungsfristen ist wünschenswert.

Soweit im Insolvenzverfahren eines Selbstständigen dessen Betrieb nach § 35 Abs. 2 InsO  aus der Insolvenzmasse freigegeben wird, kommt es nicht selten vor, dass der Insolvenzschuldner mit der freigegebenen Tätigkeit wieder insolvent wird. Eine serielle Abfolge von Restschuldbefreiungen desselben Schuldners im Falle der Freigabe der Selbstständigen Tätigkeit ist nicht vorgesehen. Die Sperrfrist von 11 Jahren gilt auch hier. Ein fehlender Anreiz für ein neuerliches Insolvenzverfahren kann mangels möglicher Restschuldbefreiung daher Selbstständige vor weiteren notwendigen und sinnvollen Insolvenzanträgen abhalten. Für diese Fälle sollte eine erneute Restschuldbefreiung trotz der Sperrfrist des § 287a Abs. InsO möglich sein, was allerdings eine gesetzliche Regelung voraussetzt. Bei weiteren Reformen sollten hierzu Überlegungen angestellt werden.

Resümee

Es ist immer leichter, im Nachhinein am Gesetzgeber Kritik zu üben, als Gesetze zu verabschieden, die die unterschiedlichen Interessen ausgewogen berücksichtigen. Laut Internetauftritt des BMJV lagen allein 20 Stellungnahmen der verschiedenen Verbände und Interessengemeinschaften zum Referentenentwurf vor. Die Reform ist vor diesem Hintergrund zu begrüßen und im Wesentlichen auch gelungen. Es ist aber absehbar, dass es in diesem Bereich auch künftig weitere Reformen geben wird. Das liegt sicherlich auch am „Programm“ der Insolvenzordnung, nämlich eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger sicher zu stellen und gleichzeitig dem Schuldner die Möglichkeit zur Restschuldbefreiung zu eröffnen, § 1 InsO.

 

Ass. jur. Peter Rothfuss

Stadtrechtsdirektor a.D.
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