10.02.2021

Meilensteine, Stolpersteine

Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens – Teil 1

Meilensteine, Stolpersteine

Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens – Teil 1

Die Weichenstellung im § 304 InsO wird seit Jahren heftig kritisiert. © Tatjana Balzer – Fotolia.com
Die Weichenstellung im § 304 InsO wird seit Jahren heftig kritisiert. © Tatjana Balzer – Fotolia.com

Die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz schreibt vor, dass unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das es ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden. Die Richtlinie ist bis zum 17. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen. Mit dem für Deutschland beschlossenen Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens wurden jetzt die Richtlinienvorgaben zur Restschuldbefreiung umgesetzt, wobei hier Verbraucherinnen und Verbraucher mit einbezogen werden (G. v. 22.12.2020, BGBl. I S. 3328, Nr.67). Teil 1 befasst sich mit u.a. mit den anzuwendenden Formularen, der Wohlverhaltensphase und der Entscheidung nach § 300 InsO.

Formulare

Zur Beantwortung der Frage, ob bei natürlichen Personen ein Regel-/ Firmeninsolvenzverfahren, bzw. ein Verbraucherinsolvenzverfahren infrage kommt, ist § 304 InsO heranzuziehen. Nur beim Verbraucherinsolvenzverfahren sind hier zwingend Formulare vorgeschrieben, die aufgrund des Gesetzes ebenfalls überarbeitet werden mussten.

Die Weichenstellung im § 304 InsO wird seit Jahren heftig kritisiert. Leider hat der Gesetzgeber im Rahmen dieser Reform hierauf nicht reagiert. Sofern ein Schuldner z.B. aufgrund fehlerhafter Beratung einen Antrag auf Regelinsolvenz gestellt hat, hat er nach entsprechendem Hinweis des Gerichts auf die falsche Verfahrensart eigentlich nur die Möglichkeit, seinen Insolvenzantrag zurückzunehmen. Er wird innerhalb der Frist des § 305 Abs. 3 InsO keine Bescheinigung über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung erhalten, da hier nach entsprechender Vorbereitung zunächst nochmals die Gläubiger angeschrieben werden müssten, das Gesetz ihm in § 305 Abs. 3 InsO für das gesamte Verfahren aber nur eine Frist von drei Monaten einräumt. Statt zu einer anerkannten Schuldenberatungsstelle zu gehen und dort gegebenenfalls noch Wartezeiten in Kauf zu nehmen, kann der Schuldner auch (kostenpflichtig) einen Rechtsanwalt einschalten. Aber auch hierdurch lassen sich die drei Monate regelmäßig nicht einhalten. Ehemals Selbstständige, die falsch beraten wurden und erst durch den Hinweis des Gerichts erfahren, dass sie unter das Verbraucherinsolvenzverfahren fallen, müssen daher ihren Antrag zunächst wegen obligatorischer Absolvierung des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs mit Folgekosten zurücknehmen. Im umgekehrten Fall berichten Insolvenzgerichte auch von Manipulationsversuchen, die aus Kostengründen erfolgen, um zur Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zu kommen. Bei ehemals Selbstständigen finden die Vorschriften der Verbraucherinsolvenz Anwendung, wenn sie weniger als 20 Gläubiger haben, § 304 Abs.2 InsO. Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist die Vergütung des Verwalters geringer als im Regelinsolvenzverfahren. Indem ehemals Selbstständige nicht alle Gläubiger aufführen, können sie erreichen, unter die Grenze von 20 Gläubigern zu kommen.


Auch ansonsten ist die Zweigleisigkeit bei ehemals Selbstständigen seit der Reform zum 01.07.2014 aus anderen Gründen nicht mehr geboten. Seither gibt es im Verbraucherinsolvenzverfahren ebenfalls einen Insolvenzverwalter und nicht mehr den Treuhänder. Des Weiteren ist die Insolvenzanfechtung mit den gleichen Voraussetzungen nun in allen Verfahren möglich und auch die Möglichkeit des Insolvenzplanverfahrens für das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet.

Das momentan geltende Formular (bei Verbraucherinsolvenzverfahren) darf bis 31.03.2021 weiterverwendet werden. In Anlage 3 ist betreffend der Abtretungserklärung im unteren Kasten allerdings eine Änderung vorzunehmen. Die Wörter „Zeit von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist)“ müssen durch die Wörter „Dauer der Abtretungsfrist nach § 287 Abs. 2 InsO“ (also drei Jahre bzw. fünf Jahre) ersetzt werden, so § 2c der Verbraucherinsolvenzformularverordnung.

Für alle ab dem 01.04.2021 eingereichten Verfahren muss das neue Formular verwendet werden. Im Hauptblatt werden unter Seite 2 Nummer V im Text der Versicherung die Wörter „Buchstabe b und c“ gestrichen. In Anlage 1 wird das dritte Geschlecht „divers“ eingeführt.

Bescheinigung über den außergerichtlichen Einigungsversuch

Nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat der Verbraucher seinem Insolvenzantrag eine Bescheinigung beizufügen, wonach eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist. Nach Art. 103 k Überleitungsvorschrift wird nun von 31. Dezember 2020 bis 30.06.2021 diese Frist auf zwölf Monate erhöht. Ab dem 01.07.2021 gelten dann wieder die sechs Monate.

Laufzeit der Wohlverhaltensphase

Für alle ab dem 01.10.2020 eingereichten Insolvenzverfahren natürliche Personen betreffend gilt nun eine Abtretungsfrist von drei Jahren statt bisher sechs Jahren. Die Abtretungsfrist beginnt mit der Eröffnung des Verfahrens, d. h. drei Jahre nach der Eröffnung endet diese Frist wieder. Soweit ein Schuldner nach der Neuregelung dann bereits eine Restschuldbefreiung erhalten hat, kann er diese in einem neuen Verfahren erst nach einer Abtretungsfrist von fünf Jahren erhalten, § 287 Abs. 2 InsO. Aufgrund der nunmehr geänderten Sperrfrist für ein erneutes Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiungsantrag auf elf Jahre (siehe unten) wird die Abtretungsfrist mit fünf Jahren jedoch erst in knapp 14 Jahren Bedeutung erlangen. Für die Übergangszeit hat sich der Gesetzgeber für eine Staffelung entschieden. Für Verfahren, die zwischen dem 17.12.2019 und dem 30.09.2020 eingereicht wurden (maßgeblich Antragstellung) gelten verkürzte Laufzeiten zwischen fünf Jahren und sieben Monaten und vier Jahren und zehn Monaten. Bei einem am 30.09.2020 eingereichten Insolvenzantrag beträgt die Abtretungsfrist vier Jahre und zehn Monate. Wurde der Antrag am 01.10.2020 eingereicht, beträgt die Abtretungsfrist drei Jahre. Ab Oktober 2023 wird es dann Verfahren geben, die nach dem alten Recht mit einer Abtretungszeit von sechs Jahren noch weiterlaufen, und daneben wird es Verfahren geben, die nach dieser neuen Regelung bereits enden. Das wird betroffenen Personen schwer vermittelbar sein.

Außerdem befürchten die Fachkreise, dass es aufgrund der nunmehr verkürzten Abtretungsfrist in der Vergangenheit zu einem Antragsstau gekommen ist und jetzt vermehrt Insolvenzanträge gestellt werden, die die Beratungsstellen und die Insolvenzgerichte über Gebühr belasten werden.

Durch die Verkürzung der Wohlverhaltensphase wird es, insbesondere bei Regelinsolvenzverfahren, vermehrt zu sogenannten asymmetrischen Verfahren kommen. Gemeint sind damit Verfahren, in denen die Restschuldbefreiung bereits gewährt wird, obwohl das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist, weil die Masseverwertung noch nicht abgeschlossen ist. Gerade bei Immobilien ist die Verfahrensdauer regelmäßig länger als drei Jahre. Prognosen gehen von 20-30 % der Fälle aus, in denen zumindest bei Regelverfahren die Insolvenz auch nach der Erteilung der Restschuldbefreiung weiterläuft. Nach § 300 a InsO gehört das Vermögen, das der Schuldner nach Ende der Abtretungsfrist erwirbt, nicht mehr zur Insolvenzmasse. Hier gibt es schon nach der bisherigen Rechtslage Abgrenzungsschwierigkeiten, in welchem Umfang hier Vermögen seinen Rechtsgrund schon im Zeitraum vor Erteilung der Restschuldbefreiung hat und zur Masseverwertung herangezogen werden kann, bzw. in welchem Umfang es sich tatsächlich um späteren Neuerwerb handelt. Der Gesetzgeber hat diese Reform nicht zum Anlass genommen, hier weitere Abgrenzungskriterien zu schaffen. Aufgrund der zu erwartenden Zunahme der Fälle, in denen die Restschuldbefreiung vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens erteilt wird, wird diese Problematik die Praxis vermehrt beschäftigen.

Entscheidung über die Restschuldbefreiung

Nach § 300 InsO entscheidet das Insolvenzgericht nach dem Ablauf der Abtretungsfrist über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Ungeachtet einer etwaigen aufgrund von Streitigkeiten über Versagungsanträge erst viel später eintretenden rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung gilt nunmehr nach § 300 Abs. 1 Satz 3 InsO die Restschuldbefreiung als mit Ablauf der Abtretungsfrist bereits erteilt. Damit wird der stichtagsbezogene Ablauf der Abtretungsfrist, also die starren drei Jahre, zum Masseabgrenzungszeitpunkt. Nach § 300 a Abs. 2 InsO hat der Verwalter bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung den Neuerwerb zu vereinnahmen und dem Schuldner bei Rechtskraft der Restschuldbefreiung herauszugeben. Andererseits gilt das Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 InsO bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung, § 300 Abs. 2 InsO. Zur Masseabgrenzung Vermögen des Insolvenzverfahrens gegen neues Vermögen ist daher nicht der Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung maßgeblich, sondern der Ablauf der Abtretungsfrist, § 300 Abs. 1 InsO. Damit wird Neugläubigern die Möglichkeit entzogen, während dieser Zeit etwa in Arbeitseinkommen zu vollstrecken. Stattdessen erhält der Schuldner pfändbares Vermögen, das ihm gegenüber Neugläubigern nicht zustehen sollte.

Eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung erfolgt auf Antrag des Schuldners nach     § 300 Abs. 2 InsO, sofern im Insolvenzverfahren keine Forderungen angemeldet werden oder die Insolvenzforderungen befriedigt worden sind und zudem die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt wurden. Gerade bei Verbraucherinsolvenzverfahren kommt es nicht selten vor, dass Gläubiger mangels Aussicht auf eine Quote von einer Forderungsanmeldung absehen. Gerade bei solchen Verfahren ist es dem Insolvenzschuldner häufig nicht möglich, die Verfahrenskosten aufzubringen, wobei dann allein aus diesem Grunde eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung nicht infrage kommt. Das Verfahren wird dann ohne Gläubiger und ohne praktische Aufgaben für den Treuhänder weitergeführt. Die Wohlverhaltensphase hat in diesem Fall ihren Sinn verloren und verursacht nur neue Kosten. Sinnvoll wäre es gewesen, in Fällen, in denen kein Gläubiger eine Forderung anmeldet, auf Antrag die Erteilung der Restschuldbefreiung zu gewähren und wegen der Verfahrenskosten es bei der Nachhaftungszeit, § 4 b Abs. 2 InsO zu belassen.

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

 

Ass. jur. Peter Rothfuss

Stadtrechtsdirektor a.D.
n/a