23.02.2021

Praxisrelevante Klarstellungen (5)

Neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – Teil 5

Praxisrelevante Klarstellungen (5)

Neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – Teil 5

Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist bei der Durchführung amtlicher Vermessungen an die Bestimmungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. ©PRODUCTION PERIG – adobe stock.com
Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist bei der Durchführung amtlicher Vermessungen an die Bestimmungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. ©PRODUCTION PERIG – adobe stock.com

Der Beitrag stellt die neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure vor und ordnet sie in den Kontext bislang ergangener Entscheidungen ein. Bei der Analyse ist festzustellen, dass einerseits die bereits vorliegende Rechtsprechung bestätigt wird, anderseits aber auch bislang ungeklärte Rechtsfragen einer (erstmaligen) gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Die gerichtlichen Entscheidungen zeichnen sich durch hohe Praxisrelevanz sowohl für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure als auch für die Aufsichtsbehörden aus. Der letzte und fünfte Teil befasst sich u.a. mit den Themen „Insolvenz“ und „Honoraransprüche“.

Insolvenz des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs

Anders als ein staatlicher Hoheitsträger trägt der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ein Insolvenzrisiko. Dieses mag durch landesrechtliche Bestimmungen zum Vorhalten einer Berufshaftpflichtversicherung (vgl. etwa § 10 ÖbVI-Berufsordnung von Baden-Württemberg) zwar gemindert sein, lässt sich aber selbstverständlich nicht auf null reduzieren. Mit den Problemen eines in Insolvenz geratenen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs hatte sich in jüngerer Vergangenheit das Verwaltungsgericht Köln im Urteil vom 28.09.2018, 2 K 5270/14, zu befassen.

Die Insolvenz des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs berührt nicht unmittelbar seinen Status als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur. Die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbundenen Rechtsfolgen, wie insbesondere der Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) sowie die fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit, stehen jedoch im Spannungsfeld zu den Amtspflichten eines Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs. Dementsprechend existieren landesrechtliche Bestimmungen, die den Vermögensverfall wegen damit verbundener fehlender persönlicher Eignung als Versagungsgrund für die Bestellung zum Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur vorsehen (Kriesten 2017, S. 258). Damit korrespondiert umgekehrt die Prüfung der Amtsenthebung im Falle der Insolvenz des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs nach dessen Bestellung (Kriesten 2017, S. 258). In dem genannten vom Verwaltungsgericht Köln zu entscheidenden Fall wurde die Zulassung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs letztlich wegen zahlreicher Berufspflichtverletzungen aufgehoben.


Mit der Amtsenthebung entsteht das Erfordernis der Geschäftsabwicklung (Kriesten 2017, S. 291). Mit den Aufgaben des Amtsverwesers bzw. Abwicklers korrespondieren Kompetenzen des Amtsverwesers bzw. Abwicklers im Hinblick auf die vom ehemaligen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur gesetzten Hoheitsakte, wie bspw. die Rücknahme eines unberechtigten Gebührenbescheides (VG Köln, Urteil vom 28.09.2018, 2 K 5270/14).

Im Fall der Insolvenz des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs können insbesondere aufgrund von geleisteten Vorschüssen an ihn Probleme im Hinblick auf Rückforderungsansprüche entstehen, soweit der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur die geschuldeten amtlichen Vermessungsleistungen nicht mehr erbringen kann. In dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln zu Grunde lag, wurden die geschuldeten Amtshandlungen zulässigerweise von zwei von der amtlichen Vermessungsverwaltung bestellten Abwicklern (ebenfalls ÖbVI) zu Ende geführt. Die betroffenen Eigentümer traten ihre möglichen Ansprüche gegen den insolventen ÖbVI an die amtliche Vermessungsverwaltung ab, die wiederum den Insolvenzverwalter auf Zahlung in Anspruch nahm.

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Vermessungsrecht_Grenzstreit

Das Verwaltungsgericht Köln hat der amtlichen Vermessungsverwaltung im Urteil vom 28.09.2018, 2 K 5270/14, Recht gegeben. Das Gericht stellte zunächst klar, dass Forderungen der Bürger gegen einen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur aus dem zu Grunde liegenden öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis abgetreten werden können (zur umgekehrten Frage der Abtretbarkeit einer Forderung des ÖbVI, vgl. Kriesten 2017, S. 296). Weiterhin erkannte das Verwaltungsgericht Köln einen – wirksam abgetretenen – öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des Bürgers gegen den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur wegen zu Unrecht vereinnahmter Gebühren, weil mit der Aufhebung des Gebührenbescheides durch den Abwickler der Rechtsgrund für die erhaltene Leistung entfallen sei. Der öffentlich-rechtliche Bereicherungsanspruch orientiere sich an den Regelungen der §§ 812 ff. BGB (ungerechtfertigte Bereicherung), ohne dass sich der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur – wegen des vorrangigen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung – auf Entreicherung berufen könne. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens trete der Insolvenzverwalter gemäß § 80 InsO in die Rechtstellung des Beliehenen ein und müsse sich dementsprechend im Insolvenzverfahren auch als solcher behandeln lassen. Die Forderung stelle auch keine bloße (einfache) Insolvenzforderung nach § 35 InsO, sondern eine (privilegierte) Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO (ungerechtfertigte Bereicherung der Masse) dar, weil die Einkünfte, die ein selbstständig tätiger Schuldner, wie hier der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur, nach der Insolvenzeröffnung und vor der Freigabe des Betriebes erziele, in vollem Umfang zur Insolvenzmasse gehörten.

Aus eigenem Recht kann die amtliche Vermessung jedoch keine Kostenerstattung wegen Aufhebung eines Gebührenbescheides gegenüber einem ÖbVI (bzw. dessen Erben) verlangen. Mit einer solchen Konstellation hatte sich das VG Magdeburg in seinem Urteil vom 07.11.2017, 4 A 319/16, zu befassen. Im dortigen Fall wurde ein aus Sicht der Fachaufsichtsbehörde rechtswidriger Gebührenbescheid eines zwischenzeitlich verstorbenen ÖbVI aufgehoben und Schadensersatzansprüche des Bürgers gegen die Erbin des verstorbenen ÖbVI per Verwaltungsakt durch die amtliche Vermessung geltend gemacht, ohne dass diese etwaig bestehenden Ansprüche vom betroffenen Bürger vorher jedoch an die amtliche Vermessung abgetreten wurden. Das VG Magdeburg verweist in seinem Urteil daher zu Recht auf die Vorrangigkeit der Streitklärung im Rechtsverhältnis des betroffenen Bürgers gegen den ÖbVI bzw. dessen Erben.

Honoraransprüche des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs

Die Aufgaben des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs nach den Vermessungsgesetzen der Länder sind hoheitlicher Natur und damit dem öffentlichen Recht zugewiesen, was jedoch nicht bedeutet, dass die damit in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten automatisch ebenfalls dem öffentlichen Recht unterliegen (Kriesten 2017, S. 293). Ebenso kann aus hoheitlichen Befugnissen nicht ipso iure auf eine Verwaltungsaktbefugnis geschlossen werden, vielmehr muss eine solche normativ bestimmbar sein. Hierauf weist das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße in einem neueren Urteil vom 29.08.2017, 5 K 365/17.NW, (unter Verweis auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 29.09.2009, 6 S 131/08) hin. Die normativen Grundlagen sind in den meisten Bundesländern dahingehend gestaltet, dass Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure ihre Honoraransprüche im Wege von Leistungsbescheiden verwirklichen können (Kriesten 2017, S. 294 ff. sowie zur Rechtslage in Baden-Württemberg).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in Rheinland-Pfalz ist der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur in Rheinland-Pfalz hingegen mangels hinreichender gesetzlicher Ermächtigung nicht befugt, seine Vergütungsansprüche durch Gebührenbescheid geltend zu machen, sondern hat diese im Wege der allgemeinen Leistungsklage im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen (VG Trier, Urteil vom 05.07.2019, 7 K 6404/18; VG Neustadt an der Weinstraße, Urteile vom 29.08.2017, 5 K 365/17.NW, und 19.08.2014, 5 K 1017/13).

Hinsichtlich der Höhe der Vergütung ist der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur an die festgeschriebenen Gebührensätze gebunden. Dementsprechend ist eine Vereinbarung zwischen Öffentlich bestelltem Vermessungsingenieur und seinem Auftraggeber, die eine unzulässige Abweichung von den gesetzlichen Gebührensätzen vorsieht – wie dies insbesondere bei bewusster Unterschreitung der Gebührensätze der Fall ist – gemäß § 59 VwVfG i.V.m. mit § 134 BGB nach ständiger Rechtsprechung nichtig (Kriesten 2017, S. 298). Auch das OVG Berlin-Brandenburg schließt sich dieser Auffassung in einem neueren Urteil vom 09.11.2017, 12 B 4.17, an. Eine unzulässige Gebührenvereinbarung in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag kann jedoch nach Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg insoweit geltungswirksam erhalten bleiben, als der Gebührengläubiger die gesetzesmäßigen Gebühren nicht mehr einseitig durch Gebührenbescheid festsetzen kann, sondern hierauf aus dem aufrecht erhaltenen Teil des Vertrages klagen muss.

Die gesetzlich festgelegten Gebührensätze können auch in einem vergaberechtlichen Verfahren nicht umgangen werden (ausführlich Körner, S. 46 ff., zur Entscheidung des OLG Naumburg im Urteil vom 30.10.2019, 9 U 52/18).

Fazit

In der jüngeren Vergangenheit sind einige interessante und für die Praxis relevante gerichtliche Entscheidungen ergangen. Diese bestätigen einerseits bereits vorliegende Rechtsprechung, anderseits werden aber auch bislang ungeklärte Rechtsfragen einer (erstmaligen) gerichtlichen Klärung zugeführt. Dabei stehen weniger rechtstheoretische Fragen, sondern die hohe Praxisrelevanz der ergangenen Entscheidungen im Vordergrund.

Literatur

Kriesten, M. (2017): Vermessungsrecht, Grenzstreitigkeiten und Recht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure. 1. Auflage, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart.

Körner, M. (2019): Quo vadis? – Unzulässigkeit der vergaberechtlichen Ausschreibung hoheitlicher Vermessungsaufgaben. In: Forum – Zeitschrift des Bundes der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure, Heft 4/2019, 45. Jg., S. 46–51.

 

Markus Kriesten

Regierungsdirektor beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg
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