16.02.2021

Neue Pflichten und Haftungsgefahren für Geschäftsleiter nach dem StaRUG

Seit 2021 gilt ein weiteres Rechtsregime für Unternehmenssanierungen

Neue Pflichten und Haftungsgefahren für Geschäftsleiter nach dem StaRUG

Seit 2021 gilt ein weiteres Rechtsregime für Unternehmenssanierungen

Durch die weltweite Finanz- und Kapitalmarktkrise im Jahr 2009 wurden die Mechanismen zur Bewältigung von Unternehmenskrisen und Insolvenzen auf die Probe gestellt. ©m.schuckart – Fotolia.com
Durch die weltweite Finanz- und Kapitalmarktkrise im Jahr 2009 wurden die Mechanismen zur Bewältigung von Unternehmenskrisen und Insolvenzen auf die Probe gestellt. ©m.schuckart – Fotolia.com

Das seit dem 1. Januar 2021 geltende Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (kurz: StaRUG) bietet nicht nur Chancen, sondern auch Risiken.

Neue Pflichten und Haftungsgefahren für Geschäftsleiter nach dem StaRUG

Bisher gab es in Deutschland für Unternehmensleiter keine spezialgesetzlichen Regelungen und Möglichkeiten, konkrete Restrukturierungsmaßnahmen außerhalb der Insolvenz im Krisenfall unkompliziert und notfalls gegen den Willen Einzelner umzusetzen. Restrukturierung und Sanierung waren bislang nur nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften und vor allem im Rahmen eines Insolvenzverfahrens möglich. Nun bietet das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (kurz: StaRUG) neue Instrumente, Sanierungsmaßnahmen zwar in der Krise, aber noch vor der Insolvenz eines Unternehmens umzusetzen.

Durch die weltweite Finanz- und Kapitalmarktkrise im Jahr 2009 wurden die Mechanismen zur Bewältigung von Unternehmenskrisen und Insolvenzen auf die Probe gestellt. Das Insolvenzrecht rückte in den Fokus. Im Jahr 2012 ist daher das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) in Kraft getreten. Hierbei erteilte der deutsche Gesetzgeber den Auftrag zur Evaluation des ESUG nach fünf Jahren. Nach Veröffentlichung der Evaluationsergebnisse im Oktober 2018 gab es eine rege öffentliche Diskussion, da das BMJV die Evaluation als Grundlage für Reformen betrachtete.


Am 28. März 2019 wurde auf europäischer Ebene die sogenannte EU-Restrukturierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019) verabschiedet. Ziel der Richtline war die Erleichterung von Unternehmenssanierungen, um damit insolvenzbedingte Forderungsausfälle und Arbeitsplatzverluste zu vermeiden. Die Umsetzung der EU-Richtlinie erfolgte in Deutschland durch das am 17. Dezember 2020 beschlossene Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG). Zentraler Bestandteil des SanInsFoG sind die Vorschriften des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen. Das StaRUG ist nun zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Eine Folge der Vorschriften des StaRUG ist eine (moderate) Verschärfung der Haftung für Geschäftsleiter.

Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement – die neue Pflicht der Geschäftsleiter nach § 1 StaRUG

Mit § 1 StaRUG wird eine allgemeine und rechtsformübergreifende Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement für Geschäftsleiter einer juristischen Person (beispielsweise Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstände einer AG) sowie Geschäftsleiter einer haftungsbeschränkten Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (beispielsweise Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG) kodifiziert. Die Geschäftsleiter müssen fortlaufend über Entwicklungen wachen, die den Fortbestand der juristischen Person gefährden könnten. Wenn sie solche Entwicklungen erkennen, müssen sie geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen und den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen („Überwachungsorganen″) berichten.

Grundsätzlich sind Krisenfrüherkennungs- und Krisenmanagementpflichten von Geschäftsleitern bereits im bisher geltenden (Aktien-)Recht angelegt (vgl. § 91 Abs. 2 AktG, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG). Die nun explizit in § 1 Abs. 1 S. 2 StaRUG genannte Pflicht Gegenmaßnahmen zu ergreifen stellt jedoch eine Verschärfung der bisherigen Pflichten dar. Die Geschäftsleiter waren auch bislang dazu angehalten, Maßnahmen zum Gegensteuern in der Krise zu erarbeiten. Die tatsächliche Umsetzung der Maßnahmen haben (insbesondere bei einer GmbH mit der Gesellschafterversammlung) letztlich die Anteilseigner beschlossen.

Nach dem Wortlaut des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG ist ein Geschäftsleiter nun aufgefordert, Umsetzungsmaßnahmen tatsächlich durchzuführen. Berühren diese Maßnahmen die Zuständigkeiten anderer Organe, wie die Zuständigkeit einer Gesellschafterversammlung einer GmbH, muss der Geschäftsleiter, zumindest unverzüglich, auf deren Beschlussfassung hinwirken (vgl. § 1 Abs. 1 S. 3 StaRUG). Außerdem sind die Geschäftsleiter nach § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG nun explizit verpflichtet, den Überwachungsorganen „unverzüglich″ über bestandsgefährdende Entwicklungen sowie ergriffene Maßnahmen zum Gegensteuern zu berichten. Ihnen steht bei der Auswahl der Maßnahmen ein gewisser Beurteilungsspielraum zu.

Sorgfaltsmaßstab und Haftung für Geschäftsleiter bei der vorinsolvenzlichen Restrukturierung

In den Angelegenheiten der Gesellschaft und wenn Maßnahmen beurteilt werden, muss ein Geschäftsführer einer GmbH die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwenden (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Vorstandsmitglieder einer AG haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einzuhalten (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG). Darüber hinaus sollten sich Geschäftsleiter vor Eintritt einer Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, vor einer möglichen Haftung gegenüber der Gesellschaft für Fehler im Rahmen des unternehmerischen Ermessensspielraums schützen können. Dafür sollen sie die Grundsätze der Business Judgement Rule berücksichtigen. Als Maßstab gilt hier, dass die unternehmerischen Entscheidungen zum Gegensteuern auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft getroffen wurden.

Der Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers ist jedenfalls ab der Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht von den Geschäftsleitern des schuldnerischen Unternehmens anzuwenden. Dieser muss dabei die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren (vgl. § 32 Abs. 1 S. 1 StaRUG). Die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht ist Voraussetzung dafür, dass Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (vgl. § 29 Abs. 2 StaRUG) genutzt werden können. Wenn die Geschäftsleiter ihre Pflichten beim Betreiben der Restrukturierungssache verletzen, haften sie dem schuldnerischen Unternehmen für den den Gläubigern daraus resultierenden Gesamtschaden (vgl. § 43 Abs. 1 StaRUG). Schadensersatzansprüche können also nur durch das Unternehmen selbst und nicht durch die Gläubiger des Unternehmens geltend gemacht werden (sogenannte Innenhaftung).

Wesentliche Folgen für die Praxis – System zur frühzeitigen Krisenerkennung

Seit Anfang des Jahres besteht eine rechtsformunabhängige Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement. Geschäftsleiter müssen daher rechtsformunabhängig ein System zur Krisenfrüherkennung in ihre Unternehmensorganisation implementieren. Dann können Geschäftsleiter, wie von § 1 Abs. 1 S. 2 StaRUG verlangt, bestandsgefährdende Entwicklungen erkennen, geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen und Überwachungsorganen unverzüglich Bericht erstatten. Auch die Überwachungsorgane sind gefragt. Sie sind verpflichtet, auf die Implementierung eines solchen Systems hinzuwirken.

Im Ergebnis bleibt abzuwarten, inwiefern Verstöße gegen die Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement im Sinne des § 1 StaRUG in der Praxis tatsächlich eine gesellschaftsrechtliche Haftung auslösen werden. Jedenfalls werden Haftungsgefahren drohen, wenn später die Restrukturierung scheitert und ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Insolvenzverwalter werden dann rechtsformübergreifend prüfen müssen, inwiefern Geschäftsleiter ihre Pflichten zur Krisenfrüherkennung und zum Ergreifen von geeigneten Gegenmaßnahmen verletzt haben und ob sich daraus möglicherweise Haftungsansprüche ergeben.

Bei der Frage, wie weit die Pflichten zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement reichen, wird es nach der Gesetzesbegründung vor allem auf die Größe, die Branche, die Struktur sowie die konkrete Rechtsform des jeweiligen Unternehmens ankommen. Dass es derartige Pflichten nach § 1 StaRUG allerdings in jedem Unternehmen geben wird, ist selbstverständlich. Daher sollten Geschäftsleiter ihre bestehende Unternehmensorganisation auf geeignete Krisenfrüherkennungs- und -managementsysteme überprüfen und die Erfüllung ihrer Krisenfrüherkennungspflichten, gegebenenfalls in Abstimmung mit einem externen Berater, sorgfältig dokumentieren.

 

Alexandra Schluck-Amend

Partnerin und Fachanwältin für Insolvenzrecht bei CMS Hasche Sigle Deutschland
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