18.02.2021

Praxisrelevante Klarstellungen (4)

Neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – Teil 4

Praxisrelevante Klarstellungen (4)

Neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – Teil 4

Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist bei der Durchführung amtlicher Vermessungen an die Bestimmungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. ©PRODUCTION PERIG – adobe stock.com
Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist bei der Durchführung amtlicher Vermessungen an die Bestimmungen des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. ©PRODUCTION PERIG – adobe stock.com

Der Beitrag stellt die neuere Rechtsprechung zum Berufsrecht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure vor und ordnet sie in den Kontext bislang ergangener Entscheidungen ein. Bei der Analyse ist festzustellen, dass einerseits die bereits vorliegende Rechtsprechung bestätigt wird, anderseits aber auch bislang ungeklärte Rechtsfragen einer (erstmaligen) gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Die gerichtlichen Entscheidungen zeichnen sich durch hohe Praxisrelevanz sowohl für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure als auch für die Aufsichtsbehörden aus. Teil 4 befasst sich u.a. mit Pflichtverletzungen im Bereich der Ingenieurvermessung sowie mit Amtshaftungsansprüchen bei Schäden auf Seiten des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs.

Berufliche Bindungen und Zusammenschlüsse / Amtshaftung

Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure dürfen berufliche Bindungen eingehen und Zusammenschlüsse bilden. In Baden-Württemberg ist dies in § 12 Abs. 6 und 7 Vermessungsgesetz geregelt, in anderen Bundesländern existieren ähnliche Regelungen. Jedoch muss die eigenverantwortliche Amtsausübung des einzelnen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs rechtlich und wirtschaftlich gewahrt bleiben (Kriesten 2017, S. 274). Dementsprechend richtet sich nach einer auf das nordrhein-westfälische Standesrecht bezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.09.2017, III ZR 618/16, das Ansuchen des Bürgers um eine Amtstätigkeit stets an den einzelnen Amtsträger persönlich, sodass eine Haftung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs für Pflichtverletzungen eines anderen mit ihm in Bürogemeinschaft stehenden Mitgliedes (etwa analog § 128 HGB) ausscheidet.

Der Bundesgerichtshof führt in der genannten Entscheidung weiterhin zutreffend aus, dass es den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren neben der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben freisteht, auch auf allen anderen Gebieten des Vermessungswesens tätig zu werden, wenn dadurch die unabhängige und eigenverantwortliche Tätigkeit im Bereich ihrer öffentlichen Bestellung nicht beeinträchtigt wird. Dementsprechend dürften Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure nach dieser Maßgabe auch Ingenieurvermessungen durchführen (Kriesten 2017, S. 26). Während sich Pflichtverletzungen im Bereich der Ingenieurvermessung nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen beurteilen, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur, der im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit einen Schaden verursacht hat, nur nach Maßgabe des § 839 BGB einstandspflichtig ist (Kriesten 2017, S. 284). Praktische Konsequenz hieraus ist insbesondere, dass auch die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB zu Gunsten des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs zur Anwendung kommt (Kriesten 2017, S. 285).


Ob sich wiederum das Handeln im Sinne des § 839 BGB als Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes oder als privatrechtliche Tätigkeit darstellt, bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss (BGH, Urteil vom 07.09.2017, III ZR 618/16). Während die hoheitlichen Vermessungsleistungen aus den Vermessungsgesetzen der Länder und den einschlägigen Gebührenverordnungen erkennbar sind, zählen die sonstigen vermessungstechnischen Leistungen zu dem Bereich der Ingenieurvermessungen (Kriesten 2017, S. 24).

Abgrenzungsschwierigkeiten gab es in der Vergangenheit insbesondere im Hinblick auf die rechtliche Qualifizierung von Lageplänen. Der BGH führt in seiner Entscheidung vom 07.09.2017, III ZR 618/16, klarstellend aus, dass die Abgrenzung von hoheitlicher und privatrechtlicher Tätigkeit sich danach richtet, ob es um die Erstellung eines einfachen bzw. nichtamtlichen Lageplans (dann privatrechtliche Tätigkeit) oder um einen amtlichen Lageplan (dann hoheitliche Tätigkeit) geht. Für das nordrhein-westfälische Recht stellt der BGH dabei auf die Legaldefinition des Lageplans in § 3 Abs. 3 BauPrüfVO (Verordnung über bautechnische Prüfungen) NRW ab, dessen Erstellung hoheitliche Tätigkeit ist, während die Erstellung eines einfachen Lageplans nach § 3 Abs. 1 BauPrüfVO NRW als nichthoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren ist. In die gleiche Richtung geht die Entscheidung des OLG Brandenburg im Urteil vom 07.03.2019, 12 U 157/17, wonach die Erstellung eines amtlichen Lageplans gemäß § 7 Abs. 3 BbgBauVorlV (Brandenburgische Bauvorlagenverordnung) als hoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren ist. Nachdem der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 29.12.2012, III ZR 21/12, für das Land Berlin entschieden hatte, dass die Lageplanerstellung und die Gebäudeeinmessung privatrechtlicher Natur seien, hat er im Urteil vom 07.09.2017, III ZR 618/16, nunmehr klargestellt, dass dies jedenfalls nicht für die Lagepläne gilt, die gemäß § 3 Abs. 2 bis 6 der (damaligen) Verordnung über Bauvorlagen, bautechnische Nachweise und das Verfahren im Einzelnen vom 19. Oktober 2006 (aufgehoben mit Ablauf des 30.11.2017) für die Beurteilung von Bauvorhaben oder die Bearbeitung eines Bauantrages bei der Bauaufsichtsbehörde einzureichen sind.

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Vermessungsrecht_Grenzstreit

Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure als Gläubiger eines Amtshaftungsanspruchs

Soweit durch Fehler in der amtlichen Vermessungsverwaltung Belastungen bzw. Schäden auf Seiten des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs entstehen, stellt sich umgekehrt die Frage, ob und inwieweit der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur selbst Inhaber eines Amtshaftungsanspruches gegen den Rechtsträger der handelnden Behörde sein kann. Eine solche Situation kann etwa dann auftreten, wenn dem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur fehlerhafte Katasterunterlagen zur Verfügung gestellt werden oder korrekte Katasterunterlagen verspätet übermittelt werden. Mit dieser Fallgestaltung hatte sich das OLG Koblenz in seinem Urteil vom 26.07.2018, 1 U 344/18, zu befassen. Problematisch ist im Hinblick auf die Anspruchsgrundlage des § 839 BGB in diesen Fällen insbesondere die Frage, inwieweit das Tatbestandsmerkmal der Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht eröffnet ist. Dabei gilt, dass die Drittbezogenheit der Amtspflicht sich danach beantwortet, ob die Amtspflicht, wenn auch nicht notwendig alleine, auch den Zweck verfolgt, das Interesse gerade des Geschädigten wahrzunehmen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.07.2018, 1 U 344/18, unter Verweis auf BGH, Urteil vom 05.04.2018, III ZR 211/17). Nach der »Verzahnungstheorie« kann ein Verwaltungsträger jedoch nicht als Dritter im Sinne des § 839 BGB qualifiziert werden, wenn er mit der Anstellungskörperschaft derart »verzahnt« ist, dass seine Beziehungen zu einem Außenstehenden als Internum wirkt (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.07.2018, 1 U 344/18). Als Verwaltungsträger kann der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur nur dann als Dritter im staatshaftungsrechtlichen Sinne angesehen werden, wenn er mit der Behörde bei der Erfüllung gemeinsam übertragener Aufgaben nicht gleichsinnig, sondern in Vertretung einander widerstreitender Interessen zusammenwirkt, sodass sie im Rahmen dieser Aufgabe nicht als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.07.2018, 1 U 344/18). Diese Voraussetzungen dürften im Normalfall nicht erfüllt sein, sodass Staatshaftungsansprüche zugunsten des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs regelmäßig ausscheiden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.07.2018, 1 U 344/18). Eine andere Auffassung vertrat hingegen das Landgericht Dresden in seinem Urteil vom 19.11.1998, 5 O 4471/98, in dem es den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur als geschützten Dritten im staatshaftungsrechtlichen Sinne verstand, auch wenn im Ergebnis der Staatshaftungsanspruch aufgrund einer Mitverantwortung des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs bei der Schadensentstehung negiert wurde.

Soweit der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Leistungen aus dem Bereich der (nichthoheitlichen) Ingenieurvermessung erbringt, greifen o.g. Erwägungen nicht, so dass Staatshaftungsansprüche zu seinen Gunsten insoweit durchaus möglich sind.

Literatur

Kriesten, M. (2017): Vermessungsrecht, Grenzstreitigkeiten und Recht der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure. 1. Auflage, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart.

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

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Die Serie: Praxisrelevante Klarstellungen

 

Markus Kriesten

Regierungsdirektor beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg
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