19.01.2021

Alternativlose Elektromobilität?

Die Mobilitätwende kommt nicht ins Rollen, wenn sie im Keim erstickt wird

Alternativlose Elektromobilität?

Die Mobilitätwende kommt nicht ins Rollen, wenn sie im Keim erstickt wird

Die Zahl der zugelassenen Elektrofahrzeuge steigt von Jahr zu Jahr. © Markus Mainka – Fotolia.com
Die Zahl der zugelassenen Elektrofahrzeuge steigt von Jahr zu Jahr. © Markus Mainka – Fotolia.com

Die Universalalternative zu Verbrennern gibt es (noch) nicht. Daher sollte man für alle innovativen Wege offen sein, die nachhaltige Mobilität ermöglichen.

Elektromobilität in Fuhrparks ist eine wichtige Sache. Denn die Mobilitätswende kommt nicht von selbst. Gerade Fuhrparks von Unternehmen und Behörden tragen aktiv dazu bei. Sie sind Vorreiter, wenn es um neuste Standards geht und senden entsprechende Signale an ihr Umfeld. Zusätzlich unterstützen sie durch Praxistests die Tauglichkeit neuer Technologien. Man kann aus unserer Sicht nun aber nicht eine Abkehr von allen Alternativen zu batterieelektrischen Fahrzeugen fordern. Solch einen Tunnelblick können sich weder Unternehmen noch die öffentliche Hand noch die Umwelt leisten. Denn um voran zu kommen, muss man offen sein für die innovativen Technologien. Man muss ausprobieren, tüfteln und weiterentwickeln.

Elektrofahrzeuge sind gefragt

Die Zahl der zugelassenen Elektrofahrzeuge steigt von Jahr zu Jahr. Waren es laut Statista 2010 noch 1.588 Neuzulassungen, stieg die Anzahl 2015 auf 18.948 und 2020 auf 136.617. Der ADAC hat ermittelt, dass im November 2020 dreistellige Zuwächse erzielt worden waren im Vergleich zum Vorjahresmonat. Während die Neuzulassungen bei Benzinern und Diesel mit minus 32,3 Prozent beziehungsweise minus 25,2 Prozent rückläufig waren, wurden 177,2 Prozent mehr Pkw mit Hybrid-Antrieb zugelassen, als im Vorjahresmonat. Bei den reinen Elektro-Fahrzeugen lag der Zuwachs sogar bei 522,8 Prozent. Bezogen auf alle Neuzulassungen im November lag der Anteil von Hybrid-Fahrzeugen bei 24,8 Prozent und der von Elektro-Pkw bei zehn Prozent. Das macht in der Summe, dass mehr als ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge einen alternativen Antrieb eingebaut haben.


Das zeigt: Die Nachfrage nach umweltfreundlichem Autofahren steigt. Vor diesem Hintergrund nützt es nichts, manche Alternativen zu den klassischen Antriebsarten pauschal zu verteufeln. Denn nicht jeder Antrieb ist für jeden Bedarf passend. Abhängig vom schwerpunktmäßigen Einsatz eines Fahrzeuges, sind nun mal durchaus unterschiedliche Antriebsarten zu empfehlen. Rein batteriebetriebene Fahrzeuge taugen insbesondere für Strecken in einem Umkreis von etwa 100 Kilometern. Vorausgesetzt, am Ziel ist ein (unkomplizierter) Zugang zu einer Ladesäule garantiert. Ein Hybrid eignet sich beispielsweise, wenn überwiegend Kurzstrecke gefahren wird, man aber manchmal auch länger unterwegs ist. So kann im Stadtverkehr oder für die täglichen Besorgungen und Dienstfahrten auf dem Land per Akku gefahren werden. Für vereinzelte Langstrecken kann der Verbrenner zugeschaltet werden. Außerdem ist man mit solch einem Wagen nicht auf die katastrophale Ladeinfrastruktur für das Stromtanken angewiesen. Wobei sich das ja glücklicherweise im nächsten Frühjahr ändern soll, wenn der Zugang zu den Ladestationen für Autofahrer*innen und damit die Abrechnung für Fuhrparkmanager*innen zumindest etwas vereinfacht wird. Wasserstoffantriebe dagegen sind für ihre besonders lange Reichweite bekannt. Das rechnet sich besonders für Kraftfahrzeuge, die häufig auf Langstrecken unterwegs sind. Allerdings sieht die Ladeinfrastruktur noch bedeutend dürftiger aus als für Strom. 

Offen sein für technologischen Fortschritt

Die Universalalternative zu Verbrennern gibt es (noch) nicht. Daher sollte man für alle innovativen Wege offen sein, die nachhaltige Mobilität ermöglichen. Die Forderung des Bundesverbandes eMobilität e.V. nach nur batteriebetrieben Fahrzeugen ist ein bisschen so, als ob die Hersteller von Badehosen den Winter abschaffen wollten. Niemand bestreitet, dass das gute Badehosen sind. Nur bei der ein oder anderen Wetterlage sind sie eben nicht die passende Kleidung. So nutzt es auch nichts, im Straßenverkehr alles zu verurteilen, was nicht batterieangetrieben ist. Fakt ist: Klimaneutrale Antriebe haben in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt. Deshalb wäre niemandem mit der Umsetzung dieser scheuklappenartigen Forderungen geholfen. In einer dynamischen und innovativen Marktwirtschaft sollten funktionierende Alternativen oder deren Weiterentwicklung nicht durch staatliche Eingriffe behindert werden.

Der Bundesverband Fuhrparkmanagement e. V. (BVF) setzt sich für ein nachhaltiges Mobilitätsmanagement ein. Das kann zum Teil in der Tat durch Elektrofahrzeuge umgesetzt werden. Die Branche sollte aber insbesondere durch Innovationen, eine stetig besser werdende Öko-Bilanz und durch Resultate punkten. Wenn beispielsweise der seit zehn Jahren angekündigte „Quantensprung für den Akku“ passiert wäre, dann bräuchte es weder Verbote von Verbrennern und anderen Antriebsarten noch überbordende stattliche Hilfen für Elektrofahrzeuge. Wer erfolgreich arbeitet, sollte das nicht nötig haben. Es wäre durchaus möglich, dass das Produkt E-Fahrzeug einfach noch nicht in der Fläche marktreif ist und entsprechend derzeit viele Kundenanforderungen noch nicht erfüllt sind. Das betrifft neben der Reichweite beispielsweise auch die Themen Ladeinfrastruktur und Fuhrparkmanagement.

Aber wie soll sich das ändern, wenn die Weiterentwicklung im Keim erstickt wird? Einem Lehrling hält man schließlich auch nicht vor, welches Know-how fehlt – oder noch schlimmer, kündigt das Arbeitsverhältnis deswegen. Natürlich gibt es Defizite, wenn man am Anfang von etwas steht. Das bedeutet aber nicht, dass einem keine Chance gegeben werden sollte. Davon abgesehen, verbessert sich die Qualität von Batterieantrieben auch nicht dadurch, dass andere Antriebsarten verboten werden. Weder Automobilhersteller noch Verbraucher*innen, Dienstwagenfahrer*innen und Mobilitätsverantwortliche sollten daher entmündigt werden und einfach per Dekret nur noch ein Produkt weiterentwickeln oder kaufen dürfen. Die Verkehrswende muss mit praktikablen Mobilitätsangeboten umgesetzt werden, die ökologisch und ökonomisch sinnvolle Lösungen parat haben. Das schließt eine Technologie-Offenheit mit ein.

Weiterbildungsangebot

Der BVF hat ein offenes Ohr für die Anliegen von Fuhrparkverantwortlichen in Bezug auf Elektromobilität. Der Bedarf ist in den letzten Jahren proportional zu den elektrischen Neuzulassungen gestiegen. Denn die Einführung und das Management von Elektrofahrzeugen in Unternehmen bringen für Verantwortliche viele Aufgaben und einen sehr großen Know-how-Bedarf mit sich. Gerade der Umgang mit einer neuen Technologie, die Integration in Unternehmensprozesse sowie die Anwendung und Adaption der unzähligen vorhandenen Richtlinien und Vorschriften sind alles andere als banal. Wer sich einarbeiten und in dem Thema weiterbilden will, findet diverse Angebote zu einzelnen Aspekten, das gesamte Themenspektrum für Fuhrparks fehlt oft.

Deswegen hat der Fuhrparkverband vor dem Hintergrund der genauen Kenntnis praktischer Anforderungen einen neuen Onlinekurs erarbeitet, der es den Verantwortlichen in den Unternehmen und Behörden einfacher machen soll, die Themen rund um Elektromobilität zu beherrschen. Seit Oktober steht der Onlinekurs unter dem Titel „Fleetricity – Der Kurs für Elektromobilität im Fuhrpark“ allen zur Verfügung, die sich mit der Einführung und dem Management von Elektromobilität im Fuhrpark befassen. Damit wird der BVF dem gewachsenen Bedarf an Weiterbildung im Bereich Elektromobilität im Fuhrpark gerecht. Fleetricity schließt eine wichtige Lücke: Erstmals werden alle für Unternehmensfuhrparks relevanten Aspekte der Elektromobilität in einem umfassenden Kurspaket vermittelt.

Es lässt sich festhalten, dass in puncto umweltfreundlicherem Autofahren noch viel Luft nach oben ist. Durch Verbote und Einschränkungen werden diese Defizite aber ganz gewiss nicht aufgeholt. Und das wiederum wäre eine ernsthafte Gefahr für die Mobilitätswende.

Quellen:

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/265995/umfrage/anzahl-der-elektroautos-in-deutschland/#:~:text=Wie%20viele%20Elektroautos%20gibt%20es,als%2053.000%20E%2DAutos%20angewachsen

https://www.adac.de/news/neuzulassungen-kba/

 

Marc-Oliver Prinzing

Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Fuhrparkmanagement e.V.
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