21.01.2021

Internationalisierung im Rechtsextremismus

Studie des Counter Extremism Project (CEP)

Internationalisierung im Rechtsextremismus

Studie des Counter Extremism Project (CEP)

Als Oberbegriff umfasst Rechtsextremismus sämtliche neofaschistische, neonazistische und ultra-nationalistische Ideologien. ©thauwald-pictures - stock.adobe.com
Als Oberbegriff umfasst Rechtsextremismus sämtliche neofaschistische, neonazistische und ultra-nationalistische Ideologien. ©thauwald-pictures - stock.adobe.com

Die Studie „Gewaltorientierter Rechtsextremismus und Terrorismus. Transnationale Konnektivität, Definitionen, Vorfälle, Strukturen und Gegenmaßnahmen“ des Counter Extremism Project (CEP) untersucht transnationale Verbindungen von gewaltorientierten rechtsextremen Szenen in Deutschland, Frankreich, Schweden, Finnland, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Studie wurde vom Auswärtigen Amt in Auftrag gegeben. Der Berichtszeitraum umfasst die Jahre 2015 bis 2020, zudem wertete das Forscherteam die Einschätzungen von Sicherheitsbehörden und Forschungsinstituten seit den 1990er Jahren aus. Das Ergebnis der Untersuchung ist eine Gefährdungseinschätzung, die wachrütteln muss.

Rechtsextremismus als Untersuchungsgegenstand

Als Oberbegriff umfasst Rechtsextremismus sämtliche neofaschistische, neonazistische und ultra-nationalistische Ideologien. Zentrales Merkmal ist die Überbetonung der ethnischen Zugehörigkeit, durch welche sich die Anhänger als Menschen einer „höheren Rasse“ definieren. Andere Nationalitäten und Volkszugehörigkeiten werden degradiert und als Menschen mit minderem Wert angesehen. Herabsetzungsmerkmale werden neben der anderen ethnischen Zugehörigkeit mit kulturellen, geistigen und nicht zuletzt biologischen Unterschieden begründet. Daraus folgen zwangsläufig ein einfaches Freund-Feind-Schema und eine völlig intolerante Haltung gegenüber Menschen anderer Herkunft und Prägung. Dies führt zur Fremdenfeindlichkeit, da alles Fremde für Probleme im Land bis hin zu ganz persönlichen Problemen verantwortlich gemacht wird. „Der Fremde“ wird dabei nicht anhand seines Passes als fremd definiert, sondern aufgrund äußerer Merkmale, wie der Hautfarbe oder solchen einer anderen Kultur oder Religion.

Bereits in der Einführung zeigt das Forscherteam unter Bezugnahme unterschiedlicher Erhebungen und Studien auf, dass sich der Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren in zweierlei Hinsicht gewandelt hat. Zum einen ist die Bedrohungslage nicht nur in Westeuropa größer geworden: Mit Verweis auf eine Untersuchung der Universität Oslo kam es zwischen 1990 und 2018 alleine in Westeuropa zu mindestens 757 tödlichen oder beinahe tödlichen rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten und Anschlägen. Damit hat sich das Gewaltpotential erhöht, was die Entwicklungen der vergangenen zwei Jahre zeigen. Desweiteren sind die Bestrebungen gegen das „Fremde“ weitaus internationaler geworden und zeigen somit eine Ausbreitung über bestehende Landesgrenzen hinweg.


Überwinden von Grenzen: Virtuell und durch Reisen

Rechtsextremismus wird häufig aufgrund des überhöhten nationalistischen Denkens meist entsprechend im nationalen Kontext betrachtet. Tatsächlich vereinen die extremistischen Ziele jedoch die Rechtsextremisten längst international. Diese Entwicklung wurde in den vergangenen Jahren durch virtuelle Netzwerke und auch durch die sozialen Medien verstärkt. Während die Auswirkungen von Radikalisierungsprozessen durch das Internet kein Novum mehr darstellen, entwickeln sich auch Gaming-Szenen zu Plattformen für rechtsextreme Phantasien bis hin zur Anschlagsplanung, wie die Morde in Christchurch und Halle demonstriert haben. Neben den virtuellen Anknüpfungspunkten gibt es Begegnungen im physischen Raum, wie beispielsweise durch Rechtsrockkonzerte und rechten Musikfestivals. Auch Kampfsport und insbesondere MMA (Mixed Material Arts) Veranstaltungen fallen vermehrt im Kontext der internationalen Rechten auf und gewinnen an Beliebtheit. Das CEP verweist darauf, dass gerade Rechtsrock eine der Haupteinnahmequellen der rechtsextremen Szene in Deutschland darstellt, ebenso wie das Merchandising von Fan-Artikeln. Hier spielt das Internet wieder eine große Rolle, wie auch beim Generieren von Spendengeldern und Austausch zur Vorbereitung auf den „Tag X“, an dem es zu großflächigen Kampfhandlungen zwischen den Rassen käme. Zu diesem Zweck werden seit Jahren Trainings in unterschiedlichen Ländern angeboten.

Im betrachteten Zeitraum zwischen 2015 und 2020 kam es in allen betrachteten sechs Ländern zu einem Anstieg an registrierten rechtsextremen Gewalttaten, sowohl vollendet als auch geplant. In Deutschland standen dabei vor allem Flüchtlingsunterkünfte im Fokus, sowie Gewalt gegen vermeintlich Linke oder Zuwanderer. Dabei fielen in allen betrachteten Ländern mit besonders schweren Anschlägen vor allem sog. Einzeltäter auf, also Attentäter, die die Tat alleine ausführten, die bei näherer Betrachtung jedoch über ein Netzwerk verfügten, dass sich vor allem im Internet nachvollziehen lässt.

Aktueller Ausblick

Der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen konstatierte bereits 2013, dass der Rechtsextremismus jünger, aktionistischer und militanter geworden sei. Die Ergebnisse der CEP-Studie bestätigen nicht nur diese Einschätzungen, sondern erweitern sie um das internationale Netzwerk und damit eine größere Dimension der Bedrohung durch rechtsextreme Gewalttäter. Auch die gegenwärtige Situation um die Covid-19-Pandemie wird bereits in der Studie berücksichtigt und zeigt die Bestrebungen der rechten Szene auf, diese für ihre Zwecke zu nutzen. Einerseits sind die Reiseaktivitäten und damit verbunden gemeinsame Events, Trainings etc. gegenwärtig verhindert. Gleichzeitig „fischen“ die Extremisten genau unter den Leugnern der Pandemie nach neuen Mitstreitern. Die gegenwärtigen Proteste trotz der angespannten Infektionslage führen dies deutlich vor Augen. Zudem ist die Isolation der Verengung der Wahrnehmung durch fehlende Korrektive zuträglich, was die ausgetauschten Gewaltphantasien bestärken und zu alternativlosen Maßnahmen für Anhänger rechter Theorien werden kann. Entsprechend gefährlich sind die aktuellen Entwicklungen. Die Sicherheitsbehörden der sechs betrachteten Länder nehmen die Bedrohung allesamt ernst. Gegenmaßnahmen fokussieren sich dabei gerade im europäischen Raum auf mehrschichtige Ansätze, der nicht nur die Sicherheitsbehörden und Verwaltungen in die Pflicht nimmt, sondern auch zivile Akteure einbindet. Das CEP empfiehlt, gerade im zivilen Bereich Akteure einzubinden, die über Expertise in der Durchdringung der elektronischen Kommunikation besitzen, um mehr Kenntnisse über Abläufe in geschlossenen, verschlüsselten Chat-Foren und Content-Hosting-Plattformen zu bekommen.

Verwendete Quellen:

Counter Extremism Project (CEP) (Hrsg.) (2020): Gewaltorientierter Rechtsextremismus. Transnationale Konnektivität, Definitionen, Vorfälle, Strukturen und Gegenmaßnahmen, Quelle: https://www.counterextremism.com/sites/default/files/CEP-Studie_Gewaltorientierter%20Rechtsextremismus%20und%20Terrorismus_Nov%202020.pdf (Stand. 20.12.2020).

Huberts, Christian im Gespräch mit Smarzoch, Raphael: “Rechtsextreme profitieren von unmoderierten Plattformen“, Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/radikalisierung-durch-computerspiele-rechtsextreme.807.de.html?dram:article_id=466275 (Stand 20.12.2020)

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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