25.01.2021

Deutsche Lkw-Maut ist falsch berechnet

Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Deutsche Lkw-Maut ist falsch berechnet

Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Durch die Lkw-Maut werden erhebliche Geldbeträge generiert. ©FM2 - stock.adobe.com
Durch die Lkw-Maut werden erhebliche Geldbeträge generiert. ©FM2 - stock.adobe.com

Das deutsche Fiasko mit der Straßenmaut geht weiter: Nachdem der Europäische Gerichtshof im Jahr 2019 bereits die beabsichtigte Pkw-Maut vom politischen Tisch gewischt hatte, bescheinigten die Europarichter der Bundesrepublik Deutschland nunmehr, dass sie bei der Berechnung der Lkw-Maut geschludert hat. Was war geschehen?

Der Sachverhalt

Eine polnische Spedition war u. a. in Deutschland tätig. Für die Benutzung deutscher Bundesautobahnen zahlte sie für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 18.07.2011 Lkw-Mautgebühren in Höhe von insgesamt 12 420 €. Die Spedition machte gegenüber der Bundesrepublik Deutschland die Rückzahlung dieser Mautgebühren geltend. Dabei verwies sie darauf, dass die Methode, nach der die entrichteten Mautgebühren berechnet worden sei, europarechtswidrig sei. Diese falsche Berechnung habe zu einer überhöhten finanziellen Verpflichtung der Spedition geführt.

Das Oberverwaltungsgericht Münster, das über den Rechtsstreit zu entscheiden hatte, sah ebenfalls EU-Recht tangiert. Es legte daher den Rechtsstreit zur Vorabentscheidung dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)[1] vor.


Das Gericht wollte im Wesentlichen wissen, ob es gegen die »Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge« verstößt, dass bei der Berechnung der in Rede stehenden Mautgebühren die Kosten der Verkehrspolizei eingerechnet worden sind. Der EuGH bejahte einen Verstoß gegen die EU-Richtlinie.

Betroffene können sich unmittelbar wehren

Der EuGH stellte zunächst klar, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten, die auf dem transeuropäischen Straßennetz Mautgebühren einführen oder beibehalten, die zwingende Verpflichtung auferlegt, bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die »Infrastrukturkosten« zu berücksichtigen.

Folglich könne sich der einzelne Betroffene vor den nationalen Gerichten gegenüber einem Mitgliedstaat unmittelbar auf diese Verpflichtung berufen, wenn der Mitgliedstaat die Einführung von Mautgebühren nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe.

Begriff »Infrastrukturkosten«

Zu der zentralen Frage im vorliegenden Verfahren, ob die Kosten der Verkehrspolizei unter den Begriff der »Kosten für den Betrieb« fallen und als solche in die Berechnung der Mautgebühren einfließen können, stellte der EuGH sodann eindeutig fest, dass mit diesem Begriff die Kosten gemeint seien, die durch den Betrieb der betreffenden Infrastruktur entstehen. Dies sind insbesondere die Baukosten und die Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes. Polizeiliche Tätigkeiten fallen aber in die Verantwortung des Staates, der hierbei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt. Daher können Kosten der Verkehrspolizei nicht als Kosten für den Betrieb im Sinne der EU-Richtlinie angesehen werden.

Abschließend merkte das Gericht noch an: Zwar habe die Berücksichtigung der Kosten der Verkehrspolizei die gesamten Infrastrukturkosten der Lkw-Maut lediglich um etwa 3,8 % erhöht; gleichwohl könne dies nicht vernachlässigt werden, denn die EU-Richtlinie untersage jede Überschreitung der Infrastrukturkosten durch die Berücksichtigung nicht ansatzfähiger Kostenpositionen.

 

Anmerkung:

Die jährlichen Ausgaben der Verkehrspolizei, die der Lkw-Maut zurechenbar sind, betrugen 2019 ca. 200 Mio. €. Durch die Lkw-Maut werden erhebliche Geldbeträge generiert. So brachte die Lkw-Maut im Jahr 2019 etwa 7,5 Mrd. € ein. Von diesem Betrag gehen die sog. Systemkosten, also die Aufwendungen für die Erfassung und Unterhaltung der Maut-Technologie, ab. Der danach verbleibende Mauteinnahmebetrag wird zweckgebunden ausschließlich für das Straßenwesen verwendet.

Die Konsequenzen aus dem vorliegenden Urteil des EuGH sind noch unklar: Das Oberverwaltungsgericht Münster wird nun unter Beachtung der fehlerhaften Berechnung der Lkw-Maut das Verfahren wohl zugunsten des polnischen Spediteurs entscheiden. Fraglich ist jedoch, ob er den vollen Lkw-Maut-Betrag zurückverlangen kann oder evtl. nur den anteiligen Betrag, der auf die Einpreisung der Kosten der Verkehrspolizei auf seinen Mautbetrag entfällt. Zudem dürften sich auch andere Lkw- Halter auf die EuGH-Entscheidung berufen können, zumindest im Rahmen zu beachtender Verjährungsfristen.

Besprochen in RdW 2020, Heft 23/24, Randnummer 414.

[1] Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28.Oktober 2020 – C 321/19.

 

Klaus Krohn

Lektor im Fachbereich Steuerrecht, Richard Boorberg Verlag
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