17.05.2023

Ruhose: „Alles gleichzeitig digitalisieren zu wollen, war ein Fehler“

Digitalisierung der Verwaltung (Teil 5)

Ruhose: „Alles gleichzeitig digitalisieren zu wollen, war ein Fehler“

Digitalisierung der Verwaltung (Teil 5)

Ein Beitrag aus »Publicus« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Publicus« | © emmi - Fotolia / RBV

Über das Fortschreiten der Digitalisierung in der rheinland-pfälzischen Verwaltung, dem Fachkräftemangel und der Rolle der KI sprachen wir mit Dr. Fedor Ruhose, Staatssekretär und Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnik und Digitalisierung im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz. Folge 5 der PUBLICUS-Serie „Digitalisierung der Verwaltung“.

PUBLICUS: Das Onlinezugangsgesetz hat sein Ziel nicht erreicht. Was bedeutet das für die öffentliche Verwaltung in Deutschland und in Rheinland-Pfalz?

Fedor Ruhose: Die Digitalisierung der Verwaltung ist eine Daueraufgabe, die über das Erreichen eines festgelegten Datums hinausgeht. Bund, Länder und Kommunen haben sich der Herausforderung Verwaltungsdigitalisierung angenommen und innovative Strukturen zur Umsetzung geschaffen.


Um eine umfassende Transformation der öffentlichen Verwaltung zu erreichen, gehen wir über die eigentliche Zielsetzung des Onlinezugangsgesetz hinaus und nehmen den gesamten Verwaltungsprozess in den Blick. Das braucht Zeit! Durch die bisherige Umsetzung sind bereits viele Projekte und digitale Verwaltungsleistungen vorhanden. Jetzt geht es darum, daran anzuknüpfen und die Verwaltungsdigitalisierung weiter kooperativ und zielgerichtet zu gestalten. Für mich ist das Onlinezugangsgesetz der Startschuss für eine moderne, zukunftsfähige digitale Verwaltung.

PUBLICUS: War ein unzureichender Austausch der Länder untereinander ein Grund für das Scheitern – oder wo sehen Sie hauptsächlich die Gründe?

Ruhose: Die Länder und der Bund stehen durch den IT-Planungsrat in engem und kooperativem Austausch. Auch auf der Arbeitsebene gibt es viele ebenübergreifende Gremien, sodass ein reger Austausch zwischen Bund und Ländern gegeben ist. Bei der OZG-Umsetzung wurde ein kooperativer Ansatz gewählt, der einen intensiven Austausch erforderte – dieser Weg war erfolgreich.

„Kommunale Ebene wurde erst sehr spät einbezogen“

Aus meiner Sicht gibt es einige grundsätzliche Entscheidungen, die im Nachgang betrachtet besser anders getroffen worden wären. Das eine ist, dass die kommunale Ebene bundesweit erst sehr spät mit einbezogen wurde. Das andere ist, dass ein typisch deutscher Weg gegangen wurde und alle Verwaltungsservices gleichzeitig digitalisiert werden sollten. Es hat sich gezeigt, dass eine Fokussierung auf einzelne Leistungen effektiver ist.

PUBLICUS: Wie kann der erleichterte Zugang des Bürgers zu digitalen Verwaltungsdienstleistungen dennoch gelingen?

Ruhose: Wir müssen diejenigen Leistungen priorisieren, die im Alltag die größte Bedeutung haben. Die berechtigte Erwartungshaltung der Menschen ist heute, dass nicht nur der Zugang zur Verwaltung digital erfolgt, sondern dass auch die Verwaltungsprozesse und der Austausch von Daten vollständig digital ablaufen. Daran arbeiten wir mit der Modernisierung der Register als nächste Stufe der Verwaltungsdigitalisierung.

PUBLICUS: Und etwas weiter gefasst: Welche strategischen Ziele verfolgen Sie bei der Digitalisierung der Landesverwaltung in Rheinland-Pfalz?

Ruhose: Unter der Federführung des Digitalisierungsministeriums sind wir gerade dabei, unsere landeseigene Digitalstrategie fortzuschreiben und an die neuen Herausforderungen anzupassen. Wir wollen damit eine noch stärkere Vernetzung der Ministerien im Bereich der Digitalisierung und eine Stärkung der zentralen Steuerung erreichen. Damit schaffen wir Transparenz und erschließen neue Synergien.

Inhaltlich wird die Digitalstrategie den Fokus auf diejenigen Handlungsfelder legen, die für die Zukunftsfähigkeit von Rheinland-Pfalz die größte Bedeutung haben. Die Modernisierung der Verwaltung ist dabei zentral. Das Ziel, Rheinland-Pfalz über die technischen, rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen der EfA-Nachnutzung zum Ende des Jahres 2022 „OZG ready“ zu machen, haben wir erreicht. Diese organisatorischen Strukturen bauen wir nun weiter aus, um möglichst viele EfA-Leistungen in den flächendeckenden Roll-Out zu bringen und so den Staat digital aufzustellen.

PUBLICUS: Wie soll und wird sich dies auf die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen auf Kommunalebene auswirken?

Ruhose: Ein wesentlicher Teil der Verwaltungsdigitalisierung muss in den Kommunen vollzogen werden. Dass die Rolle der Kommunen bei der Verwaltungsdigitalisierung nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden hat, war einer der Konstruktionsfehler des Onlinezugangsgesetzes. In Rheinland-Pfalz setzen wir daher auf eine enge Zusammenarbeit von Land und Kommunen.

Grundlage hierfür bilden Kooperationsvereinbarungen und die gemeinsame Meilensteinplanung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Um die Umsetzung des Onlinezugangsgesetz im kommunalen Bereich weiter zu unterstützen, wurde außerdem das Kommunale OZG-Projekt eingerichtet. Dieses kümmert sich um die Belange der Kommunen und unterstützt die kommunalen Gebietskörperschaften beim Roll-Out der nachnutzbaren OZG-Leistungen.

„Breitbandportal ist ein gutes Beispiel erfolgreicher Verwaltungsdigitalisierung“

PUBLICUS: Auf welchen Feldern sehen Sie Ihr Bundesland bei Digitalisierungsthemen aktuell in einer Vorreiterrolle?

Ruhose: Das Breitbandportal, welches unter der Federführung von Rheinland-Pfalz und Hessen entwickelt wurde, ist ein gutes Beispiel erfolgreicher Verwaltungsdigitalisierung. Bei der Umsetzung der OZG-Leistung wurde nicht nur ein digitaler Zugang geschaffen. Das gesamte Verfahren von der Antragstellung bis zum Bescheid kann digital abgewickelt werden. Diesen Anspruch sollten wir an alle Leistungen stellen, denn nur mit einer Ende-zu-Ende-Digitalisierung kann ein Mehrwert für alle Beteiligten entstehen.

Im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes haben wir in Rheinland-Pfalz bereits früh erkannt, dass die Rolle der Kommunen gestärkt werden muss. Wir haben uns daher frühzeitig mit der kommunalen Seite über die Umsetzung des OZG verständigt und Strukturen für eine kommunale Nachnutzung aufgebaut. Auch die Frage der Finanzierung dieser Nachnutzung im kommunalen Bereich ist in Rheinland-Pfalz bereits gelöst. Der Kommunalpakt, der nun im IT-Planungsrat auf der Bundesebene beschlossen werden soll, wird in Rheinland-Pfalz weitestgehend bereits praktiziert.

„Nachwuchsgewinnung ist die größte Herausforderung der Zukunft“

PUBLICUS: Sind eigentlich genügend finanzielle Mittel und Personalressourcen vorhanden, um eine flächendeckende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten?

Ruhose: Die Nachwuchsgewinnung ist die größte Herausforderung der Zukunft. Das gilt nicht nur für die dringend erforderlichen IT-Fachkräfte, sondern zunehmend auch für Fachpersonal insgesamt. Wir müssen feststellen, dass die Zahl geeigneter Bewerber für offene Stellen abnimmt und Stellen damit über immer längere Zeiträume nicht oder nicht ausreichend qualifiziert besetzt werden können.

PUBLICUS: Wo sehen Sie die größten Lücken?

Ruhose: Es fehlt also ganz konkret an Menschen, die die digitalen Transformationsprozesse in den Verwaltungen vorantreiben. Umso wichtiger ist es daher, das vorhandene Wissen zu sichern, die Arbeit kooperativer und effizienter zu gestalten und auch in der Aus- und Fortbildung den Fokus stärker auf Digitalisierungsthemen zu richten.

PUBLICUS: Befürchten Sie Auswirkungen von ChatGPT auf die aktuellen Digitalisierungsbemühungen in der Verwaltung – oder wird dies zunächst spurlos an den Ämtern vorbeiziehen?

Ruhose: Wir sollten die Debatte über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz offen, aber nicht naiv führen. KI-Anwendungen bieten für uns künftig vielfältige Chancen und Möglichkeiten, auf die wir nicht verzichten wollen. Das gilt auch für die öffentliche Verwaltung. Als stark regelbasiertes System ist die öffentliche Verwaltung ein optimales Anwendungsfeld für KI-Systeme. Bereits heute nutzen Behörden Chatbots zur Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern. Insbesondere bei Routinetätigkeiten kann Künstliche Intelligenz entlasten und Ressourcen für höher qualifizierte Tätigkeiten freisetzen. Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist dies ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Bei all dem muss klar sein: Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen.

PUBLICUS: Wagen Sie eine Prognose: Wann werden die OZG-Leistungen dem Bürger flächendeckend zur Verfügung stehen?

Ruhose: Die Verwaltungsdigitalisierung wird in diesem Jahr spürbar an Fahrt aufnehmen. Die Anzahl und die flächendeckende Verfügbarkeit von digitalen staatlichen Leistungen, die den Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen zur Verfügung stehen, wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Aber auch darüber hinaus bleibt die Digitalisierung der Verwaltung eine Daueraufgabe, die nicht mit der Umsetzung eines Gesetzes abgeschlossen sein wird.

© MASTD/Jana Kay

Zur Person:

Dr. Fedor Ruhose (SPD) ist seit Mai 2021 Staatssekretär und Amtschef im rheinland-pfälzischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung. Zudem ist Ruhose  außerdem Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnik (CIO) und Digitalisierung (CDO) in Rheinland-Pfalz. Er ist Diplom-Volkswirt und berufliche Stationen im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz sowie im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie durchlaufen. Von 2014 bis 2021 war er Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion.

 

 

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Marcus Preu

Ltg. Lektorat und Redaktion, Rechtsanwalt
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