22.05.2023

Das inner- und außerdienstliche Fehlverhalten von Beamten

Möglichkeiten und Grenzen für Dienstherren

Das inner- und außerdienstliche Fehlverhalten von Beamten

Möglichkeiten und Grenzen für Dienstherren

Ein Beitrag aus »Niedersächsische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Niedersächsische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV

Der vorliegende Beitrag zeigt die Grenzen für das inner- und außerdienstliche Verhalten von Beamten am Beispiel der aktuellen Rechtsprechung zu der „Reichsbürgerbewegung“ und dem Besitz von kinderpornografischen Schriften auf. Die durch diese Verhaltensweisen verletzten beamtenrechtlichen Pflichten werden beleuchtet. Erlangen solche Verhaltensweisen öffentliche Aufmerksamkeit, führen sie bei den Bürgern oft zu einem Vertrauensverlust gegenüber dem Rechtsstaat und seinen Repräsentanten. Um dieses wiederherzustellen, muss der Dienstherr auf das Fehlverhalten einwirken. Die Möglichkeiten, die dem Dienstherrn zur Verfügung stehen, werden aufgezeigt. Da die Vorgabe, wie ein Beamter seine private Lebensführung – insbesondere außerhalb des Dienstes – zu gestalten hat, gleichzeitig mit der Einschränkung seiner Grund- und Freiheitsrechte einhergeht, ist die disziplinarische Ahndung stetig eine Gratwanderung zwischen dem Schutz eben dieser Rechte und dem Schutz des Staates und seiner Organe.

A. Einführung

Das Fehlverhalten von Berufsbeamten[1] als Repräsentanten des Staates erlangt immer wieder öffentliche Aufmerksamkeit.[2] Gegenstand medialer Berichterstattung bilden insbesondere Gerichtsentscheidungen, die Dienstpflichtverletzungen von Beamten, die in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung[3] genießen, disziplinarisch beurteilen.[4] Konsequenterweise beeinträchtigen Verhaltensweisen dieser Berufsbeamten das Bild der Öffentlichkeit gegenüber dem Staat erheblich. Dabei ist die Wertung insbesondere des außerdienstlichen Fehlverhaltens von Beamten als Dienstpflichtverletzung durch den Dienstherrn rechtlich nicht unproblematisch. Dieser Beitrag ordnet das Fehlverhalten von Beamten rechtsdogmatisch ein, analysiert die Verhaltensweisen, die aktuell die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung intensiv beschäftigten, und zeigt die entsprechenden Folgen für das Beamtenverhältnis auf.

B. Rechtsdogmatische Einordnung des Fehlverhaltens

Die Disziplinarbehörde ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 NDiszG von Amts wegen verpflichtet, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens i. S. v. § 47 Abs. 1 BeamtStG wegen der Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten rechtfertigen. Von disziplinarischer Relevanz kann sowohl innerdienstliches als auch außerdienstliches Verhalten eines Beamten sein. Dementsprechend differenziert § 47 Abs. 1 BeamtStG zwischen dem inner- und außerdienstlichen Dienstvergehen. Unerheblich ist dabei, ob sich die Beamten im aktiven Beamtenverhältnis befinden oder bereits ihr Ruhestand eingetreten ist.


  1. Abgrenzung zwischen inner- und außerdienstlichem Dienstvergehen

Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beurteilt sich die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen nicht nach der engen räumlichen und zeitlichen Beziehung zum Dienst, sondern entscheidend für das Vorliegen eines innerdienstlichen Dienstvergehens ist der funktionale Zusammenhang der Pflichtverletzung zum übertragenen Amt.[5] Für das Vorliegen eines innerdienstlichen Dienstvergehens setzt § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG die Beamteneigenschaft, die Verletzung einer oder mehrerer Dienstpflichten durch Handlung (Tun oder Unterlassen) sowie die Rechtswidrigkeit und das Verschulden voraus. Dabei muss die Pflichtverletzung einen ausreichenden Unrechtsgehalt haben, denn bei sog. Bagatellverfehlungen wird nach § 18 Abs. 2 Satz 2 NDiszG ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet.

Ein außerdienstliches Dienstvergehen liegt vor, wenn das Fehlverhalten des Beamten keinen Bezug zum Dienst hat, sondern der Beamte privat in Erscheinung tritt, wie jeder Bürger auch. Neben den Tatbestandsmerkmalen zu § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG müssen für das außerdienstliche Dienstvergehen die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllt sein.[6] Damit ein außerdienstliches Fehlverhalten also bejaht werden kann, muss das zugrunde liegende Verhalten nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sein, das Vertrauen in einer für das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Umstände des Einzelfalls sind dabei konkret individuell zu entscheiden.

Die Voraussetzung „in besonderem Maß“ wird bejaht, wenn das Verhalten des Beamten geeignet ist, eine bedeutsame Achtungs- und Vertrauenseinbuße bzw. Ansehensschädigung zu bewirken.[7] Darüber hinaus muss sich die Verfehlung „in bedeutsamer Weise“ auf das Vertrauen auswirken. Damit ist das Vertrauen des Dienstherrn und der Öffentlichkeit in den Beamten gemeint. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das allgemeine Vertrauen in eine rechtsstaatliche gesetzestreue Verwaltung gestört wird. Eine erhebliche Vertrauensbeeinträchtigung wird insbesondere bejaht, wenn aufgrund des Verhaltens vergleichbare Verstöße auch innerhalb des Dienstes mehr als wahrscheinlich sind.

Mit den zusätzlichen Voraussetzungen, die sich aus § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ergeben, soll das außerdienstliche Verhalten von Beamten nur in Ausnahmefällen ein Dienstvergehen darstellen und disziplinarisch von Bedeutung sein.[8] Der Privatbereich eines Beamten soll soweit wie möglich geschützt und für den Dienstherrn unzugänglich bleiben.[9] Nach ständiger Rechtsprechung beziehen sich die abzulehnenden Verhaltensweisen außerhalb des Dienstes in der Regel auf besonders qualifizierte strafbare Verhaltensweisen oder auf Verstöße gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten,[10] der sog. Wohlverhaltenspflicht.[11] Offen bleibt in diesem Zusammenhang noch die Bedeutung des Amtes für die Bewertung eines außerdienstlichen Fehlverhaltens. Während das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zunächst bezogen auf das Amt auf den konkret übertragenen Aufgabenbereich, d. h. den Dienstposten oder das Amt im konkret- funktionellen Sinne, abstellte, hat die Rechtsprechung mittlerweile diesen Standpunkt aufgegeben.[12]

Die Vertrauensbeeinträchtigung bezieht sich nunmehr auf das Statusamt.[13] Dieser Paradigmenwechsel ist zu begrüßen, denn anderenfalls hinge die Möglichkeit der Vertrauensbeeinträchtigung und somit auch die Einstufung als außerdienstliches Dienstvergehen von den Zufälligkeiten des jeweiligen Aufgabenzuschnitts und der Abgrenzung der Dienstposten zum Zeitpunkt der Tatbegehung ab.[14]

(…)

D. Zusammenfassung

Das Verhalten von Beamten hat eine große Tragweite für das Funktionieren des Rechtstaates und die Akzeptanz und Sicherstellung der demokratischen Ordnung. Die Allgemeinheit stellt erhöhte Anforderungen an Amtsträger mit Vorbildfunktion in Bezug auf ihr Ethos. Beamte als Repräsentanten des Staates müssen sich insgesamt so verhalten, dass ihnen von den Bürgern das zur Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht wird. Nur so ist eine dem Gemeinwohl verpflichtete und für alle Bürger glaubwürdige Amtsführung möglich.

Dieser Beitrag hat gezeigt, dass Beamte diesen Auftrag erfüllen können, wenn sie zum einen von einer gemeinsamen verfassungsrechtlichen Grundlage ausgehen.[15] Insbesondere in Krisenzeiten wird von Beamten erwartet, dass sie für die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv eintreten. Auf diese Konstante muss Verlass sein. Die Demokratie muss wehrhaft bleiben, eine Bekämpfung aus dem Inneren kann nicht toleriert werden. Andernfalls wird der Nährboden für verfassungsfeindlichen Enklaven im öffentlichen Dienst geschaffen.

Zum anderen geht durch den Besitz und Verbreitung von kinderpornografischen Schriften gerade bei Beamten mit einer Garantenstellung das erforderliche Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit verloren. Auch wenn vereinzelt Verwaltungsgerichte für diese Verhaltensweisen nicht die höchste Disziplinarmaßnahme aussprechen, erkennt die ständige Rechtsprechung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis für angemessen an, auch wenn damit existenzbedrohende Folgen für den Beamten verbunden sind. Damit wird durchaus berücksichtigt – so wie es von dem EGMR gefordert –, dass die politische Treuepflicht als auch die Wohlverhaltenspflicht einen Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte der Beamten darstellen.[16] Das BVerwG hat sich wiederholt zu dem Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten des Beamten einerseits und dessen beamtenrechtlichen Pflichten anderseits geäußert.[17] Darin werden keine überspannten Anforderungen gesehen.[18]

Begründet wird dies insbesondere aus dem aus Art. 33 Abs. 4 und 5 GG abzuleitenden Sonderrechtsverhältnis des Beamten.[19] Das Grundgesetz enthält eine Strukturentscheidung für eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums. Ferner ist mit dem Berufsbeamtentum das funktionswesentliche Prinzip der Alimentation verbunden. Im Gegenzug wird erwartet, dass der Beamte Treue erweist und sich wohlverhält. Die beiden Positionen sind so eng miteinander geknüpft, dass das eine ohne das andere keine Daseinsberechtigung hat.

 

Den kompletten Beitrag lesen Sie in den Niedersächsischen Verwaltungsblättern, 2/2023, S. 40.

[1] Der Beitrag bezieht sich auf Landes- und Kommunalbeamte in Niedersachsen.

[2] Nitschke, ZBR 2022, 112; Masuch, ZBR 2020, 289; Masuch, NVwZ 2021,

520.

[3] BVerwG, Urt. v. 10.12.2015, ZBR 2016, 250.

[4] BVerwG, Urt. v. 18.06.2015, DVP 2021, 30; VG Trier, Urt. v. 17.11.2015, DVP 2022, 43.

[5] BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, NJW 2001, 1080; BVerwG, Beschl. v. 04.04.2019, NVwZ 2019, 1295; VG Luneburg, Urt. v. 23.11.2020, BeckRS 2020, 34146; VG Magdeburg, Urt. v. 25.01.2018, BeckRS 2018, 13031; Thomsen, in BeckOK BeamtenR/Bund, Brinktrine/Schollendorf, 01.02.2022, § 47, Rn. 12; Masuch, ZBR 2020, 300; Reese/Hofler, Das Recht der Landes- und Kommunalbeamten, 2016, Rn. 252.

[6] VG Trier, Urt. v. 17.11.2015, DVP 2022, 44; Thomsen, in BeckOK Beamtenrecht Bund, Brinktrine/Schollendorf, 26. Edition, § 47, Rn. 14.

[7] Thomsen in BeckOK Beamtenrecht Bund, Brinktrine/Schollendorf, 26. Edition, § 47, Rn. 15.

[8] BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, NVwZ 2011, 299.

[9] Claussen/Benneck/Schwandt, Das Disziplinarverfahren, 6. Aufl., 2010, Rn. 128.

[10] Grundlegend BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, NJW 2001, 1080 und BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, NJW 2001, 3565.

[11] Wenn z. B. der Beamte wegen einer vorsatzlich begangenen außerdienstlichen Straftat verurteilt wird, fur die das Strafgesetzbuch zumindest eine mittelschwere Strafandrohung (Freiheitsstrafe bis zwei Jahren) vorsieht und einen Bezug zum Dienstbereich des Beamten aufweist.

[12] BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, NJW 2001, 3565.

[13] BVerwG, Urt. v. 18.06.2015, DVP 2021, 31 zur disziplinarischen Beurteilung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften bei Polizeibeamten.

[14] BVerwG, Urt. v. 18.06.2015, DVP 2021, 31.

[15] Metzler-Müller, Komm. zum BeamtStG, 2. Aufl., § 33, S. 292.

[16] Rieger, ZBR 2020, 229.

[17] Metzler-Müller, Komm. zum BeamtStG, 2. Aufl., § 33, S. 298.

[18] Vgl. hierzu auch BVerwG, NJW 2018, 2695.

[19] Wichmann/Langer, Offentliches Dienstrecht, 8. Aufl., Rn. 12 ff.

 

Prof. Dr. Dimitra Tekidou-Kühlke MLE, LL.M

Professur für öffentliches Dienstrecht, Kommunale Hochschule für Verwaltung Niedersachsen (HSVN), Hannover
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