31.05.2023

CRR III: Banken müssen geänderte Eigenmittelquote beachten (Teil 2)

Auswirkungen auf Institute und Kreditnehmer sind komplex und unvermeidbar

CRR III: Banken müssen geänderte Eigenmittelquote beachten (Teil 2)

Auswirkungen auf Institute und Kreditnehmer sind komplex und unvermeidbar

Bankenkrisen können schnell die Gesamtwirtschaft negativ beeinträchtigen |  © putilov_denis - stock.adobe.com
Bankenkrisen können schnell die Gesamtwirtschaft negativ beeinträchtigen | © putilov_denis - stock.adobe.com

Die Finalisierung des Basler Eigenkapitalrahmenwerks CRR III wird zu erheblichen Änderungen der Eigenkapitalanforderungen an Banken in Europa führen.

Fortsetzung von Teil 1

Marktpotenzial für Ratingagenturen durch die CRR III

Die Hauptkundschaft der Sparkassen und Genossenschaftsbanken hat in der Vergangenheit die Kosten für die Beauftragung eines Ratings gescheut. Diese Institute verzichten z.T. ganz auf die Berücksichtigung von Ratingagenturen, weil wie beschrieben „ohne Rating“ das Risikogewicht von 100% gilt. In Großbanken wiederum kommt meist der auf internen Ratings basierende Ansatz zur Anwendung, weshalb die Beauftragung von Ratingagenturen für Kreditnehmer nur dann hilfreich ist, wenn sie auch am Geld- und Kapitalmarkt tätig sind. Bei der Eigenmittelunterlegung spielen sie bislang nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das könnte sich durch die CRR III allerdings ändern, denn durch das neue Risikogewicht von 75% für die Bonitätsstufe 3 ist eine niedrigere Eigenmittelunterlegung möglich, was sich positiv auf die Kreditkonditionen auswirken würde. Wegen des neuen Output Floors (siehe unten) gilt dies auch für Banken, die den IRBA verwenden. Für Kreditnehmer mit überdurchschnittlicher Bonität kann ein Rating durch eine zugelassene Agentur daher zu günstigeren Kreditkonditionen führen.


Neu im KSA ist die Forderungsklasse der „Spezialfinanzierungen“: Eine solche Spezialfinanzierung liegt dann vor, wenn das finanzierte Objekt selbst den Cashflow für die Rückzahlung des Darlehens generieren muss, also keine breit angelegte wirtschaftliche Tätigkeit des Kreditnehmers vorliegt. Dies betrifft insbesondere Zweckgesellschaften. Aufgrund des höheren Risikos fällt das Risikogewicht höher aus als bei „normalen“ Unternehmensfinanzierungen und liegt häufig bei 120 oder 150 Prozent.

Die Kapitalanforderungen für Immobilienfinanzierungen werden neu aufgestellt

Eine besondere Risikogewichtung erhalten Immobilienfinanzierungen. Bislang betragen die Risikogewichte für den besicherten Teil einheitlich 35% bei Wohnimmobilien und 50% bei Gewerbeimmobilien. Hier wird zukünftig sehr stark auf das Verhältnis von Kreditvolumen zu Immobilienwert abgestellt. Bei stark überbesicherten Finanzierungen kann das Risikogewicht gegenüber geltendem Recht sinken. Wenn die Finanzierung hingegen den Wert der Immobilie übersteigt, ist auch ein Risikogewicht von mehr als 100% möglich.

Bei Gewerbeimmobilien ergibt sich durch die CRR III bei vielen Banken in Deutschland eine höhere durchschnittliche Risikogewichtung, während im Bereich der privaten Wohnungsbaufinanzierungen z.T. auch Entlastungen zu verzeichnen sind.

Beteiligungen und nachrangige Forderungen, die von Banken gehalten werden, sind aktuell noch mit 100% Risikogewicht zu berücksichtigen. Da sie gegenüber normalen Kreditforderungen ein höheres Risiko darstellen, soll das Risikogewicht steigen. Insbesondere für Beteiligungen, die langfristig und aus strategischen Gründen gehalten werden, sind jedoch vorteilhafte Übergangsregelungen vorgesehen. Dennoch wird es für Banken zukünftig weniger attraktiv, sich an bestimmten Projekten als Eigenkapitalgeber zu beteiligen.

In Summe führen die Änderungen im Kreditrisikostandardansatz bei den meisten Instituten zu höheren Eigenmittelanforderungen. Diese werden sich durch höhere Margenforderungen in den Kreditkonditionen widerspiegeln und kommen zum insgesamt ohnehin steigenden Zinsniveau hinzu.

Um Eigenkapital zu sparen, denken verschiedene Banken darüber nach, sich von Teilen des Geschäfts zu trennen, beispielsweise durch Verbriefungen oder Forderungsverkäufe. Dies gibt insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die nicht ohne Weiteres Kapitalerhöhungen durchführen können, wieder Spielraum für Neukreditgeschäft.

Neuerungen im IRBA mit weniger Auswirkungen als im KSA

Die Änderungen im IRBA fallen weniger umfassend aus als im Standardansatz. Im IRBA ergibt sich das Risikogewicht aus einer Formel, in die u.a. die Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default, PD) und der erwartete prozentuale Verlust im Fall eines Ausfallereignisses (Loss Given Default. LGD) einfließen.

Durch die CRR III wird die Rechenformel leicht angepasst, so dass die sich ergebenden Risikogewichte um ca. 6% niedriger ausfallen. Gleichzeitig werden die Mindestwerte für die PD nach oben angepasst, was für sehr gute Kreditnehmer zu höheren Risikogewichten führt. Der Standardwert für die LGD wiederum wird von 45% auf 40% gesenkt, was sich günstig auf die Kapitalanforderungen auswirkt.

Einige Banken sind berechtigt, neben der Ausfallwahrscheinlichkeit auch die zusätzliche Inanspruchnahme von zugesagten Linien bis zum Ausfallzeitpunkt selbst zu schätzen (fortgeschrittener IRBA). In diesem Fall erhöhen sich die Mindestwerte des Umrechnungsfaktors für nicht in Anspruch genommene Linien.

Sofern eine Bank die Inanspruchnahme nicht selbst schätzen darf (Basis-IRBA), werden die Anrechnungsfaktoren für Kreditzusagen durch die CRR vorgegeben. Analog zum Kreditrisikostandardansatz erhöhen sich diese Anrechnungsfaktoren durch die CRR III.

Aufgrund der gegenläufigen Auswirkungen der CRR III-Änderungen im IRBA ergibt sich kein klares Bild. Manche Institute profitieren von den Neuerungen, bei anderen Instituten steigt die Eigenmittelanforderung durch die CRR III. Alle IRBA-Institute müssen jedoch den Output Floor beachten.

Der neue Output Floor treibt Eigenkapitalanforderungen

Da einige Aufsichtsbehörden befürchten, dass durch interne Modelle und Ratingverfahren das Risiko von den Banken „kleingerechnet“ wird, soll die maximale Kapitalersparnis durch den Output Floor begrenzt werden. Die Banken müssen zukünftig, sofern sie den IRBA verwenden, parallel auch den Kreditrisikostandardansatz rechnen. Gleiches gilt für interne Modelle im Bereich von Marktpreisrisiken, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird. Die maßgebliche Eigenkapitalanforderung liegt dann – vereinfacht gesprochen – beim Maximum aus der Eigenmittelunterlegung nach IRBA sowie 72,5% der Eigenmittelunterlegung nach KSA. Die maximale Einsparung durch den IRBA liegt somit bei 27,5%. Da fast alle IRBA-Institute derzeit eine höhere Ersparnis durch interne Modelle haben, ist der Output Floor häufig der wichtigste Treiber der steigenden Eigenkapitalanforderungen.

Mit Inkrafttreten der CRR III (2025) wird der Output Floor daher zunächst nur bei 50% liegen. Er steigt dann bis 2029 jährlich um 5% an. Die finale Stufe liegt bei 72,5% und gilt ab 2030. Diese stufenweise Einführung soll den Instituten Zeit geben, ausreichend Eigenkapital zu beschaffen, um eine Beeinträchtigung der Realwirtschaft zu verhindern.

Effektiv führt der Output Floor dazu, dass Optimierungen der Eigenmittelanforderungen im Standardansatz erfolgen müssen, falls der Output Floor relevant ist. Bei vielen Instituten dürfte dies ab 2027 oder 2028 der Fall sein. Spätestens dann lohnt es sich für Kreditnehmer, bei entsprechender Bonität über externe Ratings nachzudenken, da diese im Standardansatz zu einem niedrigeren Risikogewicht führen würden, was sich über den Output Floor auch bei IRBA-Instituten günstig auswirkt. Es ist dann ein Rechenexempel, ob die Ersparnisse aus den Zinskonditionen die Kosten der Ratingagentur rechtfertigen. Denkbar ist auch, dass in den nächsten Jahren ein stärkerer Wettbewerb bei den Ratingagenturen entsteht und neue Marktteilnehmer Ratings anbieten. Sollte dieser Prozess einsetzen, werden diese „externen“ Ratings für weitere Kreditnehmer attraktiv.

Weiterer Zeitplan und Fazit

Der EU-Kommissionvorschlag zur CRR III liegt seit Herbst 2021 vor. Zwischenzeitlich haben auch EU-Parlament und -Rat Änderungsvorschläge eingereicht. Seit März 2023 finden gemeinsame Sitzungen („Trilog“) von Vertretern aus Rat, Parlament und Kommission statt, um ein mehrheitsfähiges gemeinsames Regelwerk zu erarbeiten. Dieses soll bis Ende 2023 vorliegen. Dann bliebe den Instituten noch ein Jahr für die technische Umsetzung.

Die Umsetzungsprojekte sind bei den meisten Banken bereits gestartet. Die technische Implementierung des Regelwerks ist aber anspruchsvoll, zumal etwaige Fehler zu Sanktionen durch die Aufsicht führen können. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Inkrafttreten noch etwas verschieben könnte. Zum Vergleich: Für die technische Umsetzung der zwei früheren Regelwerke wurden den Banken jeweils 24 Monate gewährt.

Unabhängig davon ist bereits heute klar, dass Kredite mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren früher oder später unter die neuen Regeln fallen werden. Daher wird sich die CRR III in nächster Zeit auf die Kreditkonditionen auswirken, auch wenn die Regeln noch nicht gelten. Durch die steigenden Eigenkapitalanforderungen sollten die Institute aber – und das ist die gute Nachricht – auch weniger krisenanfällig werden.

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Die Serie: Capital Requirements Regulation III

 

 

 

Michael Cluse

Director Risk Advisory, Financial Industry Risk & Regulatory, Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf
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