24.05.2023

CRR III: Banken müssen geänderte Eigenmittelquote beachten (Teil 1)

Auswirkungen auf Institute und Kreditnehmer sind komplex und unvermeidbar

CRR III: Banken müssen geänderte Eigenmittelquote beachten (Teil 1)

Auswirkungen auf Institute und Kreditnehmer sind komplex und unvermeidbar

Bankenkrisen können schnell die Gesamtwirtschaft negativ beeinträchtigen |  © putilov_denis - stock.adobe.com
Bankenkrisen können schnell die Gesamtwirtschaft negativ beeinträchtigen | © putilov_denis - stock.adobe.com

Die Finalisierung des Basler Eigenkapitalrahmenwerks CRR III wird zu erheblichen Änderungen der Eigenkapitalanforderungen an Banken in Europa führen.

Die globale Finanzmarktkrise zu Beginn des Jahrtausends wie auch die jüngsten Entwicklungen rund um die US-amerikanische Silicon Valley Bank und die Credit Suisse haben gezeigt, dass Banken „besondere“ Unternehmen sind: Bankenkrisen können schnell die Gesamtwirtschaft negativ beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall sind staatliche Unterstützungsmaßnahmen erforderlich, um Spareinlagen zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu sichern.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es eine volkswirtschaftliche Aufgabe der Finanzwirtschaft ist, Risiken einzugehen. Dies führt regelmäßig zu Abschreibungen und Verlusten, wobei die erwarteten Verluste in Form von Risikoprämien bereits einkalkuliert und somit beispielsweise Teil von Kreditkonditionen sind. In der Praxis entsprechen die tatsächlichen Aufwände selten exakt den erwarteten Verlusten. Gerade in einer Rezession können die Verluste aus Kreditausfällen größer sein als die Einnahmen aus der Risikoprämie. Zudem können einzelne Ereignisse, z.B. der Ausfall eines besonders großen Kreditnehmers, zu unerwarteten Verlusten führen, die nicht durch den laufenden Ertrag gedeckt werden können.


Aus diesem Grund müssen Banken seit vielen Jahren ein Mindesteigenkapital nachweisen, um auch schwerwiegende Verluste verkraften zu können. Das konkret erforderliche Eigenkapital ist dabei risikoabhängig. Während früher unter Berücksichtigung von Risikogewichten ein Mindesteigenkapital von acht Prozent nachgewiesen werden musste, wurde dieses als direkte Folge der Finanzmarktkrise auf 10,5 Prozent angehoben. Unter Vernachlässigung der Risikogewichte bedeutet dies, dass das maximale Kreditvolumen einer Bank weniger als das Zehnfache des Eigenkapitals umfassen kann. Somit sind für die kreditgebenden Institute solche Geschäfte attraktiver, die bei gleicher Kapitalbindung mehr Marge bieten oder bei gleicher Marge weniger Eigenkapital binden.

Diese unterschiedliche Kapitalbindung kann sich aus unterschiedlichen Risikogewichten oder unterschiedlicher Besicherung ergeben, da das Mindesteigenkapital risikoabhängig ist. Die Regeln zur Ermittlung der Risikogewichte wurden vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS) nach einer mehrjährigen Konsultationsphase im Jahre 2017 in einer überarbeiteten Fassung präsentiert. Die Umsetzung wurde vom Basler Ausschuss ursprünglich für 2022 angestrebt, aufgrund der Covid-19-Pandemie dann aber auf 2023 verschoben.

Da der Basler Ausschuss aber keine Gesetzgebungskompetenz hat, muss die Umsetzung in einzelnen Jurisdiktionen eigenständig erfolgen. Die EU hinkt dem Zeitplan ein wenig hinterher, hier sollen die neuen Regeln ab 1. Januar 2025 von den Kreditinstituten eingehalten werden. Es muss aber angemerkt werden, dass nur wenige Regionen dem Zeitplan des BCBS gefolgt sind. Großbritannien strebt ebenfalls die Anwendung der neuen Regeln ab 2025 an, die USA haben noch keinen Umsetzungsvorschlag vorgelegt.

Standardansätze vs. interne Verfahren

In der EU soll die Umsetzung über eine Anpassung der Capital Requirements Regulation (CRR) erfolgen. Da es sich um die dritte Fassung handeln wird, ist „CRR III“ eine häufige Bezeichnung für das neue Regelwerk.

Die CRR III wird den Instituten weiterhin die Wahl zwischen Standardrechenvorschriften und internen Verfahren (z.B. interne Ratingverfahren) lassen, um das Mindesteigenkapital zu bestimmen. Neu ist jedoch der sogenannte „Output Floor“. Dieser besagt, dass das Mindesteigenkapital auf jeden Fall 72,5% des Wertes betragen muss, der sich nach Standardverfahren ergeben hätte. Um diesen Referenzwert zu ermitteln, müssen also alle Banken zunächst per Standardverfahren rechnen.

Bislang haben vornehmlich große und sehr große Banken interne Ratingverfahren für die Risikogewichtung genutzt, während beispielsweise Genossenschaftsbanken und Sparkassen fast ausnahmslos die einfacheren Standardansätze verwenden. Der sogenannte Kreditrisikostandardansatz (KSA) leitet das Risikogewicht aus der Ratingnote einer anerkannten Ratingagentur ab, wohingegen im auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA) das Institut selbst die Ausfallwahrscheinlichkeit ermittelt. Diese fließt ebenso wie die Besicherung in eine vorgegebene Formel ein, aus der sich das maßgebliche Risikogewicht ergibt. Aufgrund von Befürchtungen, dass Banken das Risiko zu niedrig schätzen und somit nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen, wurde der Output Floor eingeführt.

Als der IRBA Anfang des Jahrtausends als alternative Variante zur Ermittlung des Mindesteigenkapitals eingeführt wurde, wurde die Kalibrierung der Formel so ausgestaltet, dass der Ansatz bei geringem Risiko attraktiv war und weniger Kapital als der Standardansatz benötigte. Dadurch ergaben sich bei den Kapitalanforderungen z.T. signifikante Unterschiede zwischen dem KSA und dem IRBA. Durch die neue CRR III werden die Standardansätze deutlich risikosensitiver. Bonitätsstarke Kreditnehmer können auf günstigere Konditionen hoffen, während stärker ausfallgefährdete Finanzierungen tendenziell teurer werden, weil die Kapitalbindung steigt. Insgesamt erwartet die Finanzwirtschaft jedoch einen signifikant steigenden Kapitalbedarf, wie Studien der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) und von Deloitte zeigen. Sofern das vorhandene Eigenkapital bei einer Bank knapp wird, können daher im Einzelfall auch für „gute“ Kreditnehmer die Konditionen steigen.

Risikosensitivere Ausgestaltung der Standardansätze

Die Höhe des erforderlichen Eigenkapital ergibt sich aus dem relevanten Forderungsvolumen („Exposure at Default“, EAD) und dem Risikogewicht. Maßgeblich für die Risikogewichtung im Kreditrisikostandardansatz (KSA) sind die Art des Geschäfts sowie – soweit vorhanden – die Bonitätseinschätzung einer Ratingagentur und eine etwaige Besicherung. Üblicherweise wird der Begriff der risikogewichteten Aktiva (RWA) verwendet:

Exposure at Default bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nicht nur die aktuelle Forderungshöhe relevant ist. Offene Kreditzusagen werden von Kreditnehmern bei Liquiditätsengpässen üblicherweise zunehmend in Anspruch genommen und erhöhen dann bis zum Ausfallzeitpunkt das Forderungsvolumen. Daher müssen Banken auch offene Zusagen bei der Berechnung berücksichtigen. Derzeit sind Kreditzusagen ausgenommen, die jederzeit und bedingungslos kündbar sind. Diese werden nach CRR III zukünftig meist mit 10% des offenen Betrags einfließen.

Beispiel:

Kreditlinie: 100 TEUR
davon:
Inanspruchnahme: 10 TEUR
Offene Linie: 90 TEUR

Sofern die vertragliche Vereinbarung eine jederzeitige und bedingungslose Kündigung der Kreditlinie zulässt, muss derzeit nur die aktuelle Inanspruchnahme berücksichtigt werden. Bilanzielle Forderungen fließen voller Höhe in das relevante Exposure at Default ein. Damit ist liegt die relevante Forderungshöhe (EAD) nach geltendem Recht bei 10 TEUR. Zukünftig wären auch 10% der offenen Linie (10% von 90 TEUR) zusätzlich zu berücksichtigen. Das EAD steigt somit auf 19 TEUR – ein relativer Anstieg von immerhin 90%.

Nicht bedingungslos kündbare Kreditzusagen mit einer Laufzeit von maximal einem Jahr müssen aktuell mit einem Anrechnungsfaktor von 20% berücksichtigt werden. Dieser steigt durch die CRR III auf 40%. Im Gegenzug verringert sich der Anrechnungsfaktor für Zusagen mit einer Laufzeit von über einem Jahr von aktuell 50% auf ebenfalls 40%. Die Änderungen bei den Anrechnungsfaktoren werden sich auf mutmaßlich die Bereitstellungsprovisionen für Linien und Zusagen auswirken. Zugleich werden viele Banken Kreditlinien kürzen, um Eigenkapital zu sparen. Dies dürfte vor allem solche Linien betreffen, die in der Vergangenheit nicht oder nur sehr selten genutzt wurden.

Die Risikogewichtung berücksichtigt Finanzierungsart und Bonität

Das Risikogewicht richtet sich u.a. nach der sogenannten Forderungsklasse. Die CRR gibt Kriterien für die Abgrenzung der Forderungsklassen vor. Die niedrigsten Risikogewichte ergeben sich für Forderungen an Zentralstaaten und Zentralbanken. Forderungen gegen Mitgliedsstaaten der EU erhalten in der Regel ein Risikogewicht von Null. Sie erfordern somit kein Eigenkapital. Für alle anderen Staaten ergibt sich das Risikogewicht aus dem Rating. Für die Ratingnote AAA ist ebenfalls eine Nullanrechnung vorgesehen. Die Ableitung des Risikogewichts aus der Ratingnote ergibt sich streng genommen nicht direkt aus der CRR, denn dort sind nur Bonitätsstufen angegeben. Die Zuordnung von Ratingnoten zu Bonitätsstufen erfolgt im Rahmen der Zulassung der Ratingagenturen durch die EBA. Daraus ergibt sich auch, dass nur die Ratings von zugelassenen Ratingagenturen („Elegible Credit Rating Agency“ – ECRA) im Zuge der Mindesteigenkapitalberechnungen verwendet werden können.

Forderungen an regionale und lokale Gebietskörperschaften erhalten höhere Risikogewichte. Die beste Ratingnote führt hier zu einem Risikogewicht von 20%. Sofern kein eigenständiges Rating verfügbar ist, wird auf das Rating des Staates zurückgegriffen, in der die Gebietskörperschaft liegt. Da das Rating der Bundesrepublik Deutschland zur Bonitätsstufe 1 führt, liegt das maßgebliche Risikogewicht bei 20%. Sofern Staat, Länder oder Kommunen Forderungen an andere Kreditnehmer besichern (Bürgschaft, Garantie usw.), kommt dieses günstige Risikogewicht auch für den besicherten Teil der Forderung zur Anwendung. Hier ergeben sich durch die CRR III auch keine Änderungen.

Neu ist hingegen, dass für Forderungen an Unternehmen das Risikogewicht für die Bonitätsstufe 3 (entspricht je nach Ratingagentur ca. der Ratingnote BBB) von 100% auf 75% gesenkt wird. Das Risikogewicht von 100% gilt auch für ungeratete Unternehmen. Das sind Kreditnehmer, für die kein Rating einer zugelassenen Ratingagentur vorliegt bzw. auch für den Fall, dass die Bank mit einer bestimmten Ratingagentur nicht zusammenarbeitet. Für schlecht geratete Unternehmen kann das Risikogewicht bis zu 150% betragen. Aus diesem Grund muss eine Bank immer prüfen, ob von einer Agentur ein Rating vorliegt. Um diesen Aufwand nicht ausufern zu lassen, darf die Bank jedoch frei wählen, welche Agenturen sie berücksichtigen will.

Redaktionsanmerkung: Der Beitrag wird fortgesetzt

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Die Serie: Capital Requirements Regulation III

 

 

 

Michael Cluse

Director Risk Advisory, Financial Industry Risk & Regulatory, Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf
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