29.11.2021

Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert (4)

Möglichkeiten und Grenzen von Homeoffice – Teil 4

Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert (4)

Möglichkeiten und Grenzen von Homeoffice – Teil 4

Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Im vierten Teil der Reihe Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändertkann bisher festgehalten werden, dass der Begriff Kriseüberholt ist und inzwischen im Kontext mit Corona selten verwendet wird. Längst bestimmen das Corona-Virus und zwischenzeitlich auftretende Virusvarianten das alltägliche Leben der gesamten Bevölkerung. In weiten Teilen der Gesellschaft ist der Ausdruck Corona- Pandemieetabliert. Die sprachliche Differenzierung der Begriffe ist für die Artikel dieser Reihe, in denen Berufsbedingungen der Mitarbeitenden in Sicherheitsberufen im Vordergrund stehen, nicht von Bedeutung. Teil 4 dieser Reihe reflektiert mit dem Thema Homeofficeeinen Punkt, der zurzeit keineswegs nur in Berufen der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) diskutiert wird. Die Möglichkeiten von Homeoffice und die damit einhergehenden Chancen, wie die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch spezifische Risiken, wurden bereits vor dem Corona-Ausnahmezustand branchenübergreifend untersucht (vgl. Grunau et al., 2019 oder Lott, 2020). Auf der Hand liegt jedoch, dass Homeoffice in KRITIS-Berufen nicht allgemeinen und branchenunabhängigen Empfehlungen folgen kann und daher einer differenzierten Betrachtung bedarf.

Ausgangslage und aktuelle Entwicklungen

Auch wenn die Corona-Pandemie einen gesamtgesellschaftlichen Einsatz von Homeoffice stark beschleunigt hat, ist die Verlagerung des Arbeitsplatzes in das häusliche Umfeld keineswegs eine Erfindung aus dem letzten Jahr. Begriffe zu dem, was wir heute darunter verstehen, tauchen erstmalig in 1976 in den USA (telecommuting, übersetzt telependeln) und in Deutschland im Jahr 1982 auf (Weiterführendes zu den Anfängen in Deutschland, siehe Heilmann & Heilmann, 1983).

Während Homeoffice das gelegentliche Arbeiten von Zuhause aus bezeichnet, steht Telearbeit bzw. Teleheimarbeit für einen fest angelegten und eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich der Beschäftigten. Dementsprechend sind Anforderungen an die ergonomische Gestaltung und die Vereinbarung von Rahmenbedingungen hier ausgeprägter.[1]


Unter „mobiler Arbeit“ wird in Abgrenzung hierzu das ortsunabhängige Arbeiten, etwa bei Reisetätigkeiten in Hotels, dem Zug, unterwegs aus dem Café oder auch flexibel aus dem häuslichen Umfeld verstanden. Mobile Arbeit bedingt damit, dass der Arbeitgeber ein mobiles Endgerät zur Verfügung stellt oder betriebliche Vereinbarungen über die Nutzung privater Endgeräte getroffen werden. Die begriffliche Differenzierung spielt im Berufsalltag jedoch eine eher untergeordnete Rolle. Wesentlich für die Betrachtung aus Arbeitgebersicht scheint vielmehr zu sein, ob sich Mitarbeitende am Arbeitsplatz in Präsenz und damit im unmittelbaren Zugriffsbereich aufhalten oder eben nicht.

Unumstritten ist, dass flexible Arbeitsmodelle im Sinn der Förderung einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen Attraktivitätsfaktor darstellen. Deshalb werben Arbeitgeber inzwischen regelmäßig mit den Möglichkeiten von Homeoffice. Die Befundlage zu dem Wunsch, Teile der Arbeit von zu Hause aus leisten zu können, ist jung, aber vergleichsweise homogen. So kommen z. B. gemeinsame Studien des Zentrums für Europäische Wirtschaftsförderung (ZEW) GmbH und des Instituts für Arbeit und Qualifikation (Idw) zu dem Ergebnis, dass 77 % der befragten Mitarbeitenden Möglichkeiten von Homeoffice positiv bewerten (vgl. ZEW, 2020, Idw, 2020). Ähnlich (72 %) ist das Ergebnis in der Studie „Mehr Home, weniger Office“ des Beratungsunternehmens Price Waterhouse Coopers (PwC).

Einer aktuellen Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zufolge sind mit der Nutzung von Homeoffice u. a. flexible Gestaltungsmöglichkeiten und reduzierte Pendelzeiten verbunden, welche positive Effekte auf Produktivität, Motivation und Arbeitszufriedenheit haben (vgl. Bonin et al., 2020). Die Studien berichten jedoch auch, dass es klarer Regeln bedarf. Zweifellos ist die Corona-Pandemie zwischenzeitlich zum Treiber einer gesamtgesellschaftlichen Homeoffice-Diskussion geworden. Die aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) und den Landesverordnungen hervorgehenden Schutzmaßnahmen zielen auf die Reduzierung sozialer Kontakte ab; hiermit sind zweifelsfrei nicht nur Freizeitkontakte gemeint.

Das BMAS hat in zweifacher Weise reagiert: zum einen mit der Erstellung eines Entwurfs des „Mobile-Arbeit-Gesetzes“ (MAG). In der zweiten Entwurfsfassung ist jedoch der zuvor formulierte Anspruch eines jeden Mitarbeitenden auf 24 Tage Homeoffice im Jahr nicht mehr enthalten. Zudem hat das BMAS von seinem Recht nach § 18 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) Gebrauch gemacht, in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 IfSG ohne Zustimmung des Bundesrates spezielle Rechtsverordnungen zum Arbeitsschutz für einen befristeten Zeitraum zu erlassen. Mit der seit dem 27.01.2021 geltenden Corona-Arbeitsschutzverordnung wird u. a. nunmehr auch erstmals eine Pflicht zum Angebot eines Homeoffice-Arbeitsplatzes statuiert, wenn auch nur für einen befristeten Zeitraum bis zum 30.04.2021. Der Arbeitgeber hat demnach gem. § 2 Abs. 4 den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.

Homeoffice-Modelle in Polizei- und Ordnungsbehörden

Die Arbeit von kommunalen Ordnungsbehörden und Kreispolizeibehörden hat zweifelsfrei einen hohen „operativen“ Charakter, der geprägt ist von Präsenz im öffentlichen Raum und Interaktionen mit Bürgerinnen und Bürgern. Die Arbeit ist gekennzeichnet durch eine hohe Konfliktbelastung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass beide Berufe eine zentrale Rolle in der Bewältigung der gegenwärtigen Pandemielage spielen.

a) Operative Funktionen im Außen- und Innendienst (Regelungsbereich 1)

Der Kern der Arbeitstätigkeit in den Außendiensten der Behörden ist damit nicht mit Homeoffice vereinbar. Zu prüfen bleibt hier lediglich, ob ein Teil der Arbeit, der außerhalb der Aufgaben mit zwingendem Aufenthalt am Einsatzort, z. B. auf Straßen und Plätzen liegt, aus dem häuslichen Umfeld bzw. mobil gestaltet werden kann. Hier kommen etwa die Einsatzdokumentation in Form der Fertigung von Einsatzberichten oder Schriftstücken im Anschluss an die Wahrnehmung von Einsätzen oder auch allgemeine Planungsarbeit in Betracht.

b) Bürotätigkeiten (Regelungsbereich 2)

Anders sieht dies bei den Arbeitsplätzen in verwaltenden Dienststellen der Sicherheitsbehörden aus. Diese dürften sich nur gering von verwaltenden Arbeitsplätzen anderer Behörden bzw. Unternehmen unterscheiden. Die in der neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung genannten „zwingenden betrieblichen Gründe“ sind an dieser Stelle kritischer zu prüfen. Auf der Hand liegt, dass operative Dienststellen, wie etwa die dauerbesetzten Polizeiwachen, auch rund um die Uhr einer administrativen Organisationsstruktur im Hintergrund bedürfen. Ohne ausreichende Arbeitsmittel z. B. im Hinblick auf IT-Technik, die Versorgung mit Fahrzeugen bis hin zur Erreichbarkeit einer Seelsorge, ist auch die Leistungsfähigkeit der Außendienste gefährdet. Letztlich bleibt die Bewertung der „zwingenden betrieblichen Gründe“ für die Arbeitsgestaltung verwaltender Arbeitsplätze und auch die Entscheidung zwischen „Präsenz im gewohnten Arbeitsumfeld“ und „Präsenz im Homeoffice“ eine Einzelfallentscheidung.

Was KRITIS-Berufe an dieser Stelle von anderen Branchen unterscheiden könnte, ist die Gefahr, dass in der heterogenen Belegschaft das Empfinden von Ungerechtigkeiten entsteht. Dies wäre dann der Fall, wenn in Abhängigkeit der Aufgabe, der Zugriff auf die deutlich positiv bewerteten Homeoffice-Möglichkeiten unterschiedlich gehandhabt wird. Letztlich bleibt abzuwarten, ob sich die Organisationen mit dieser Problemstellung beschäftigen müssen. U. a. hängt dies von dem generellen Umgang mit Homeoffice und den weiteren Entwicklungen nach der Pandemie ab. Die Erwartungen sind hier bisher uneinheitlich.

Fazit und Ausblick

Mit dem Wandel der Arbeitswelt und den gesellschaftlichen Megatrends der Digitalisierung und Globalisierung sind flexible Arbeitsmodelle stärker in den gesamtgesellschaftlichen Fokus gerückt. Auch Homeoffice erhielt nicht erst mit den notwendigen Kontaktreduzierungen im Kontext der Corona-Pandemie Einzug in das Berufsleben. Gleichwohl wirkten die pandemiebedingten Einschränkungen und die Verlagerung der Arbeitsabläufe in das häusliche Umfeld als Treiber dieser ohnehin laufenden Entwicklung.

Auch in rechtlicher Hinsicht ist absehbar, dass sich Rechte und Pflichten im Homeoffice im Rahmen der Möglichkeiten weiterentwickeln und verankern werden. Perspektivisch sind daraus resultierende Effekte auf die analoge Arbeitswelt zu erwarten, so z. B. eine räumliche Anpassung durch geringeren Arbeitsplatzbedarf oder eine zunehmende Nutzung von Desksharing.[2] Klar ist auch, dass die Anforderungen an Arbeitgeber im Hinblick auf klare Regeln zur Struktur, Erreichbarkeiten und betrieblicher Organisation hoch sind. Gleiches gilt i. S. d. Arbeits- und Gesundheitsschutzes auch für die Fähigkeit der Abgrenzung und des Selbstmanagements aufseiten der Mitarbeitenden.

Die Frage nach Homeoffice in Berufen der Sicherheitsbehörden erfordert indes eine differenzierte Betrachtung der Funktionen und Tätigkeiten. Es liegt auf der Hand, dass insbesondere operative Aufgaben der Polizei und Ordnungsbehörden einen hohen Grad an Präsenzarbeit vor Ort mit sich bringen. Die vorliegenden Befunde zu flexiblen Arbeitsmodellen deuten auf positive Effekte auf das Merkmal der Arbeitsgeberattraktivität hin. Damit könnte schon das Angebot flexiblen Arbeitens einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor für die Berufswahl darstellen.

 

Erschienen in apf Heft 5/2021

 

[1] Weiteres zu den Bedingungen der Telearbeit ergibt sich aus § 7 Abs. 2 der Arbeitsstättenverordnung.

[2] Flexible Organisationsform der Arbeit, bei der weniger Arbeitsplätze als Beschäftigte existieren. Mitarbeitende teilen sich die vorhandenen Arbeitsplätze und wechseln sich unter Nutzung flexibler Arbeitsmodelle ab.

 

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Die Serie: Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert

 

 

 

Susanne Aumann

Fachpraktikerin in der Kommunalverwaltung, Lehrbeauftragte am Studieninstitut für kommunale Verwaltung Aachen
 

Dr. Sascha Opielka

Leiter der Fortbildungsstelle im Polizeipräsidium Aachen
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