25.11.2021

Anzahl der Verpachtungs-BgA bei Verpachtung mehrerer gleichartiger Objekte

Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2021 - I R 2/19

Anzahl der Verpachtungs-BgA bei Verpachtung mehrerer gleichartiger Objekte

Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2021 - I R 2/19

Die Stadt verpachtete in den Streitjahren Grundstücke, die überwiegend als Campingplätze genutzt wurden. ©SimpLine - stock.adobe.com
Die Stadt verpachtete in den Streitjahren Grundstücke, die überwiegend als Campingplätze genutzt wurden. ©SimpLine - stock.adobe.com

Bei einem Streitfall ging das Finanzamt davon aus, dass es sich bei neun von der Anstalt des öffentlichen Rechts X verpachteten Campingplätzen um eine Einheit handelt, die zu einem einzigen „BgA Verpachtung Campingplätze“ führt. Der BFH folgte jedoch der Auffassung der X, nach der die neun vermieteten Campingplätze steuerlich getrennt behandelt werden müssen.

Sachverhalt

Die X ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die auf landesgesetzlicher Ebene mit der Aufgabe betraut ist, den Staatswald zu bewirtschaften. Das der X danach eingeräumte unentgeltliche Nutzungsrecht umfasst auch die Vermietung oder Verpachtung des zu bewirtschaftenden Staatswalds. In diesem erweiterten Aufgabenbereich verpachtete die X in den Streitjahren (2006 bis 2009) insgesamt … Grundstücke für Freizeit- und Erholungszwecke, die überwiegend als Campingplätze genutzt wurden.

Das Finanzamt beurteilte nach einer Außenprüfung die Verpachtungen in neun dieser Fälle als Verpachtung von gewerblichen Betrieben, die gemäß § 4 Abs. 4 KStG als Betrieb gewerblicher Art (BgA) gelte. Dabei ging das FA von einem (einzigen) „BgA Verpachtung Campingplätze“ aus und ermittelte aus den Pachteinkünften für die Jahre 2006 bis 2009 jeweils ein Gesamteinkommen dieses BgA von … €. Von diesen Gesamteinkommen zog das Finanzamt jeweils einmalig die Freibeträge nach § 24 Satz 1 KStG ab und setzte auf die Differenzbeträge (als zu versteuerndes Einkommen) Körperschaftsteuer fest.


Die X war demgegenüber zunächst der Auffassung, die Voraussetzungen für Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG lägen nur bei zwei der verpachteten Objekte vor (Campingplatz A und Campingplatz C). Mangels organisatorischer Zusammenfassung handele es sich bei den Verpachtungen außerdem um jeweils eigenständige, nicht zusammengefasste BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG, für die getrennte Körperschaftsteuerbescheide unter jeweils eigenständiger Einkommensermittlung zu erlassen wären.

Während des Klageverfahrens änderte die X ihr Klagebegehren dahingehend, dass die Voraussetzungen für einen Verpachtungs-BgA i.S.d § 4 Abs. 4 KStG nur im Hinblick auf das verpachtete Objekt „Campingplatz A“ vorlägen.

Das vorinstanzliche Finanzgericht Nürnberg (Urteil vom 24.07.2018 – 1 K 241/17) war der Auffassung, dass – entsprechend dem Klagebegehren – Körperschaftsteuer nur in Bezug auf die Verpachtung des Objekts „Campingplatz A“ festgesetzt werden könne.

(Nichtamtliche) Leitsätze

  1. Die Verpachtung mehrerer gleichartiger gewerblicher Objekte (hier: Campingplätze) durch die Trägerkörperschaft kann nur dann zur Annahme eines einzigen Verpachtungs-BgA führen, wenn die Objekte eine „Einrichtung“ i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 1 KStG bilden. Eine „Einrichtung“ ist dabei jede funktionelle Einheit, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dient.
  2. Die funktionelle Einheit, die sich z.B. aus einer einheitlichen Leitung, einer einheitlichen Rechnungslegung oder aus einer sonstigen zusammenfassenden Organisationsmaßnahme ergeben kann, muss sich bei der Verpachtung mehrerer Objekte auf die gewerbliche Tätigkeit des Pächters beziehen. Eine Bezugnahme auf die (gleichartige) Verpachtungstätigkeit des Verpächters kommt insoweit nicht in Betracht.

Nach Auffassung des BFH sei das Finanzamt im Hinblick auf die Verpachtung der neun Campingplätze zu Unrecht von einem einzigen Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG ausgegangen.

Als BgA gelte gemäß § 4 Abs. 4 KStG (auch) die Verpachtung eines solchen Betriebs. Die an sich dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnende Verpachtungstätigkeit werde dadurch als gewerbliche Betätigung fingiert. Die Annahme eines Verpachtungs-BgA erfordere, dass der Gegenstand des Pachtvertrags in der Hand der verpachtenden Körperschaft ein BgA wäre.

Das vom vorinstanzlichen Finanzgericht Nürnberg gefundene Ergebnis, die X habe mit dem Abschluss der Pachtverträge über die Campingplätze – soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 KStG erfüllen – einzelne Verpachtungs-BgA und nicht einen einzigen, mehrere Pachtverhältnisse umfassenden BgA „Verpachtung Campingplätze“ unterhalten, halte der rechtlichen Prüfung stand.

Zur Bestimmung des Umfangs eines von der Trägerkörperschaft unterhaltenen BgA sei auf das in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG enthaltene Merkmal der „Einrichtung“ abzustellen. Eine Einrichtung sei jede funktionelle Einheit, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen diene. Eine funktionelle Einheit könne sich insbesondere aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen Geschäftskreis, der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen, auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben.

Zur Bestimmung des Umfangs eines Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG sei in gleicher Weise darauf abzustellen, ob es sich bei den verpachteten Betriebsgrundlagen um eine oder um mehrere „Einrichtungen“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG handele. Werden mehrere verschiedene funktionelle Einheiten verpachtet, liegen dementsprechend mehrere Verpachtungs-BgA vor. Entgegen der Sichtweise des Finanzamts komme es für den Umfang des Verpachtungs-BgA nicht maßgeblich darauf an, inwiefern mehrere Pachtverhältnisse bei der Trägerkörperschaft von derselben organisatorischen Untergliederung oder nach einheitlichen Maßgaben und Grundsätzen verwaltet und betreut werden. Der Anlass für den Besteuerungszugriff beim Verpachtungs-BgA liege in der Mitwirkung der juristischen Person des öffentlichen Rechts an der Betriebsgestaltung des Pächters. Obwohl das Besteuerungsobjekt beim Verpachtungs-BgA der Gewinn aus dem Pachtverhältnis – und nicht der Gewinn des verpachteten Betriebs – sei, gehe es dabei mithin letztlich doch um eine Form der Teilhabe an der gewerblichen Betätigung des Pächters, d.h. am Betrieb selbst. Die Verpachtungstätigkeit als solche sei demgegenüber zur Bestimmung der Anzahl der jeweiligen Verpachtungs-BgA nicht geeignet, weil es sich dabei der Sache nach um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handele, die mit den für die Bestimmung der „Einrichtung“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG maßgeblichen Kriterien nicht zu erfassen sei.

Im Streitfall sei davon auszugehen, dass es sich bei den verpachteten Campingplätzen um jeweils eigenständige funktionelle Einheiten gehandelt habe. Irgendwelche Anhaltspunkte, die auf eine einheitliche Leitung, einheitliche Rechnungslegung oder sonstige zusammenfassende Organisationsmaßnahmen in Bezug auf die einzelnen Campingplatzbetriebe hindeuten könnten, seien danach nicht erkennbar. Allein die Gleichartigkeit der Betriebe führe nicht zu einer funktionellen Einheit, wie sich auch aus § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG ergebe, der der Trägerkörperschaft die Möglichkeit eröffnet, mehrere (einzelne) gleichartige BgA zu einem Gewinnermittlungssubjekt zusammenzufassen.

Anmerkung

Im Streitfall ging das Finanzamt davon aus, dass es sich bei den neun von der X verpachteten Campingplätzen um eine Einheit handelt, die zu einem einzigen „BgA Verpachtung Campingplätze“ führt. Der BFH folgte jedoch der Auffassung der X sowie dem vorinstanzlichen Finanzgericht Nürnberg, nach der die neun vermieteten Campingplätze steuerlich getrennt behandelt werden müssen. Dabei stellte der BFH bei der Frage, ob ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG gegeben ist, auf das in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG enthaltene Merkmal „Einrichtung“ ab. Eine derartige Einrichtung sei gegeben, wenn es sich um eine sog. funktionelle Einheit handele. Diese funktionelle Einheit könne sich insbesondere aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen Geschäftskreis, der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen, auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben (siehe insoweit H 4.1 „Einrichtung“ KStH 2015).

Wichtig ist die Aussage des BFH, dass sich die funktionelle Einheit im Falle der Verpachtung von mehreren Objekten durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht auf die (gleichartige) Verpachtungstätigkeit, sondern auf die Tätigkeit des Pächters beziehen muss. Deshalb spielt es im Streitfall auch keine Rolle, dass die Pachtverträge bei der Verpächterin (X) von derselben Untergliederung oder nach einheitlichen Maßgaben und Grundsätzen verwaltet und betreut werden.

Im Streitfall lag keine funktionelle Einheit in Bezug auf den Betrieb der Campingplätze vor. Da die Campingplätze offenbar von verschiedenen Pächtern geführt wurden, bestand insoweit weder eine einheitliche Leitung noch eine einheitliche Rechnungslegung oder eine sonstige zusammenfassende Organisationsmaßnahme. Eine funktionelle Einheit könnte meines Erachtens bei der Verpachtung mehrerer Campingplätze eventuell dann angenommen werden, wenn die Verpachtung dieser Campingplätze an einen einzigen Pächter erfolgt.

Da nach Auffassung des BFH die neun verpachteten Campingplätze steuerlich getrennt zu behandeln sind, muss für jede einzelne Verpachtung geprüft werden, ob insoweit ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG oder lediglich eine nicht der Körperschaftsteuer unterliegende Vermögensverwaltung gegeben ist.

Nach der Rechtsprechung des BFH liegt ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG nur vor, wenn die überlassenen Wirtschaftsgüter die wesentlichen Grundlagen des Betriebs ausmachen, mit denen der Pächter sogleich ohne größere Vorkehrung einen Gewerbebetrieb ausüben kann (vgl. BMF, Schreiben vom 12.11.2009, BStBl I 2009 S. 1303, Rdnr. 15 ff., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Im Streitfall lagen diese Voraussetzungen offenbar nur bei einem der neun verpachteten Campingplätze vor, sodass nur ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG anzunehmen war. Das würde bedeuten, dass bei den nicht als Verpachtungs-BgA eingestuften verpachteten Campingplätzen deren wesentliche Betriebsgrundlagen wohl nicht vom Verpächter (X), sondern vom Pächter beschafft wurden. Insoweit handelte es sich bei der verpachtenden juristischen Person des öffentlichen Rechts lediglich um eine Tätigkeit im Rahmen der (nicht körperschaftsteuerpflichtigen) Vermögensverwaltung.

 

Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2021 – I R 2/19 (www.bundesfinanzhof.de)

 

Prof. Thomas Maier

Rechtsanwalt / Steuerberater,
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl
n/a