18.11.2021

Zusammenfassung gleichartiger BgA nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG zu einem einheitlichen BgA einer Kurort-Gemeinde

Finanzgericht München, Gerichtsbescheid vom 20.11.2020 - 6 K 2916/17

Zusammenfassung gleichartiger BgA nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG zu einem einheitlichen BgA einer Kurort-Gemeinde

Finanzgericht München, Gerichtsbescheid vom 20.11.2020 - 6 K 2916/17

Ist ein Glühweinstand Teil der Aktivitäten des BgA „Kurbetrieb“? ©Marco Martins - stock.adobe.com
Ist ein Glühweinstand Teil der Aktivitäten des BgA „Kurbetrieb“? ©Marco Martins - stock.adobe.com

Sachverhalt

Die Kurort-Gemeinde K unterhielt einen als Regiebetrieb geführten BgA „Kurbetrieb“. In diesem BgA erfasste die K u.a. die Fremdenverkehrsbeiträge, die Kurbeiträge, Mieteinnahmen aus dem Haus des Gastes, sonstige Mieteinnahmen (Kegelbahn, Minigolfplatz, Bühne des Kursaals) sowie die Aufwendungen für die A-GmbH (touristische Marketingorganisation für die K und weitere Gemeinden).

Im BgA „Kurbetrieb“ erfasste die K auch die Einnahmen und Ausgaben eines Glühweinstandes auf dem Weihnachtsmarkt der Stadt X. Diese Einnahmen und Ausgaben beruhen auf folgendem Sachverhalt:

Die K hatte sich bereits vor vielen Jahren bei der Stadt X um das Recht beworben, den Christbaum für den Weihnachtsmarkt aufstellen zu dürfen. Für den Weihnachtsmarkt erhielt sie von der Stadt X den Zuschlag. Der Christbaum wurde am 12.11.20… am frühen Morgen von der Feuerwehr X aufgestellt. Nach der Aufstellung des Christbaums fand um ca. 10.00 Uhr ein Fotopressetermin statt, der von der Pressestelle X organisiert wurde. Zur Eröffnung des Christkindlmarkts am 25.11.20… kam eine Delegation der K nach X. Mit dem Schluss seines Grußwortes übergab der Bürgermeister der K den Christbaum formell der Stadt X als Geschenk.


Als Beitrag zum Eröffnungsprogramm musste die K zudem dafür sorgen, dass die Blaskapelle ihres Ortes für musikalische Unterhaltung sorgt (Standkonzert). Im Gegenzug sagte die Stadt X zu, dass am Christbaum eine Tafel angebracht wird, aus der hervorgeht, dass die K die Spenderin ist. Ferner stellte die Stadt X der K in der Zeit vom 25.11. bis zum 23.12.20… einen Raum zum Verkauf von Glühwein, Kinderpunsch, Jägertee und Speckbroten zur Verfügung. Dabei war die K verpflichtet, ortsübliche Preise zu verlangen, um den gewerblichen Händlern nicht zu schaden. Ferner hatte die K das Recht vereinbart, einen Prospektständer aus Holz neben dem Ausschankfenster aufzustellen. Dies geschah auch. So legte die K speziell für diese Gelegenheit eigene Image- und Werbebroschüren auf, die im Prospektständer lagen bzw. verteilt wurden. Im Rahmen des Weihnachtsmarktes veranstaltete die K ein Preisausschreiben, bei dem die Teilnehmer Loskarten ausfüllen durften. Täglich wurde ein Gewinner ausgelost, der einen Schließfachschlüssel erhielt, der zu einem Schließfach auf dem Gipfel des mit einer Seilbahn erschlossenen Hausberges der K stand. Als Preise konnten z.B. eine Ballonfahrt in der Region oder ein Aufenthalt in einem Kurhotel gewonnen werden. Der Verkaufsstand erzielte einen Gewinn.

Trotz dieses Gewinns des Verkaufsstandes in X erzielte der BgA „Kurbetrieb“, in dem die K die Einnahmen und Ausgaben des Verkaufsstandes erfasste, insgesamt einen Verlust. Das Finanzamt veranlagte den BgA „Kurbetrieb“ zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entsprechend der Steuererklärung der K.

Im Rahmen einer später erfolgten Betriebsprüfung kam das Finanzamt zum Ergebnis, dass die Einnahmen aus dem Verkaufsstand in X nicht beim BgA „Kurbetrieb“ zu erfassen seien. Vielmehr handele es sich um einen eigenständigen BgA „Glühweinstand“. Das Finanzamt erhöhte deshalb den Verlust des BgA „Kurbetrieb“ und erließ für diesen BgA einen entsprechenden Körperschaft-steuerbescheid und eine entsprechende Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer.

Für den BgA „Glühweinstand“ erließ das Finanzamt aufgrund des erzielten Gewinns einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid und einen Bescheid, mit dem das steuerliche Einlagekonto in Höhe von Null festgestellt wurde. Ferner erließ das Finanzamt einen Bescheid über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag.

Die K ist der Auffassung, dass ein eigenständiger BgA „Glühweinstand“ nicht vorliege. Die Tätigkeiten seien vielmehr ein Teil der Aktivitäten des BgA „Kurbetrieb“. Zum Kurbetrieb gehöre auch Werbung für den Tourismus. Der Kurbetrieb diene der Tourismusförderung des innergemeindlichen Kur-, Gast-, Erholungs- und Hotelgewerbes. Im Rahmen der Tourismusförderung würden auch Tätigkeiten zur Bewerbung der eigenen Naherholungsregion anfallen. Eine solche Tätigkeit stelle auch der Betrieb des Glühweinstandes dar.

Leitsätze

  1. Betreibt ein Kurort, der Fremdenverkehrsbeiträge gemäß Art. 6 des bayerischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) und Kurbeiträge gemäß § 7 KAG erhebt, in einer anderen Kommune im Rahmen des dortigen Weihnachtsmarktes einen Verkaufsstand (hier: Glühweinstand) mit dem Werbeziel, Touristen auf den Kurort aufmerksam zu machen, kann er den Verkaufsbetrieb mit dem Kurbetrieb auch dann nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG zu einem Betrieb gewerblicher Art zusammenfassen, wenn sich aus den Verkäufen erhebliche Gewinne ergeben.
  2. Bei der Beurteilung der Gleichartigkeit ist auf die jeweilige Tätigkeit abzustellen. Die Betriebs-zwecke müssen sich entsprechen und die Tätigkeit muss demselben Gewerbezweig angehören.
  3. Die Ausübung des Wahlrechts zur Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Betriebe zu einem einheitlichen Betrieb gewerblicher Art setzt im Wesentlichen nur eine eigenständige steuerliche Ermittlung für die zusammengefasste Einheit voraus.

Das Finanzgericht München gab der Klage der K statt. Das Finanzamt sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Betrieb des Glühweinstandes einen eigenständigen BgA darstellt, jedoch komme im Streitfall gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG eine Zusammenfassung des BgA „Glühweinstand“ mit dem BgA „Kurbetrieb“ wegen Gleichartigkeit in Betracht.

Bei der Beurteilung der Gleichartigkeit sei nach der Rechtsprechung des BFH auf die jeweilige Tätigkeit abzustellen. Die Betriebszwecke müssen sich entsprechen und die Tätigkeit müsse demselben Gewerbezweig angehören.

Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen zwei Betrieben könne darüber hinaus aber auch dann vorliegen, wenn sich die beiden Betriebe stützen und ergänzen. Ein wesentliches Indiz hierfür könne darin gesehen werden, dass das Angebot der einen Betätigung die andere ergänze oder Kunden des einen Bereichs gelegentlich an den anderen Bereich weitergeleitet werden.

Der alleinige Betriebszweck beim Verkaufsstand, die „Touristenwerbung“, sei beim Kurbetrieb ein Teil des wesentlich weitergehenden Betriebszwecks und der umfassenderen Tätigkeiten. Im Punkt Touristenwerbung überschneiden sich die Betriebszwecke der beiden BgA. Dies rechtfertige die Annahme der Gleichartigkeit der Tätigkeiten. Zumindest aber ergänze der Betrieb des Verkaufsstands die Werbeaktivitäten des Kurbetriebs.

Die K habe auch von ihrem Wahlrecht, den BgA „Kurbetrieb“ und den BgA „Glühweinstand“ zusammenzufassen, Gebrauch gemacht. Die Ausübung des Wahlrechts zur Zusammenfassung mehrerer Tätigkeiten setze nach Auffassung der Finanzverwaltung keine organisatorische Zusammenfassung mehr voraus. Insoweit genüge eine eigenständige Gewinnermittlung für den zusammengefassten Betrieb. Dies sei im Streitfall geschehen.

Anmerkung

Das Finanzgericht München geht in seinem Urteil vom 20.11.2020 zunächst davon aus, dass es sich beim Glühweinverkaufsstand um einen eigenständigen BgA neben dem BgA „Kurbetrieb“ handelt. Diese beiden BgA können – so das Finanzgericht – nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG zusammengefasst werden mit der Folge, dass der Gewinn des BgA „Glühweinstand“ mit dem Verlust des BgA „Kurbetrieb“ verrechnet werden kann.

Fraglich ist jedoch, ob die Tätigkeit des Kurbetriebs und der Betrieb des Glühweinstandes nicht doch – wie die K meint – als eine einheitliche „Einrichtung“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG und somit als ein BgA anzusehen ist. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn gleichartige Tätigkeiten eine sog. funktionelle Einheit darstellen (vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 13.4.2021, www.bundesfinanzhof.de, und Finanzgericht Münster, Urteil vom 21.4.2021, www.fg-muenster.nrw.de).

Das Finanzgericht München bejahte bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG eine gleichartige Tätigkeit bei beiden Betrieben (Kurbetrieb, Betrieb des Glühweinstandes), insbesondere im Hinblick auf die Touristenwerbung. Eine funktionelle Einheit kann sich nach allgemeiner Auffassung z.B. aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen Geschäftskreis, der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben.

Im Streitfall werden die Einnahmen und Ausgaben des Kurbetriebs und die Einnahmen und Ausgaben des Glühweinstandes in der Haushaltsrechnung im Einzelplan 8 „Wirtschaftliche Unternehmen“ im Abschnitt 86 „Kur- und Badebetriebe“ erfasst. Diese Tatsache könnte für das Vorliegen einer funktionellen Einheit sprechen, sodass die Tätigkeiten des Kurbetriebs und der Betrieb des Glühweinstandes als eine „Einrichtung“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG angesehen werden könnten.

Im Hinblick auf das Ergebnis spielt es keine Rolle, ob ein BgA oder zwei zusammengefasste BgA besteht. In beiden Fällen erfolgt keine Besteuerung des Gewinns aus dem Betrieb des Glühweinstandes, weil dieser mit dem höheren Verlust des Kurbetriebs verrechnet werden kann.

 

Finanzgericht München, Gerichtsbescheid vom 20.11.2020 – 6 K 2916/17 (www.gesetze-bayern.de – Revision anhängig; Az. des BFH: I R 49/20)

 

Prof. Thomas Maier

Rechtsanwalt / Steuerberater,
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl
n/a