15.11.2021

Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert (2)

Herausforderungen für kommunale Ordnungsdienste bei der Durchsetzung von Corona-Schutzverordnungen – Teil 2

Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert (2)

Herausforderungen für kommunale Ordnungsdienste bei der Durchsetzung von Corona-Schutzverordnungen – Teil 2

Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

 

Mit der Corona-Pandemie in Deutschland geht eine Veränderung der kommunalen Ordnungsdienste in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus einher. Praktisch über Nacht waren Außendienstmitarbeitende der Ordnungsämter für eine neue Aufgabe zuständig, die mit großen Herausforderungen wie hoher Arbeitsquantität, Arbeit in Konfliktbereichen, wahrgenommener Eigengefährdung und auch psychischer Belastung einhergeht. In der Reihe „Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert“ wird über Belastungssituationen, den Arbeitszeitaspekt, originäre und subsidiäre Aufgaben der Gefahrenabwehr sowie die Wahrnehmung von Sicherheitsberufen berichtet. Der Veränderungsprozess der Dienste wurde und wird aktuell weiterhin durch die Corona-Krise beschleunigt und in der Richtung verändert, jedoch befanden sich die kommunalen Ordnungsdienste in NRW schon vor der Krise in einer Entwicklung hin zu einheitlichen Standards, was Struktur, Ausstattung und Ausbildung angeht.1 In diesem Teil der Fortsetzungsreihe stehen die Corona-Schutzverordnungen und die damit verbundenen Herausforderungen bei der Durchsetzung von Maßnahmen im Vordergrund.

Zweifelsfrei gehen mit dieser Aufgabe höchste Anforderungen an die Mitarbeitenden einher. Nach der kurzen Reflexion der Ausgangslage kommunaler Ordnungsdienste (unter II) folgt im Hauptteil dieses Artikels die Skizzierung der Herausforderungen (unter III) selbst. Die Betrachtung schließt (im Teil IV) nach einem kurzen Fazit mit der Formulierung von Empfehlungen ab.

1. Ausgangslage der kommunalen Ordnungsdienste

Öffentliche Sicherheit und Ordnung werden auf kommunaler Ebene seit geraumer Zeit nicht mehr allein durch die Polizei gewährleistet. Diese Tatsache, so ist es z. B. im Abschlussbericht der Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“ zu lesen, wird mittlerweile auch gesellschaftlich und politisch anerkannt.2 Die von einem gesamtgesellschaftlichen und politischen Diskurs begleitete interne Aufgabenkritik der Polizei führte in der Vergangenheit zu einem Strategiewechsel in der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung und im Folgenden dazu, dass Kommunen ihre originäre Zuständigkeit in der Gefahrenabwehr vermehrt selbst wahrnehmen.3 Seit Ende der Neunzigerjahre wurden kommunale Ordnungsdienste in Städten und Gemeinden etabliert, um präventive und repressive Aufgaben der Gefahrenabwehr, die Überprüfung von rechtlichen Vorgaben sowie die Ahndung von ordnungswidrigen Rechtsverstößen autark zu bewältigen. Aus den besonderen Rahmenbedingungen des Berufs, u. a. durch Schichtarbeit, hohe Erwartungen an Präsenz und Erreichbarkeit sowie die Tätigkeit in Konfliktbereichen, resultieren vielschichtige Belastungssituationen.


Die Anforderungen an Mitarbeitende sind nicht gering, da für die Tätigkeit rechtliches Fachwissen, soziale Kompetenzen und die Beherrschung körperlicher Eingriffstechniken unabdingbar sind. Der Arbeitsbereich ist geprägt von Personalmangel in einem heterogenen Lagebild, was die Qualifikation der Beschäftigten angeht. Die personellen und materiellen Ressourcen kommunaler Ordnungsdienste in NRW variieren stark und sind vor dem Hintergrund der kommunalen Selbstverwaltung von der jeweiligen Personalpolitik und Finanzlage der Städte und Gemeinden abhängig. Im Entwicklungsprozess der kommunalen Ordnungsdienste sind vielfältige Aspekte zu berücksichtigen. Was NRW betrifft, wird die Stärkung mit dem Ziel einheitlicher Qualitätsstandards in Strukturen, Ausbildung und Ausstattung spätestens mit dem Landtagsbeschluss „Auch die kommunale Sicherheitsverantwortung macht unser Land sicherer‟4 im Juni 2020 landesweit forciert. Nicht zuletzt haben die Aufgaben in der aktuellen Krisenbewältigung den Fokus auf die kommunalen Ordnungsdienste gelenkt und den bereits laufenden Prozess damit vorangetrieben.

2. Herausforderungen in der Corona-Krise

Die Corona-Krise beeinflusst die Arbeit in den Kommunen durch eine Vielzahl neuer und zusätzlicher Aufgaben. Insbesondere kommunale Ordnungs- und Gesundheitsämter sind hinsichtlich der Aufgabenmehrung besonders stark in ihrer Tätigkeit betroffen und nehmen damit eine Schlüsselrolle in der Pandemie-Bewältigung ein. Einer aktuellen Studie zu den Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst zufolge gibt jeder zweite Beschäftigte auf kommunaler Ebene an, dass die Arbeitsbelastung in der Corona-Pandemie höher bzw. wesentlich höher ist.5 Mithin hat die Corona-Krise den Arbeitsalltag kommunaler Ordnungsdienste von Beginn an signifikant beeinflusst und damit in einem noch nie dagewesenen Ausmaß verändert. Es liegt auf der Hand, dass der unvorhergesehene Aufgabenzuwachs und die daraus resultierenden Erwartungen vielschichtige Herausforderungen für kommunale Ordnungsdienste mit sich bringen. Diese müssen situativ von einem Personalkörper bewältigt werden, der in Größe und Ausstattung hierfür nicht ausreicht. Vor dem Hintergrund fordert der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen wiederholt personelle und finanzielle Unterstützung durch Bund und Land, wonach das Arbeiten im Ausnahmezustand nicht zur Regel werden dürfe.6

Die seit März 2020 andauernde Pandemie ist durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet, was die wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse, aber auch die strategischen und rechtlichen Entscheidungen betrifft. Dabei sind die Kontroll- und Überwachungsaufgaben der kommunalen Ordnungsdienste vielfältig, da die Maßnahmen einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess unterliegen. Es müssen Quarantäneanordnungen überprüft und durchgesetzt werden oder Kontrollen der Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen sowie Infektionsschutzauflagen in verschiedenen Einrichtungen und im öffentlichen Raum durchgeführt bzw. bewältigt werden. Durch die originäre Zuständigkeit für die Einhaltung der Schutzmaßnahmen aus der Corona–Schutzverordnung obliegt den kommunalen Ordnungsdiensten federführend die Überwachung dieser Regelungen. Mit den erforderlichen Eingriffen in Grundrechte gehen hohe fachliche Anforderungen an die Rechtssicherheit der Einsatzkräfte einher. Während die Fülle von Aufgaben und die damit verbundenen Ansprüche an kommunale Ordnungsdienste stetig zunehmen, sinkt die Akzeptanz für die einschneidenden Beschränkungen innerhalb der Bevölkerung.7 Diese Entwicklung bringt ebenso die Notwendigkeit kommunikativer und deeskalierender Kompetenzen in schwierigen Einsatzsituationen mit sich. Der vor diesem Hintergrund nicht unerwartete Anstieg von Übergriffen auf Einsatzkräfte während der Durchsetzung von Schutzmaßnahmen wird z. B. an den jüngsten Ereignissen im Zusammenhang mit Verstößen in Köln8 oder Düsseldorf9 deutlich.

In Zeiten der Corona-Pandemie ist zudem ein verändertes Protestverhalten der Bevölkerung zu beobachten. Bundesweit finden u. a. Anti-Corona-Demonstrationen der Bewegung „Querdenken“ mit teilweise hohen Teilnehmerzahlen statt. Diese stellen Polizei- und Ordnungsbehörden vor neue Herausforderungen der Zusammenarbeit, da Versammlungen grundrechtlichen Schutz genießen und dem entsprechend in den Corona-Schutzverordnungen Besonderheiten formuliert sind. Die Arbeit kommunaler Ordnungsdienste steht nicht zuletzt durch die hohe mediale Aufmerksamkeit mehr denn je im öffentlichen Fokus. Unstrittig ist, dass die omnipräsente Erwartungshaltung hinsichtlich der konsequenten Durchsetzung von Schutzmaßnahmen ein hohes Beschwerdeaufkommen verursacht und der daraus resultierende Mediendruck eine zusätzliche Belastung für kommunale Ordnungsdienste darstellt. Die Rolle der Presse und Medien, insbesondere durch Phänomene wie „Hate Speech“ und „Fake News“10 im Internet und in sozialen Medien, ist in Bezug auf die Anerkennung und das Befinden der Beschäftigten nicht zu unterschätzen und damit eine wesentliche Herausforderung in der digitalisierten Gesellschaft. Im Hinblick auf die Belastungen am Arbeitsplatz sind bei der Durchsetzung der Corona-Schutzverordnungen ferner eigene Unsicherheiten und Ängste der Mitarbeitenden zu berücksichtigen, welche die Tätigkeit mit potenziell infizierten Personen mit sich bringt. Während eine Vielzahl von Arbeitsplätzen im Rahmen der Homeoffice-Modelle pandemiebedingt und verordnungskonform in das private Umfeld verlegt werden konnte, um nicht erforderliche Kontakte in der Belegschaft und mit Kunden möglichst zu vermeiden11, besteht die Arbeit der kommunalen Ordnungsdienste im Kern aus Kontakten mit der Bevölkerung. Es ist anzunehmen, dass auch die Wahrnehmung der eigenen Gefährdung im Berufsalltag Auswirkungen auf das Befinden der Beschäftigten oder gar psychische Belastungen mit sich bringt.

3. Fazit und Ausblick

Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass kommunale Ordnungsdienste in ihrem Arbeitsalltag während der Corona-Pandemie vielschichten Herausforderungen gegenüberstehen. Klar ist auch, dass die Beschäftigten an der Belastungsgrenze arbeiten. Um diese Krisensituation mit ungewisser Dauer zu bewältigen und die kommunalen Ordnungsdienste auch perspektivisch zu stärken, sind geeignete Maßnahmen des Arbeitgebers und klare Strategien unabdingbar. Diese reichen, neben der Entwicklung eines in Anzahl, Ausbildung und Ausstattung leistungsstarken Personalkörpers über eine hochwertige Öffentlichkeitsarbeit zu Tätigkeiten und das Berufsbild kommunaler Ordnungsdienste selbst bis hin zur Sorge um körperliche und psychische Gefährdungen der Mitarbeitenden im Rahmen von Gefährdungsbeurteilungen. Um das Vorhaben landeseinheitlicher Standards zur Stärkung kommunaler Ordnungsdienste zielführend voranzutreiben, sollten die Kommunen durch die Legislative, die zuständigen Ministerien der Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände unterstützt werden.

Mit der Diskussion um einheitlich hohe Standards ist zudem die Frage nach Grenzen durch die kommunale Selbstverwaltung verbunden.12 Nicht zuletzt stehen Städte und Gemeinden mit Blick auf den Fachkräftemangel in einem Wettbewerb um Mitarbeitende. Es gilt, die Tätigkeit in kommunalen Ordnungsdiensten attraktiv zu halten und öffentlich auch als attraktiv darzustellen. Mit der Corona-Pandemie sind für die kommunalen Ordnungsdiente in NRW erhebliche Veränderungen im Arbeitsalltag einhergegangen. Damit stehen die Kommunen nicht allein da. Die mit der Pandemie verbundenen Veränderungen gesellschaftlicher Abläufe haben sowohl Einflüsse auf die gefahrenabwehrenden als auch auf die strafverfolgenden Aufgaben der Polizeibehörden. Der nächste Artikel der Reihe „Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert“ setzt sich mit der Verschiebung von Aufgaben bei den NRW-Polizeibehörden auseinander.

 

Erschienen in apf Heft 3 2021

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

 

1 Vgl. Opielka & Breuer, 2020.

2 Vgl. Staatskanzlei des Landes NRW, 2020.

3 Nähere Ausführungen zur Zuständigkeitsabgrenzung siehe den ersten Beitrag „Originäre und subsidiäre Zuständigkeit in Pandemielagen“ aus der 6-teiligen Reihe „Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert“ in apf 2/2021, 37 ff.

4 Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP, Drs. 17/9820, im Landtag angenommen am 25.06.2020.

5 Vgl. Next:Public, 2020.

6 Vgl. StGB NRW, 2020.

7 Vgl. z. B. Rees, Papendick, Rees, Wäschle & Zick, 2020 zur Akzeptanz von Einschränkungen.

8 Kölnische Rundschau (2020): Bei Masken-Kontrolle auf Hohe Straße: Kölner Ordnungsamt massiv attackiert. Artikel vom 26.11.2020. Online unter https://www.rundschau-online.de/region/koeln/beimasken-kontrolle-auf-hohe-strasse-koelner-ordnungsamt-massivattackiert-37746472.

9 RP Online (2020): Randale in Düsseldorf. 50 Jugendliche attackieren Polizeiauto nach einer Festnahme in Düsseldorfer Altstadt. Artikel vom 06.12.2020. Online unter https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/blaulicht/duesseldorf-altstadt-100-junge-leute-geraten-mit-polizeianeinander_aid-55033745.

10 Zu der Erläuterung der Begriffe siehe Aumann & Opielka, 2021.

11 Vgl. § 1 Abs. 4 Coronaschutzverordnung i. d. F. vom 07.01.2021; SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) des BMAS vom 21.01.2021.

12 Vgl. hierzu vertiefend Bätge, 2020.

 

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Die Serie: Wie die Corona-Krise Aufgaben und Rollen der Sicherheitsakteure in unserer Gesellschaft verändert

 

 

 

Susanne Aumann

Fachpraktikerin in der Kommunalverwaltung, Lehrbeauftragte am Studieninstitut für kommunale Verwaltung Aachen
 

Dr. Sascha Opielka

Leiter der Fortbildungsstelle im Polizeipräsidium Aachen
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