30.03.2023

Waffenbesitz bei Reichsbürgern

Innere Einstellung ist mit dem Waffengesetz unvereinbar

Waffenbesitz bei Reichsbürgern

Innere Einstellung ist mit dem Waffengesetz unvereinbar

In einem Video wird der Betroffene von einem Sympathisanten als „Kamerad“ sowie als „Oberjustiziar vom Deutschen Reich“ bezeichnet. | © Starpics - Fotolia
In einem Video wird der Betroffene von einem Sympathisanten als „Kamerad“ sowie als „Oberjustiziar vom Deutschen Reich“ bezeichnet. | © Starpics - Fotolia

Vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes (VG) ging es um den Erlass einer richterlichen Anordnung der Durchsuchung einer Wohnung im Zusammenhang mit einer Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 Waffengesetz (WaffG). Hierbei ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Wie das VG hierzu grundsätzlich dargelegt hat, handelt es sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art i. S. d. § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die begehrte Durchsuchungsanordnung diente hier der waffenrechtlichen Sicherstellungsanordnung im aktuell noch nicht bekanntgegebenen und daher noch nicht wirksamen Bescheid vom 23.11.2021 und damit dem Vollzug eines öffentlich-rechtlichen Bescheids. § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut und seiner systematischen Stellung im Anschluss an die Regelung der sofortigen Sicherstellung in § 46 Abs. 4 Satz 1WaffG nur die Durchsuchung zum Zweck einer solchen.

Eine sofortige Sicherstellung ist die unverzügliche Wegnahme entweder zur vorübergehenden Sicherung einer Besitzuntersagung nach § 41 Abs. 1 und 2 WaffG oder bei tatsachengestützten Anhaltspunkten einer Gefahr für die Allgemeinheit zur umgehenden Beseitigung dieser Gefahr. Mit der sofortigen Sicherstellung soll daher entweder schon für die Zeit bis zur Erfüllung aller Vollzugsvoraussetzungen das Unterlaufen einer Besitzuntersagung verhindert werden oder es sollen, ohne eine Besitzuntersagung, bei tatsachengestützten Anhaltspunkten für eine missbräuchliche Waffen- und Munitionsverwendung bzw. für einen Erwerb vom Nichtberechtigten Gefahren für die Allgemeinheit umgehend unterbunden werden.


Zustellung des Antrags an den Betroffenen vor Erlass der Durchsuchungsanordnung würde deren Zweck gefährden

Da die waffenrechtliche Sicherstellung eine waffenrechtliche Grundverfügung ist, mit der der Waffenbesitzer verpflichtet wird, die Waffen herauszugeben, ist sie damit noch keine Vollstreckungsmaßnahme. Einer Zustellung des Antrags an den Betroffenen und seiner Anhörung dazu durch das VG vor Erlass der Durchsuchungsanordnung bedarf es hier mit Rücksicht auf dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ausnahmsweise nicht, da andernfalls der Zweck der Durchsuchung gefährdet würde. Rechtsgrundlage für die beantragte Durchsuchungsanordnung ist hier die spezielle bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage in § 46 Abs. 4 WaffG.

Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde Erlaubnisurkunden sowie die in § 46 Abs. 2 und 3 WaffG bezeichneten Waffen oder Munition sofort sicherstellen in Fällen eines vollziehbaren Verbots nach § 41 Abs. 1 oder 2 WaffG oder soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen. Zu diesem Zweck sind die Beauftragten der zuständigen Behörde berechtigt, die Wohnung des Betroffenen zu betreten und diese nach Urkunden, Waffen oder Munition zu durchsuchen. Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die zuständige Behörde angeordnet werden. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 GG wird insoweit eingeschränkt. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Voraussetzungen dieser Norm, hier des § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 1. Alt. WaffG, waren im hier vorliegenden Fall mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit erfüllt.

Für das Vorliegen einer Besorgnis missbräuchlicher Waffenverwendung sprechende Tatsachen müssen grundsätzlich erwiesen sein

Denn es lagen Tatsachen vor, die die Annahme einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen und/oder Munition durch den Betroffenen rechtfertigen konnten. Grundsätzlich sind für eine solche Annahme bloße Vermutungen über eine missbräuchliche Verwendung von Waffen nicht ausreichend, vielmehr müssen die für das Vorliegen einer Besorgnis missbräuchlicher Waffenverwendung sprechenden Tatsachen grundsätzlich erwiesen sein. Solche Tatsachen waren hier durch den Ermittlungsbericht des Landespolizeipräsidiums – Kriminalitätsbekämpfung – entsprechend nachgewiesen.

Danach ist der Betroffene der entsprechenden Abt. des Landespolizeipräsidiums seit Frühjahr 2021 als Anmelder von Versammlungen im Kontext der Corona-Pandemie bekannt. Die Versammlungen trugen den Titel „Saarland-Demo gem. Art. 20 Abs. 4 GG gegen die Zwangsmaßnahmen und gegen alle Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung zum Nachteil der Bevölkerung“. Darüber hinaus ist bei einem Amtsgericht gegen ihn ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung gem. § 130 Strafgesetzbuch (StGB) anhängig. In einem 22-seitigen Schreiben an die Gerichtsvollzieherin, die den Betroffenen zuvor im Rahmen einer Zwangsvollstreckungssache aufgesucht hatte, leugnete dieser die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und bezeichnet sich selbst als Reichsbürger des Deutschen Reiches gem. Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStaG) und Staatsangehöriger von Preußen.

Des Weiteren werden in dem Schreiben die Gültigkeit der Gesetze der BRD sowie das Bestehen von Beamtenverhältnissen geleugnet: „Wie im weiteren Verlauf des Schreibens beweisbar dargelegt, operieren Sie zum einen mit nicht, bzw. nicht mehr existenten Gesetzen. Sie berufen sich auf einen nicht existenten Rechtsstaat, somit ebenso auf nichtstaatliche Gerichte und auf ein nicht existentes GG. Damit treiben Sie widerwärtige, gesetzeswidrige ,Spiele‘ der übelsten Sorte mit der überwiegend unbedarften, jedoch unschuldigen Bevölkerung auf dem Hoheitsgebiet des souveränen Deutschen Reiches! Dass wir als Staatsangehörige von Preußen sowie der weiteren Bundesstaaten des Deutschen Reiches täglich immer mehr werden, dürfte auch der BRiD-Simulation, somit auch Ihnen und Ihren sog. ,Kollegen‘, nicht mehr entgangen sein. Wir, als Staatsangehörige des Freistaats Preußen und damit Reichs- und Staatsangehörige des einzig legitimen und souveränen Deutschen Reiches, können also eine solch unwahre Fiktion wie diese ,Bundesrepublik Deutschland‘ nicht einmal als souveränen Rechtsstaat ablehnen, da diese ,Bundesrepublik Deutschland‘ als unabhängiger, souveräner Rechtsstaat weder in der Vergangenheit also ab Beginn der Jahre 1949 als solcher existierte, noch gegenwärtig existent ist.

Eine Rücksprache des Landespolizeipräsidiums mit dem Ordnungsamt des Wohnorts des Betroffenen ergab, dass er dort ebenfalls mit einigen „Reichsbürgerschreiben“ in Erscheinung getreten sei und sich aggressiv über die zu diesem Zeitpunkt geltenden Corona-Maßnahmen aufgeregt habe und auch bereits des Rathauses verwiesen werden musste.

Betroffener wurde in einem Video gezeigt

Außerdem ist ein Video bekannt, das von einem bekannten Sympathisanten der Reichsbürgerszene in den Messenger „Telegram“ hochgeladen wurde. In diesem Video wird der Betroffene von diesem als „Kameraden“ sowie als „Oberjustiziar vom Deutschen Reich“ bezeichnet. Der Betroffene sowie drei weitere Personen sitzen in diesem Video vor einer Wand, an der eine Flagge in schwarz-weiß-roter Farbgebung mit einem Reichsadler angebracht ist, ähnlich der Reichsflagge des Deutschen Reiches von 1933– 1935. (…)

Eine solche Einstellung ist mit dem Besitz von Waffen, insbesondere Schusswaffen, unvereinbar. Nach der Mitteilung des Schützenvereins, dessen Mitglied der Betroffene ist und über den das Bedürfnis nach § 14 WaffG bei Antragstellung begründet wurde, hat er außerdem seit langer Zeit den Schießsport nicht mehr ausgeübt.

Durchsuchungsanordnung war insgesamt geeignet, erforderlich und angemessen

Damit lagen Tatsachen vor, die die Annahme einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen und/oder Munition durch den Betroffenen rechtfertigen. An den Grad der Wahrscheinlichkeit, ob ein befürchteter Schaden eintreten wird, sind insoweit keine sehr hohen Anforderungen zu stellen, weil der von einer missbräuchlichen Schusswaffenverwendung drohende Schaden sehr groß und folgenschwer sein kann.

Mit der vorherigen Bekanntgabe des im Bescheid der Waffenbehörde ausgesprochenen, auf fehlende Zuverlässigkeit des Antragsgegners gestützten, gem. § 45 Abs. 5WaffG sofort vollziehbaren Widerrufs der Waffenbesitzkarten, in der die in der Beschlussformel genannten Waffen bezeichnet sind, ist auch dem Wortlaut des § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG Genüge getan, dass es sich bei den sicherzustellenden Urkunden, Waffen und Munition um solche i. S. d. § 46 Abs. 2 WaffG handelt und dass der Betroffene nicht mehr zum Besitz dieser Gegenstände berechtigt ist. Der auf Grundlage des § 45 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 5WaffG verfügte und sofort vollziehbare Widerruf der Waffenbesitzkarten ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.

Denn der Inhaber von Waffenbesitzkarten besitzt aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der sog. „Reichsbürger“ nicht mehr die waffenrechtliche Zuverlässigkeit i. S. d § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Vor dem Hintergrund der durch die mögliche missbräuchliche Verwendung drohenden Gefahr war die von der Waffenbehörde beantragte Durchsuchungsanordnung auch verhältnismäßig. Sie war insgesamt geeignet, erforderlich und angemessen.

Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 06.12.2021 – 5 O 1557/21.

 

Entnommen aus Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz, 4/2023, Rn. 39.

 
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