31.03.2023

Kostenverteilung bei coronabedingter Vertragsstörung

Urteil des Bundesgerichtshofs (Teil 1)

Kostenverteilung bei coronabedingter Vertragsstörung

Urteil des Bundesgerichtshofs (Teil 1)

Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bzgl. der Mietsache. | © Danny - stock.adobe.com
Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bzgl. der Mietsache. | © Danny - stock.adobe.com

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits entschieden, dass eine Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, keinen Mangel der Mietsache darstellt. Im Nachgang hierzu hatte er nunmehr darüber zu befinden,[1] ob Gleiches gilt, wenn aus diesem Grund in Räumlichkeiten, die von Privatpersonen bei einem gewerblichen Anbieter angemietet wurden, eine dort geplante Veranstaltung nicht stattfinden konnte. Konkret ging es darum, ob Paare, deren Hochzeitsfeier wegen der Coronamaßnahmen geplatzt ist, die Miete für die angemieteten Räumlichkeiten voll zahlen müssen.

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Das klagende Ehepaar, das am 11.12.2018 standesamtlich geheiratet hatte, mietete bei der Beklagten (gewerblicher Anbieter) für eine am 01.05.2020 geplante Hochzeitsfeier mit rd. 70 Personen Räumlichkeiten an. Nachdem die Vertragsverhandlungen zunächst mündlich geführt worden waren, übersandte der beklagte Vermieter dem Paar eine auf den 05.04.2019 datierte Rechnung über die vereinbarte Miete von 2 600 €, die von dem Ehepaar bezahlt wurde. Die geplante Hochzeitsfeier konnte nicht durchgeführt werden, weil aufgrund der einschlägigen Corona-Schutzverordnung des Landes[2] Veranstaltungen sowie Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen untersagt wurden. Mit Schreiben vom 24.04.2020 bat das Paar um Rückzahlung der bereits gezahlten Miete und erklärten gleichzeitig, dass sie vom Vertrag zurücktreten. Dies lehnte der beklagte Vermieter ab und wies darauf hin, dass sie dem Ehepaar bereits am 23.03.2020 unter Angabe von Alternativterminen angeboten habe, die Hochzeit zu verschieben. Das Amtsgericht (AG)[3] wies die auf Rückzahlung der vollen Miete gerichtete Klage ab. Auf die Berufung des Paares hin änderte das Landgericht (LG)[4] das Urteil ab und verurteilte die Vermieterin unter Abweisung der Klage im Übrigen, an das Ehepaar 1 300 € nebst Zinsen zu zahlen. Dagegen legte die Vermieterin Revision und das Ehepaar Anschlussrevision ein.

Die Revision der Vermieterin vor dem BGH hatte Erfolg. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und stellte die erstinstanzliche Entscheidung wieder her. Die Anschlussrevision des Ehepaares wies er zurück.


II. Problemstellung

Konkret im Streit stand, ob die Einschränkungen durch die verhängten Maßnahmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie zu einer Unmöglichkeit i. S. v. §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geführt hatten.

Gerade diese Rechtsfolge hatte das Ehepaar im Sinn, wenn sie argumentierten, dem Vermieter sei es wegen des zum Zeitpunkt der geplanten Hochzeitsfeier geltenden Veranstaltungsverbots und der angeordneten Kontaktbeschränkungen rechtlich unmöglich, dem Paar den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren. Daraus leitete das klagende Paar Folgendes ab:

  • Ihnen stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Miete zu, denn sie seien nach § 326 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit der von dem beklagten Vermieter geschuldeten Leistung (§ 275 Abs. 1 BGB) von ihrer Zahlungsverpflichtung frei geworden.
  • Zudem sei die Miete nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert. Sie seien berechtigt, den Mietvertrag gem. § 543 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB oder wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 und 3 BGB zu kündigen.
  • Schließlich stehe ihnen auch ein Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB auf eine Anpassung des Mietvertrags dahingehend zu, dass sie von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Miete vollständig oder zur Hälfte befreit sind.
  1. Rechtsnatur des Vertrages

Nach dem BGH war der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag rechtlich als Mietvertrag i. S. v. § 535 BGB zu qualifizieren.

Das Vorbringen, der Vertrag sei nicht darauf beschränkt gewesen, Räumlichkeiten zur Durchführung der Hochzeitsfeier zur Verfügung zu stellen, sondern habe auch werk- und dienstvertragliche Leistungen des Vermieters umfasst, werde von den getroffenen Feststellungen nicht gedeckt. Das LG sei aufgrund der vorgelegten Rechnung folgerichtig davon ausgegangen, dass sich der Vermieter allein zur entgeltlichen Überlassung der dort näher bezeichneten Räume verpflichtet habe und sich der Vertrag damit auf die für einen Mietvertrag kennzeichnenden Hauptleistungspflichten nach

§ 535 Abs. 1 BGB beschränkte. Tragfähige Hinweise darauf, dass die Parteien zusätzlich noch eine bindende vertragliche Abrede über weitere von dem Vermieter zu erbringende Leistungen für die geplante Hochzeitsfeier getroffen haben, bestünden nicht.

  1. Befreiung von der Verpflichtung zur Mietzahlung

Im Streit stand, ob das Ehepaar gem. §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB von ihrer Verpflichtung zur Mietzahlung befreit sind. Nach § 326 Abs. 5 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten, falls der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB die geschuldete Leistung nicht erbringen muss. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

Diese Voraussetzung für das Rücktrittsrecht aus § 326 Abs. 5 BGB war hier aus Sicht des BGH aber nicht erfüllt. Denn dem Vermieter sei es trotz des zum Zeitpunkt der geplanten Hochzeitsfeier geltenden Veranstaltungsverbots und der angeordneten Kontaktbeschränkungen nicht unmöglich gewesen, dem Paar den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren. Die für den 01.05.2020 geplante Hochzeitsfeier konnte deshalb nicht in der beabsichtigten Weise stattfinden, weil nach der Landes-Corona-Schutzverordnung[5] Veranstaltungen und Versammlungen sowie Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen mit Ausnahme von Verwandten in gerader Linie, Geschwistern, Ehegatten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern sowie in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen untersagt waren. Regelungen, die eine gewerbliche Überlassung von Mieträumen an Privatpersonen untersagt hätten, enthielt die Verordnung nicht.

Da sich die Verpflichtung des Vermieters auf die Gebrauchsüberlassung der Räumlichkeiten beschränkt und sie nicht die Durchführung einer Hochzeitsfeier geschuldet hat, kann sie auch nicht als Veranstalter der geplanten Hochzeitsfeier angesehen werden.

Darüber hinaus war ihm die Leistungserbringung auch nicht im Hinblick auf eine weitere Regelung der CoronaSchVO[6] unmöglich. Danach musste zwar zum maßgeblichen Zeitpunkt auch der Betrieb von Restaurants, Gaststätten, Imbissen und anderen gastronomischen Einrichtungen eingestellt werden.

Er hatte sich jedoch nur zur Überlassung von Räumlichkeiten für die Hochzeitsfeier und nicht zur Erbringung zusätzlicher gastronomischer Leistungen verpflichtet.

Deshalb wurde die von ihm geschuldete Leistung von diesem Verbot nicht erfasst. Ihr wäre es trotz der in der CoronaSchVO enthaltenen umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie möglich gewesen, dem Ehepaar die gemieteten Räumlichkeiten zu dem vorgesehenen Zeitpunkt zu überlassen.

Dass die geplante Hochzeitsfeier nicht in der Form durchgeführt werden konnte, wie sie von dem Paar beabsichtigt war, beruhte somit auf Regelungen der CoronaSchVO, deren Adressat das klagende Ehepaar als Veranstalter der Hochzeitsfeier waren, die aber dem Vermieter die Erbringung der von ihr geschuldeten Leistung nicht unmöglich machten.

Daher könne die Frage, ob es sich bei der Anmietung von Räumlichkeiten für eine Hochzeitsfeier um ein absolutes Fixgeschäft handelte, bei dem die Nichteinhaltung der Leistungszeit die Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung begründet[7], im vorliegenden Fall dahinstehen.

  1. Mietminderung

Im Streit stand, ob der Umstand, dass aufgrund verschiedener Regelungen in der zum Zeitpunkt des vereinbarten Termins geltenden CoronaSchVO, die Durchführung einer Hochzeitsfeier mit der geplanten Bewirtung von Personen nicht zulässig war, zu einem Mangel des Mietgegenstands geführt hat.

Der BGH hat bereits entschieden, dass eine Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Pandemie erfolgt, keinen Mangel der Mietsache i. S. v. § 536 Abs. 1 BGB darstellt[8]. Er hatte nunmehr zu entscheiden, ob Gleiches gilt, wenn aus diesem Grund in Räumlichkeiten, die von Privatpersonen bei einem gewerblichen Anbieter angemietet wurden, eine dort geplante Veranstaltung nicht stattfinden konnte.

Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann dies zwar einen Mangel i. S. v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen.

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht.

Danach führten die angeordneten Kontaktbeschränkungen und das Veranstaltungsverbot[9] nicht zu einem Mangel der Mietsache i. S. v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die damit zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruhte, sondern daran anknüpfte, dass Veranstaltungen und der damit verbundene enge Kontakt zwischen Menschen die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus begünstigt und dies aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte. Durch die CoronaSchVO wurde jedoch weder dem Paar die Nutzung der angemieteten Räume noch dem Vermieter tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher trotz der Regelungen in der CoronaSchVO, die die Durchführung der geplanten Hochzeitsfeier untersagten, weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung.

Das Vorliegen eines Mangels i. S. v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich nach dem BGH „auch nicht aus dem im vorliegenden Fall vereinbarten Mietzweck“. Denn ohne besondere Umstände, die hier nicht vorgetragen wurden, gehören nur rechtliche Umstände, die die körperliche Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache betreffen oder Einfluss auf sie haben, zu der vom Vermieter geschuldeten Leistung.

Für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich aus sonstigen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, hat der Vermieter hingegen – ohne eine anderslautende Vereinbarung – nicht einzustehen.

Ein redlicher Mieter darf daher das Leistungsversprechen seines Vermieters im Zweifel nicht dahin verstehen, dieser wolle ihm die vereinbarte Nutzung unter allen erdenklichen Umständen gewährleisten. Deshalb konnte das Ehepaar nicht davon ausgehen, dass der Vermieter mit der Vereinbarung des konkreten Mietzwecks eine unbedingte Einstandspflicht auch für den Fall eines hoheitlich angeordneten Verbots von Veranstaltungen zur Bekämpfung einer Pandemie übernehmen wollte[10].

Dieser Beitrag wird fortgesetzt.

 

Entnommen aus der Apf 2023/01, S. 27.

[1] BGH, Urt. v. 02.03.2022 – XII ZR 36/21

[2] §§ 11, 12 der Verordnung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-Cov-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 22.03.2020 (GV. NRW. S. 178a), in der ab dem 20.04.2020 gültigen Fassung (hierzu VO vom 16.04.2020, GV. NRW. S. 221a–242a).

[3] AG Gelsenkirchen, Urt. v. 09.11.2020 – 409 C 215/20.

[4] LG Essen, Urt. v. 16.03.2021 – 15 S 164/20.

[5] § 11 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW in der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Fassung.

[6] Vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO.

[7] Vgl. BGH Urt. v. 28.05.2009 – Xa ZR 113/08.

[8] BGH, Urt. v. 12.01.2022 – XII ZR 8/21.

[9] §§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 1 CoronaSchVO.

[10] Erneut BGH, Urt. v. 12.01.2022 – XII ZR 8/21.

 

Dr. Udo Dirnaichner

Ministerialrat, Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
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