27.03.2023

Das Recht auf Wohnen (Art. 106 Abs. 1 BV)

Überkommener Sozialismus oder aktuelle Antwort auf eine „soziale Frage unserer Zeit“?

Das Recht auf Wohnen (Art. 106 Abs. 1 BV)

Überkommener Sozialismus oder aktuelle Antwort auf eine „soziale Frage unserer Zeit“?

Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV

Wohnraummangel in Ballungsgebieten, stark ansteigende Mieten, große Bestände von Wohnungen in den Händen börsennotierter Unternehmen etc. polarisieren gegenwärtig unsere Gesellschaft. Wohnen ist eine der drängenden „soziale[n] Frage[n] unserer Zeit“.[1] In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder die Forderung erhoben, ein Recht auf Wohnen in das Grundgesetz aufzunehmen. Dahingehend äußerte sich beispielsweise im Jahr 2019 der Deutsche Mieterbund[2]; auf der politischen Seite warben Bündnis 90/Die Grünen[3] und Die Linke[4] im Bundestagswahlkampf 2021 dafür, dass sie sich für die Einführung eines „Rechts auf Wohnen“ in das Grundgesetz einsetzen.

Die Idee, die Thematik auf die verfassungsrechtliche Ebene zu heben, ist keineswegs neu. Eine Aufnahme sozialer Verfassungsbestimmungen in das Grundgesetz,[5] darunter auch eines „Rechts auf Wohnen“, stand immer wieder im Raum.[6] Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass einige Landesverfassungen bereits ein Recht auf Wohnen kennen. Bereits seit dem Jahr 1946 findet sich ein „Recht auf eine angemessene Wohnung“ in Art. 106 Abs. 1 BV. Eine umfassende Untersuchung aus der Perspektive der Bayerischen Verfassung birgt daher das Potenzial, über die Frage nach der Rechtsnatur des Art. 106 Abs. 1 BV hinaus  allgemein – und damit auch für das Grundgesetz – zu klären, welche verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten es für eine soziale Verfassungsbestimmung zum Lebensbereich Wohnen gibt.

1. Ausgestaltungsmöglichkeiten

Die Debatte über die Einführung einer sozialen Verfassungsbestimmung zum Lebensbereich Wohnen wird meist unter dem Schlagwort „Recht auf Wohnen“ geführt. Dies impliziert ein Verständnis als originäres Leistungsrecht. Jedoch sind auch andere Ausgestaltungen denkbar. Es soll daher gezeigt werden, welche Auswirkungen ein verfassungsrechtlicher Programmsatz (1.1), ein originäres Leistungsrecht (1.2), eine Staatszielbestimmung (1.3) und eine institutionelle Garantie (1.4) jeweils entfalten.


1.1. Verfassungsrechtlicher Programmsatz

Charakteristisch für einen Programmsatz ist nach heutigem Verständnis, dass er rechtlich unverbindlich ist, das heißt weder subjektiv-rechtlichen noch objektiv-rechtlichen Gehalt besitzt und reinen Empfehlungscharakter hat.[7] Hingegen verstand die Weimarer Staatsrechtslehre unter einem Programmsatz lediglich, dass eine Verfassungsnorm nicht unmittelbar anwendbar, sondern ausgestaltungsbedürftig ist.[8]

Den Bedeutungsgehalt der rechtlichen Unverbindlichkeit hat der Begriff des Programmsatzes erst im Rahmen der Ausdifferenzierung der objektiv-rechtlichen Normkategorien in der Staatsrechtslehre der Bundesrepublik erhalten.[9] Da dem Grundgesetz die Rechtsverbindlichkeit aller dort niedergelegten Normen als Verfassungsverständnis zugrunde liegt,[10] sollte von einer Aufnahme politischer Programme in Form von rechtlich unverbindlichen Normen abgesehen werden.[11] Das gilt auch für eine soziale Verfassungsbestimmung für den Lebensbereich Wohnen.

1.2. Originäres Leistungsrecht

Die Frage nach dem Gehalt eines originären Leistungsrechts auf Wohnen soll anhand und in Abgrenzung zum Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum bestimmt werden. Denn beide Rechte weisen dieselbe Stoßrichtung auf, indem sie auf die verfassungsrechtliche Absicherung menschlicher Grundbedürfnisse zielen. Ein eigenständiges Recht auf Wohnen würde daher nur dann eine verfassungsrechtliche Relevanz als originäres Leistungsrecht entfalten, wenn dessen Anspruchsinhalt über den des Existenzminimums hinausginge.[12]

Das originäre Leistungsrecht auf Wohnen soll hierzu zum einen mit dem Existenzminimum im Allgemeinen (1.2.1) und zum anderen mit dessen spezieller Ausprägung als Anspruch auf die Zurverfügungstellung eines Obdachs (1.2.2) verglichen werden.

1.2.1. Unterschiedliche Anspruchsziele: finanzielle Unterstützung und Zugang zu Wohnungen

In seiner Entscheidung zum Hartz-IV-Regelsatz hat das Bundesverfassungsgericht neben der Herleitung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch die Maßstäbe des Anspruchsumfangs festgelegt, die sich unmittelbar aus der Verfassung ergeben und damit einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber vorausliegen.[13] Der für die physische Existenz notwendige Bedarf umfasst unter anderem die Position „Unterkunft“.[14] Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber allerdings einen weiten Gestaltungsspielraum ein, indem es seine Entscheidung bleibt, „[o]b er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichert“.[15]

Verfassungsrechtlich ist es also nicht erforderlich, dass eine Wohnung als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird. Entsprechend hat der Gesetzgeber den Bedarf Unterkunft in § 22 SGB II als Gewährleistung lediglich finanzieller Mittel ausgestaltet. Der Unterschied zwischen dem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum und dem Recht auf Wohnen liegt also nicht im Anspruchsumfang im Sinn eines abgestuften Bedarfs, sondern in den unterschiedlichen Zielrichtungen der Ansprüche.

1.2.2. Unterschiedlicher Anspruchsumfang: „Obdach“ und „angemessene Wohnung“

Die unmittelbare Vermittlung einer Unterkunft ist dagegen nur auf unterster Schwelle als Schutz vor Obdachlosigkeit vom Existenzminimum umfasst.[16] Unterschiede zwischen dem Existenzminimum und einem Recht auf Wohnen bestehen in diesem Fall im Anspruchsumfang: Im Gegensatz zum „Obdach“ kennzeichnet den Begriff der „Wohnung“ oder des „Wohnraums“ ein Element der Dauerhaftigkeit.[17] Das wirkt sich insofern auf den Anspruchsumfang aus, als auch hier zwar die Menschenwürdegarantie maßgeblich ist,[18] die aus dieser resultierenden Anforderungen bei vorübergehenden Zuständen aber gegenüber dauerhaften Zuständen abgesenkt sind.[19]

Im konkreten Zusammenhang lassen sich die Anforderungen an die Unterbringung daher nicht mit denjenigen an normale Wohnungen vergleichen.[20] Das wird deutlich, wenn man die Rechtsprechung zu den Anforderungen an menschenwürdige Unterkünfte mit den Maßstäben für den Bedarf Wohnung im Sozialhilferecht vergleicht: Im Fall des Obdachs wird der „Schutz vor den Unbilden des Wetters“ und die Befriedigung der „notwendigsten Lebensbedürfnisse“ in den Vordergrund gestellt.[21] Die sich daraus ergebenden Anforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft sind minimal: Eine Unterkunft muss Schlafmöglichkeiten bieten.

Allerdings kann dies in Form von gemeinschaftlichen Räumen erfolgen,[22] solange der Eigentumsschutz in anderer Weise gewährleistet werden kann, etwa durch abschließbare Behältnisse.[23] Des Weiteren müssen Waschgelegenheiten zur Verfügung stehen. Der Einbau einer Dusche oder eines Bades kann aber nicht verlangt werden.[24] Außerdem muss eine Unterkunft den ganzen Tag zur Verfügung stehen,[25] allerdings nicht ein und dieselbe. Ein Wechsel zwischen verschiedenen Unterkünften und auch ein hierzu zurückzulegender Fußweg bis zu einer gewissen Länge sind zumutbar.[26] Um den Gehalt eines originären Leistungsrechts auf Wohnen zu bestimmen, kann man sich aufgrund der dem Wohnen inhärenten Dauerhaftigkeit hingegen an den für § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II entwickelten Maßstäben orientieren, durch die der Bedarf Unterkunft als Teil des Existenzminimums näher konkretisiert wird.[27]

Zwar lässt sich von der einfachrechtlichen Ausgestaltung nicht auf den verfassungsrechtlichen Gehalt schließen. Da die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum allerdings eine hohe Kontrolldichte aufweisen, kann in diesem Fall durch den Rückgriff auf das einfache Recht der Gehalt eines Rechts auf Wohnen zumindest näherungsweise bestimmt werden. Obwohl § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wie bereits erläutert, auf die Übernahme der Wohnkosten und damit eine Geldleistung abzielt, kann man die Vorschrift dennoch für eine nähere Bestimmung des Anspruchsumfangs eines Rechts auf Wohnen heranziehen. Denn die Grundlage für die finanzielle Zuwendung ist die „Angemessenheit“ der Wohnung, sodass der Gesetzgeber dort die Mindestanforderungen an eine dauerhafte Unterkunft für eine staatliche Kostenübernahme zugrunde legt.

Zur Bestimmung der Angemessenheit im Rahmen von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Wohnungsgröße und Wohnungsstandard herangezogen. Für die Wohnungsgröße wiederum sind die im sozialen Mietwohnungsbau anerkannten Größen maßgeblich.[28] Für Bayern ergibt sich aus Art. 12 BayWoFG, der ebenfalls nur auf die „Angemessenheit“ abstellt, eine Wohnungsgröße von 45 bis 50 m2 für eine Person.[29] Die Daten für andere Bundesländer sind vergleichbar.[30] Für den Wohnungsstandard ist „ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad“ anzusetzen.[31]

Ein originäres Leistungsrecht auf Wohnen ginge also über die Bereitstellung einer Notunterkunft hinaus. Stattdessen könnte eine „angemessene Wohnung“ als Sachleistung verlangt werden, wobei die Angemessenheit in Anlehnung an die für § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II entwickelten Maßstäbe zu beurteilen wäre.

1.3. Staatszielbestimmung

Denkbar ist auch eine Ausgestaltung einer sozialen Verfassungsbestimmung zum Lebensbereich Wohnen in Form einer Staatszielbestimmung. Staatszielbestimmungen verpflichten als objektives Recht die Staatsgewalt, fortlaufend Maßnahmen zur Verwirklichung oder Annäherung an den Verpflichtungsgegenstand zu ergreifen.[32] Im Fall einer Staatszielbestimmung für den Bereich Wohnen ist dieser Gegenstand kongruent mit dem Anspruchsziel und -umfang eines originäres Leistungsrechts.

Jedoch ändert sich der Verpflichtungsinhalt: Da eine Staatszielbestimmung zum Lebensbereich Wohnen ein permanentes, also nicht perfektibles Ziel ausweist, wird der Staat im Gegensatz zum originären Leistungsrecht nicht zur vollständigen Erfüllung, sondern zu einer asymptotischen Annäherung an den Gegenstand verpflichtet.[33] Konkret muss die Staatsgewalt durch Maßnahmen darauf hinwirken, einen Zustand zu erreichen, in dem jeder in Deutschland lebenden Person Wohnraum nach Maßstäben, die denen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ähneln, zur Verfügung steht. Auch wenn sich Staatszielbestimmungen im Gegensatz zu Gesetzgebungsaufträgen an alle drei Staatsgewalten richten,[34] kommt dennoch dem Gesetzgeber eine zentrale Rolle zu. Gegenüber dem Gesetzgeber enthält eine Staatszielbestimmung die Verpflichtung, sich mit dem Gegenstand zu befassen[35]. Politische Befassung beinhaltet zunächst, das Staatsziel zu konkretisieren und Zielkonflikte zu lösen, die sich zwangsläufig aus der großen Anzahl an Grundrechten und Staatszielbestimmungen ergeben.[36]

Allerdings ist eine politische Befassung ergebnisoffen, weil aus der Befassungspflicht grundsätzlich keine Handlungspflicht folgt.[37] Eine Handlungspflicht aus der Staatszielbestimmung heraus entsteht in Anknüpfung an die Schutzpflichtenlehre erst dann, wenn die gegenwärtige Rechts- und Sachlage offensichtlich unzureichend ist.[38] Darin zeigt sich auch der Unterschied in der Justiziabilität von Leistungsrechten und Staatszielbestimmungen: Während Leistungsrechte, sobald sich der Kläger auf sie berufen kann, als Kausalnormen zu konkretem Handeln in Richtung auf die Erfüllung des Anspruchs unter dem Vorbehalt des Möglichen verpflichten, erfordern Staatszielbestimmungen als Finalnormen „nur“ eine zielorientierte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem verfassungsrechtlichen Handlungsauftrag. Zwar hat der Gesetzgeber in beiden Fällen einen weiten Einschätzungsspielraum.[39]

Jedoch besteht ein kategorialer Unterschied: Der Einschätzungsspielraum konkretisiert sich bei Leistungsgrundrechten nur in Gestalt eines „Auswahlermessens“, während er bei Staatszielbestimmungen grundsätzlich in einem „Entschließungsermessen“ besteht.[40] Darüber hinaus stellen Staatszielbestimmungen dem Staat und insbesondere dem Gesetzgeber die Wahl der Mittel grundsätzlich frei.[41] Jedoch kann in der Verfassung statt einer einfachen Staatszielbestimmung auch eine qualifizierte Staatszielbestimmung vorgesehen sein, etwa in der Form der formellen Qualifizierung, bei der durch die Verfassung eine bestimmte Handlungsform vorgegeben wird.[42] Solche formell qualifizierten Staatszielbestimmungen für den Lebensbereich Wohnen finden sich etwa in Art. 17 Abs. 2 Satz 2 Verf MV, Art. 40 Abs. 1 Verf LSA und Art. 15 Satz 2 ThürVerf.

Wie Staatszielbestimmungen im Allgemeinen den Vorrang der dort bestimmten Aufgaben gegenüber anderen Staatsaufgaben begründen, führt die formelle Qualifizierung einer Staatszielbestimmung wiederum zum Vorrang der dort bestimmten Handlungsform gegenüber anderen.[43] Das bedeutet für den Fall der oben genannten Vorschriften, dass sich die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sowie der Freistaat Thüringen zur Erreichung des Staatsziels Wohnraumversorgung des Mittels der Wohnungsbauförderung bedienen müssen. Darüber hinaus bleibt ihnen aber die Entscheidung, ob und welche weiteren Mittel sie ergreifen, grundsätzlich freigestellt.

(…)

3. Fazit

Das Recht auf Wohnen (Art. 106 Abs. 1 BV) ist eine institutionelle Garantie, mit der die Bayerische Verfassung eine zukunftsgerichtete Antwort auf eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit gibt. Neben den für soziale Verfassungsbestimmungen üblicherweise in Betracht gezogenen Normkategorien des originären Leistungsrechts und der Staatszielbestimmung eröffnen sich aus einer progressiv-dynamischen Konzeption der institutionellen Garantie neue Möglichkeiten für die verfassungsrechtliche Entfaltung des Rechts auf Wohnen.

Die institutionelle Garantie kann das Verfassungsrecht dynamisieren, ohne es zugleich strukturell zu überfordern. Vor diesem Hintergrund sollte die Diskussion um eine soziale Verfassungsbestimmung zum Lebensbereich Wohnen sowohl auf der Ebene des Grundgesetzes als auch auf der Ebene der Bayerischen Verfassung nicht nur zweidimensional, sondern differenzierter geführt werden: Für das Grundgesetz ist nicht nur entweder die Einführung eines Rechts auf Wohnen im Sinn eines originären Leistungsrechts oder das Scheitern eines solchen Vorhabens denkbar.

Die Auslegung des Art. 106 Abs. 1 BV beschränkt sich nicht auf die Auslegungsmöglichkeiten entweder als originäres Leistungsrecht oder als Programmsatz. Stattdessen sollte im Rahmen der Diskussion um die Einführung einer sozialen Verfassungsbestimmung zum Lebensbereich Wohnen in das Grundgesetz neben anderen Optionen auch die Ausgestaltung als progressiv-dynamisch verstandene institutionelle Garantie berücksichtigt werden. In Bezug auf die Bayerische Verfassung ist eine Auslegung des Art. 106 Abs. 1 BV als institutionelle Garantie sogar vorzugswürdig, da diese dem Wortlaut und dem Interpretationsgrundsatz der normativen Kraft der Verfassung am besten gerecht wird.

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in den Bayerischen Verwaltungsblättern, 20/2022, S. 696.

[1] Katarina Barley, zit. nach: Die Zeit Nr. 36/2018, S. 24, abrufbar unter: www.zeit.de/2018/36/katarina-barley-verbraucherschutz-immobilienmiete-loehne/komplettansicht, zuletzt abgerufen am 30.05.2022.

[2] www.mieterbund.de/presse/pressemeldung-detailansicht/article/50184-wohnungsnot-und-steigende-mieten-bundesregierung-muss-endlichhandeln.html, zuletzt abgerufen am 30.05.2022.

[3] Bündnis 90/Die Grünen, Deutschland. Alles ist drin. Bundestagswahlprogramm 2021, https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wahlprogramm- DIE-GRUENEN-Bundestagswahl-2021_barrierefrei.pdf, S. 130, zuletzt abgerufen am 30.05.2022. Im Koalitionsvertrag wurde diese Forderung nicht aufgenommen. Stattdessen findet sich dort die Kompromissformel: „Wohnen ist ein Grundbedürfnis und so vielfältig wie die Menschen.“, Mehr Fortschritt wagen, Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschland (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP), S. 69, www.spd.de/fileadmin/Dokumente/ Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf, zuletzt abgerufen am 30.05.2022.

[4] Die Linke, Zeit zu handeln! Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit, Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021, S. 44, https://www.Die-linke.de/fileadmin/download/wahlen2021/Wahlprogramm/DIE_LINKE_Wahlprogramm_zur_Bundestagswahl_2021.pdf, zuletzt abgerufen am 30.05.2022.

[5] Der oft an dieser Stelle gebrauchte Begriff Sammelbegriff „soziale Grundrechte“ ist irreführend, da er unabhängig von der Normkategorie verwendet wird. Zur Kritik am Begriff der „sozialen Grundrechte“ s. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, S. 1485 f. Es soll daher stattdessen von „sozialen Verfassungsbestimmungen“ die Rede sein.

[6] Harke, WuM 1990, 473.

[7] Hahn, Staatszielbestimmungen im integrierten Bundesstaat, 2010, S. 67 f. m. w. N.

[8] Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919. Kommentar, 14. Aufl. 1933, Nachdruck 1968, S. 515 f., 559 f., 695 f.; vgl. auch Thoma in Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. I, 1929, S. 1/5, 7; so noch Hoegner, Lehrbuch des bayerischen Verfassungsrechts, 1949, S. 139.

[9] Als einer der ersten wohl Kalkbrenner, DÖV 1963, 41/42 f.; vgl. auch Lerche, AöR 90 (1965), 341/346 ff.

[10] Vgl. hierzu BVerfGE 157, 30 Rn. 205 f.

[11] Dieses Problem stellt sich bei der Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz, s. hierzu Jestaedt, JAmt 2021, 358.

[12] Unabhängig davon würde ein Recht auf Wohnen stets insofern gegenüber dem Existenzminimum Relevanz entfalten, als es immer als gesonderter Belang Eingang in die Abwägung fände. Ein wirklicher Unterschied zu einer Staatszielbestimmung bestünde in diesem Fall allerdings nicht.

[13] BVerfGE 125, 175/223.

[14] Ebenda.

[15] BVerfGE 125, 175/224.

[16] Dreier in Dreier, Grundgesetz. Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 1 I Rn. 155 m. Fn. 672.

[17] OVG NW NVwZ 1993, 202; VGH BW NVwZ-RR 1995, 326.

[18] Vgl. statt vieler Ruder, NVwZ 2012, 1283/1287; BayVGH BayVBl. 1993, 569.

[19] OVG NW NVwZ 1993, 202; VGH BW NVwZ 1993, 1220; VGH BW, B.v. 02.11.1994 – 1 S 2439/94 – juris Rn. 6; mit anderer Begründung VGH BW NJW 1993, 1027.

[20] Ebenda; s. auch Jutzi, ThürVBl. 1995, 54/55.

[21] OVG NW NVwZ 1993, 202; VGH BW NVwZ 1993, 1220.

[22] Ebd.

[23] Vgl. VGH BW NVwZ 1993, 1220.

[24] VGH BW NJW 1993, 1027.

[25] OVG NW NVwZ 1993, 202; VGH BW NVwZ 1993, 1220.

[26] Ebd.

[27] Vgl. Berlit in Münder/Geiger, SGB II, 7. Aufl. 2021, § 22 Rn. 71; zur Notwendigkeit der Ausgestaltung des Existenzminimums BVerfGE 125, 175/224 f.

[28] BSGE 97, 254 Rn. 19.

[29] BayLSG, U.v. 18.01.2011 – L 8 SO 25/10 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 25.06.2015 – M 12 K 14.568 – juris Rn. 21.

[30] Luik in Eicher/Luik, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 22 Rn. 111.

[31] BSGE 97, 231 Rn. 24; s. auch BSGE 97, 254 Rn. 20; detailliert zum Vorgehen zur Bestimmung des Wohnungsstandards Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, 2009, S. 16 f.

[32] Vgl. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 355 ff.

[33] Vgl. Sommermann (Fn. 32), S. 380.

[34] Sommermann (Fn. 32), S. 362.

[35] Vgl. Sterzel, ZRP 1993, 13/16.

[36] Vgl. Sommermann (Fn. 32), S. 384; zur Konkretisierung von Staatszielbestimmungen in Form von Staatsaufgaben vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 29 f., 203.

[37] Vgl. Sommermann (Fn. 32), S. 379 f.

[38] Vgl. Sommermann (Fn. 32), S. 439 ff. Hingegen entnimmt das BVerfG Staatszielen eine grundsätzliche Handlungspflicht, BVerfGE 118, 79/110: „Art. 20a GG verpflichtet den Gesetzgeber, den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag bei der Rechtssetzung umzusetzen und geeignete Umweltschutzvorschriften zu erlassen.“.

[39] Darauf stützt sich die Annahme eines subjektiven Rechts bei Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern. Kommentar, 2. Aufl. 2017, Art. 106 Rn. 3.

[40] Vgl. Brohm, JZ 1994, 213/218.

[41] Allerdings ist auch hier wieder die Kompetenzordnung zu berücksichtigen, so dass insb. Maßnahmen des Mietrechts bzw. Mieterschutzes auf Landesebene von vorneherein herausfallen.

[42] Zu den verschiedenen Formen der Klassifizierung von Staatszielbestimmungen Sommermann (Fn. 32), S. 381 f.

[43] Vgl. Sommermann (Fn. 32), S. 382; Jutzi, ThürVBl. 1995, 25/26 f.

 

Veronika Böhm

Wiss. Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften, Ludwig-Maximilians-Universität München
n/a