15.09.2011

Neues Energierecht – Neue Chancen

Die Förderung des Klimaschutzes in Städten und Gemeinden

Neues Energierecht – Neue Chancen

Die Förderung des Klimaschutzes in Städten und Gemeinden

Das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in den Städten und Gemeinden eröffnet neue Spielräume. | © Andreas F. - Fotolia
Das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in den Städten und Gemeinden eröffnet neue Spielräume. | © Andreas F. - Fotolia

Die Politik hat die Bekämpfung des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel als dauerhafte Zukunftsaufgaben auch der Städte und Gemeinden erkannt. Im Rahmen der umfassenden Novellierung des Energierechts, die die Energiewende einleiten soll, ist unter anderem das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden verabschiedet worden (BGBl. I, 2011, S. 1509 ff.).

Das Gesetz soll zu Gunsten des Klimaschutzes gezielte Regelungen treffen, die die Praxis unterstützen und den Handlungsspielraum der Gemeinden erweitern (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6076, S. 6.). Hierzu ändert der Gesetzgeber unter anderem das BauGB (Daneben wird mit Artikel 2 die Planzeichenverordnung 1990 geändert: Für Anlagen und Einrichtungen zur Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien und Kraft-Wärme-Kopplung werden neue Planzeichen eingeführt.), um der städtebaulichen Dimension der durch den Klimawandel bedingten Herausforderungen zu entsprechen. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Neuregelungen und Änderungen vorgestellt.

Klimaschutzklausel

Der Planungsleitsatz des § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB ist neu gefasst worden und stellt jetzt zweifelsfrei klar, dass die Gemeinde berechtigt ist, im Rahmen ihrer städtebaulichen Entwicklung und Ordnung mit ihrem planungsrechtlichen Instrumentarium Klimaschutzpolitik zu betreiben. Insofern ist die Gemeinde also nicht lediglich darauf beschränkt, klimaschutzmotivierte Festsetzungen im Hinblick auf lokale bzw. regionale Besonderheiten zu treffen.


Außerdem wird die Bedeutung, die der Klimaschutz als zu berücksichtigender Belang im Rahmen der Abwägung hat, durch den in § 1a BauGB neu eingefügten Absatz 5 verdeutlicht. Demnach soll den Erfordernissen des Klimaschutzes sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden. Dieser Grundsatz ist in der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange, die bei der Aufstellung von Bauleitplänen nach § 1 Abs 7 BauGB vorzunehmen ist, zu berücksichtigen. Dem Klimaschutz wird durch diese Neuerungen ein größeres Gewicht im Rahmen der Bauleitplanung zukommen. Er kann eigene Darstellungen und Festsetzungen in allen Bauleitplänen begründen (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6076, S. 8). Bisher war lediglich anerkannt, dass Bebauungspläne Festsetzungen nach § 9 BauGB zur Vermeidung oder Minderung nachteiliger Auswirkungen auf das Klima enthalten dürften, soweit diese im Zusammenhang mit der Regelung von Bodennutzungen stehen würden (Berliner Gespräche zum Städtebaurecht, Band I: Bericht, S. 23).

Als Maßnahme zur Bekämpfung des Klimawandels kommt etwa die Schaffung planungsrechtlicher Grundlagen für die Nutzung erneuerbarer Energien oder klimafreundlicher Verkehrskonzepte in Betracht. Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel wären beispielsweise Kaltluftschneisen, die als von der Bebauung freizuhaltende Flächen festgesetzt sind (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6076, S. 8).

Darstellungsmöglichkeiten im Flächennutzungsplan

Der neu gefasste § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB regelt, dass die Ausstattung des Gemeindegebiets mit Anlagen, Einrichtungen und sonstigen Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken bzw. die der Anpassung an den Klimawandel dienen, im Flächennutzungsplan dargestellt werden kann. Auf diese Weise lassen sich die Ergebnisse der von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzepte oder sonstigen städtebaulichen Planungen im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB, die auch besondere Klimaschutz- oder Energiekonzepte beinhalten können, besser im Flächennutzungsplan verankern. Der Gesetzgeber nennt an dieser Stelle als Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels beispielhaft, aber nicht abschließend („insbesondere“) die dezentrale und zentrale Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung. Die Darstellungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB beziehen sich auf das ganze Gemeindegebiet und sind im Rahmen sonstiger städtebaulicher Maßnahmen und insbesondere auf der Ebene der Bebauungsplanung zu berücksichtigen, insbesondere durch Festsetzung entsprechender Baugebiete und Flächen für solche Einrichtungen und Anlagen (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6076, S. 8). Durch die Neufassung können die in vielen Städten und Gemeinden aktiv vorangetriebenen lokalen Konzepte zur Nutzung erneuerbarer Energien und zum Klimaschutz im Flächennutzungsplan verankert werden und damit bereits zu einem frühen Zeitpunkt auf ein tragfähiges rechtliches Fundament gestellt werden.

Festsetzungen im Bebauungsplan

Parallel und in Ergänzung zu den neuen Darstellungsmöglichkeiten im Flächennutzungsplan wird auch der Festsetzungskatalog des § 9 BauGB ergänzt. Nach des Neufassung des § 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB können im Bebauungsplan nunmehr ausdrücklich auch Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung festgesetzt werden, die damit explizit zu den Versorgungsflächen gezählt werden.

Der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 23 lit. b) BauGB ist durch dessen Neufassung erweitert worden. Bisher war nur die Festsetzung von Gebieten vorgesehen, in denen bei der Errichtung von Gebäuden bestimmte bauliche Maßnahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien getroffen werden mussten. Durch die Änderungen erstreckt sich die Norm nunmehr auch auf „sonstige bauliche Anlagen“ und gilt zusätzlich auch mit Blick auf die Kraft-Wärme-Kopplung. Außerdem wird die Diskussion, ob bauliche Maßnahmen zur Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte auch technische Maßnahmen erfassen, durch die ausdrückliche positive Klarstellung beendet. Auch diese Änderung stärkt die Gestaltungsmöglichkeiten der Städte und Gemeinden.

Städtebaulicher Vertrag

Wegen seiner relativ flexiblen Handhabung kann der städtebauliche Vertrag im Sinne des § 11 BauGB ein wichtiges Instrument bei der Gestaltung einer klimagerechten Stadtentwicklung sein. Um seine Bedeutung in diesem Zusammenhang zu unterstreichen, hat der Gesetzgeber die Norm in Absatz 1 Nr. 4 und 5 so gefasst, dass die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung sowie die energetische Qualität von Gebäuden explizit als mögliche Gegenstände eines städtebaulichen Vertrages genannt werden. Die rechtliche Wirkung dieser Ergänzung dürfte allerdings gering sein. Der Katalog des § 11 BauGB ist nämlich nur beispielhaft und nicht abschließend, weswegen entsprechende städtebauliche Verträge auch schon vor der Novellierung möglich waren (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 2009, § 11, Rn. 5).

Repowering von Windenergieanlagen

Ein Baustein der Energiewende ist der verstärkte Einsatz von Windenergie, u. a. durch so genanntes Repowering von Windenergieanlagen. Unter Repowering ist die Ersetzung älterer, oft vereinzelt stehender Windenergieanlagen durch moderne, leistungsfähigere Windenergieanlagen, vorzugsweise in Windparks („Aufräumen der Landschaft“), zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist der neu eingefügte § 249 BauGB von besonderer praktischer Bedeutung.

Um den Erfordernissen des Repowering Rechnung zu tragen, ist oftmals eine Änderung oder Ergänzung der Bauleitpläne erforderlich. Dabei besteht in der Praxis häufig die Befürchtung, dass diese Änderungen bzw. Ergänzungen zugleich das ursprüngliche Planungskonzept in Frage stellen oder dieses hinfällig werden lassen, weil die nachträgliche Ausweisung zusätzlicher Flächen, durch die der Windenergie im Zuge von Repowering mehr Möglichkeiten gegeben werden sollen, als Eingeständnis der Unzulänglichkeit der bisherigen Konzeption missverstanden werden könnte (Berliner Gespräche zum Städtebaurecht, Band I: Bericht, S. 69 f.). An dieser Stelle setzt der neue, leider etwas umständlich formulierte § 249 Abs. 1 BauGB an. Die Norm stellt klar, dass Änderungen und Ergänzungen in einem Flächennutzungsplan oder in einem Bebauungsplan, der aus den Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt wird, die schon bestehenden Ausweisungen für Windenergie und deren Rechtswirkung im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB (Planvorbehalt bzw. Konzentrationszonen) unberührt lassen. Entsprechendes gilt für Darstellungen zum Maß der baulichen Nutzung. Die Vorschrift schafft somit Rechtssicherheit und unterstützt somit die Träger der Bauleitplanung bei der Schaffung zusätzlicher planungsrechtlicher Grundlagen für die Windenergie.

Der § 249 Abs. 2 BauGB räumt der Gemeinde die Möglichkeit ein, die Zulässigkeit von im Bebauungsplan festgesetzten Windenergieanlagen durch Festsetzung gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 BauGB davon abhängig zu machen, dass Windenergieanlagen an anderer Stelle (auch außerhalb des Bebauungsplangebiets und sogar außerhalb des Gemeindegebiets) stillgelegt oder zurückgebaut werden. Auch Dar-stellungen im Flächennutzungsplan, die die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB (Konzentrationszonen) haben, können mit derartigen Bestimmungen verbunden werden, die sich auf die Zulässigkeit von Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr 5 BauGB auswirken. Auch der § 249 Abs. 2 BauGB stärkt damit die Gestaltungsmöglichkeiten der kommunalen Bauleitplanung.

Sonstige Maßnahmen

– Solaranlagen an oder auf Gebäuden im Außenbereich
§ 35 BauGB regelt die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Außenbereich. Ein Vorhaben ist immer dann privilegiert zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und zusätzlich eine der Voraussetzungen aus dem Katalog des § 35 Abs. 1 BauGB vorliegt. Mit der Novellierung des BauGB ist die weitere Alternative eingefügt worden, dass das Vorhaben „der Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden dient, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist“. Unter diese neue Nr. 8 fallen die privilegierten Photovoltaikanlagen im Sinne des § 33 EEG. Die bauliche Unterordnung ist räumlich-gegenständlich zu verstehen, so dass Anlagen(teile), deren Fläche über das Gebäude hinausgeht, nicht privilegiert sind. Eine funktionelle Unterordnung ist dagegen nicht gefordert. Die Privilegierung gilt somit unabhängig davon, ob die erzeugte Energie selbst verbraucht oder in ein öffentliches Netz eingespeist wird (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6076, S. 10).

– Absicherung nachträglicher Energiesparmaßnahmen
Durch den neu eingefügten § 248 BauGB soll sichergestellt werden, dass Maßnahmen an bestehenden Gebäuden zum Zwecke der Energieeinsparung im Einklang mit baurechtlichen Vorgaben erfolgen können. Demnach sind in diesen Fällen geringfügige Abweichungen vom festgesetzten Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche bzw. vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB zulässig, soweit dies mit nachbarlichen Interessen und baukulturellen Belangen vereinbar ist. Entsprechendes gilt für Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an und auf Dach- und Außenwandflächen.

– Besonderes Städtebaurecht und klimagerechte Stadtentwicklung, quartiersbezogene Lösungen
Des Weiteren werden einige Vorschriften zum Stadtumbau geändert. Der neu gefasste § 171a Abs. 1 BauGB erweitert den Begriff des „erheblichen städtebaulichen Funktionsverlustes“, der eine Voraussetzung für jede Stadtumbaumaßnahme ist, ausdrücklich auch auf den Fall, dass die allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz und die Klimaanpassung nicht erfüllt werden. In § 171a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und Nr. 6 BauGB wird klargestellt, dass Stadtumbaumaßnahmen insbesondere auch den allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz und die Klimaanpassung dienen sollen. In § 171c S. 2 Nr. 1 BauGB wird als Regelbeispiel für mögliche Gegenstände eines Stadtumbauvertrags neben dem Rückbau nunmehr ausdrücklich auch die Anpassung baulicher Anlagen genannt. Da mit der Novellierung in allen Fällen lediglich die bereits vorhandenen Regelbeispiele ergänzt werden, muss den Änderungen vor allem eine klarstellende Wirkung zugesprochen werden.

– Keine Änderungen der Vorgaben zu städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen
Die ursprünglich im Gesetzesentwurf der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen vorgesehenen Änderungen und Ergänzungen der Vorgaben zu städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen in § 136 BauGB (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/6076, S. 4 und BT-Drs. 17/6253, S. 5) sind im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder aufgegeben worden (Siehe BR-Drs. 396/11, S. 2).

Fazit

Mit den Änderungen in § 1 Abs. 5 S. 2 BauGB und § 1a Abs. 5 BauGB (Klimaschutzklausel) erhält der Klimaschutz eine größere Bedeutung im Rahmen der Bauleitplanung. Zusätzlich erlaubt die Erweiterung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB den Kommunen, lokale Klimaschutz- und Energiekonzepte bereits im Flächennutzungsplan zu verankern und damit frühzeitig auf ein tragfähiges rechtliches Fundament zu stellen. Auch die erweiterten Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan stärken die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen. Der neue § 249 BauGB schafft Rechtssicherheit und Gestaltungsspielraum bei der Schaffung zusätzlicher planungsrechtlicher Grundlagen für die Windenergie und unterstützt damit ebenfalls die Träger der Bauleitplanung.

An anderen Stellen steht die Betonung des Klimaschutzes im Vordergrund, etwa wenn der Katalog mit Regelbeispielen für mögliche Gegenstände städtebaulicher Verträge in § 11 BauGB um die Errichtung und Nutzung von EEG- und KWK-Anlagen ergänzt wird.

Insgesamt verschafft das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden dem Klimaschutz auf lokaler Ebene gezielt ein größeres Gewicht und erweitert die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen.

 

 

Dr. Martin Hoffmann

Rechtsanwalt, Partner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, White & Case LLP, Hamburg
 

Dr. Tobias Woltering

Rechtsanwalt, White & Case LLP, Düsseldorf
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