15.09.2011

Verhältnismässigkeit ist entscheidend

Rückforderung von Zuwendungen wegen Vergabefehlern

Verhältnismässigkeit ist entscheidend

Rückforderung von Zuwendungen wegen Vergabefehlern

Fördermittel sind wirtschaftlich und sparsam einzusetzen – Rückforderung nur bei schweren Verstößen. | © N-Media-Images - Fotolia
Fördermittel sind wirtschaftlich und sparsam einzusetzen – Rückforderung nur bei schweren Verstößen. | © N-Media-Images - Fotolia

Kommunen und kommunale Unternehmen können Investitionen wie den Bau von Sportstätten, Krankenhäusern, Kläranlagen oder Fernwärme-versorgungseinrichtungen häufig nur dann in Angriff nehmen, wenn dafür Fördermittel zur Verfügung stehen. Die Erteilung des Bewilligungsbescheids ist für den Zuwendungsempfänger in der Regel der Startschuss: Nun kann er mit der Realisierung des geförderten Projekts beginnen.

Leider lesen viele Zuwendungsempfänger nicht das „Kleingedruckte“: Bewilligungsbescheide erklären in der Regel die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) für anwendbar. Diese wiederum ordnen an, dass alle Aufträge zur Erfüllung des Zuwendungszwecks nach der VOB/A zu vergeben sind. Wenn das nicht beachtet wird, kann es zum Widerruf des Bewilligungsbescheids und zur Rückforderung von Zuwendungen kommen.

Strenge Rückforderungspraxis

Viele Bewilligungsbehörden sind dazu übergegangen, die Vergabeverfahren des Zuwendungsempfängers detailliert zu überprüfen. Wenn sie der Auffassung sind, dass schwere Vergaberechtsverstöße vorliegen, erlassen sie Widerrufs- und Rückforderungsbescheide.


Angestoßen wird diese Entwicklung vor allem von den Rechnungshöfen. Diese fordern, dass die Bewilligungsbehörden mit Nachdruck für die Einhaltung der haushalts- und vergaberechtlichen Bestimmungen sorgen. Deshalb nehmen die Bewilligungsbehörden Vergaberechtsverstöße zum Anlass, Bewilligungsbescheide wegen Nichterfüllung einer Auflage nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG zu widerrufen.

Typisch für diese Rückforderungspraxis ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.04.2011, Az. 11 K 4198/09). Eine Bewilligungsbehörde hatte Zuwendungen für den Bau eines Altenpflegeheims bewilligt und die ANBest-P ausdrücklich für anwendbar erklärt. Den Bauauftrag vergab der Zuwendungsempfänger im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung an einen Generalunternehmer. Mehrere Jahre später kam das Staatliche Rechnungsprüfungsamt zu dem Ergebnis, dass der Zuwendungsempfänger schwere Vergaberechtsverstöße begannen habe: Die Notwendigkeit einer Generalunternehmervergabe sei nicht dargelegt worden; außerdem habe der Zuwendungsempfänger zu Unrecht eine beschränkte Ausschreibung durchgeführt. Daraufhin erließ die Bewilligungsbehörde einen Widerrufs- und Rückforderungsbescheid.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte dieses Vorgehen: Nr. 3.1 ANBest-P sei eine Auflage zum Bewilligungsbescheid. Bei einem Verstoß gegen die Auflage komme ein Widerruf des Zuwendungsbescheides in Betracht. Mit der Beauftragung eines Generalunternehmers habe der Zuwendungsempfänger gegen den in der VOB/A verankerten Grundsatz der Losvergabe verstoßen. Außerdem habe er nicht beachtet, dass die öffentliche Ausschreibung Vorrang vor der beschränkten Ausschreibung habe.

Grenzen der Vergaberechtskontrolle im Zuwendungsrecht

Wenn jeder Vergaberechtsverstoß den Widerruf des Bewilligungsbescheides rechtfertigen würde, könnte vielen Großprojekten nachträglich die finanzielle Grundlage entzogen werden. Das könnte den Zuwendungsempfängern ganz erhebliche wirtschaftliche Nachteile bringen.

Aus rechtlicher Sicht ist die strenge Rückforderungspraxis äußerst fragwürdig. Denn mit Nr. 3 ANBest-P soll keine vergaberechtliche Ausschreibungspflicht begründet werden; vielmehr geht es allein darum, die sparsame und wirtschaftliche Verwendung von Zuwendungen zu gewährleisten. Dagegen zielt das Vergaberecht nicht auf eine sparsame und wirtschaftliche Verwendung von Fördermitteln ab, sondern auf Marktöffnung im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Zuwendungsrechtliche und vergaberechtliche Ausschreibungspflichten haben somit unterschiedliche Grundlagen und dienen unterschiedlichen Zielen.

Zweck von Nr. 3 ANBest-P ist es, den sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit Zuwendungen zu gewährleisten. Wenn Bewilligungsbehörden die Vergabeverfahren des Zuwendungsempfängers untersuchen, müssen sie die inhaltlich beschränkte Zielsetzung der zuwendungsrechtlichen Auflage beachten. Sie können deshalb z. B. kontrollieren, ob

– der Zuwendungsempfänger Aufträge im Wettbewerb vergeben hat,
– der Ausschreibung eine Bekanntmachung vorangegangen ist oder
– der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wurde.

Hintergund dafür ist, dass alle diese Punkte der zuwendungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitskontrolle dienen. Für eine weiter ins Detail gehende umfassende Vergabekontrolle des Zuwendungsempfängers besteht aber aus zuwendungsrechtlicher Sicht kein Anlass.

Zahlreiche Vergaberechtsverstöße wirken sich in der Regel nicht nachteilig auf die Zuschlagsentscheidung aus: So lassen sich bei einer Gesamtvergabe wegen der Nachfragebündelung in der Regel niedrigere Preise erzielen als bei einer Aufteilung des Auftrags in Lose, und zwar selbst dann, wenn die Entscheidung des Zuwendungsempfängers für eine Gesamtvergabe nach Vergaberecht unzulässig ist. Die Erteilung des Zuschlags auf ein unangemessen niedriges Angebot ist zwar vergaberechtswidrig, berechtigt aber nicht zum Widerruf und zur Rückforderung von Zuwendungen. Denn die Bewilligungsbehörde kann kein objektives Interesse daran haben, dass das Angebot mit dem niedrigsten Preis ausgeschlossen wird.

Ermessensentscheidung erforderlich

Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht Gelsenkirchen haben das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Verwaltungsgericht Potsdam das Problem erkannt. Sie haben es abgelehnt, Widerrufs- und Rückforderungsbescheide „automatisch“ als rechtmäßig einzuordnen, wenn der Zuwendungsempfänger Vergaberechtsverstöße begangen hatte. Stattdessen haben sie betont, dass der Widerruf von Zuwendungen eine Ermessensentscheidung voraussetzt, die immer ordnungsgemäß begründet sein muss.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat es als unzureichend angesehen, dass eine Bewilligungsbehörde einen Vergaberechtsverstoß nur deshalb als schwer qualifiziert hat, weil der Runderlass eines Ministeriums für diesen Fall von einem schweren Vergaberechtsverstoß sprach (VG Düsseldorf, Urt. v. 01.04.2008, Az. 20 K 443/07). Nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ist für die Bewertung der Schwere des Vergaberechtsverstoßes nämlich auf den Zeitpunkt des Ausschreibungsverfahrens bzw. der Auftragsvergabe abzustellen und nicht etwa auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerruf des Zuwendungsbescheids.

Auch das Verwaltungsgericht Potsdam (VG Potsdam, Urt. v. 17.08.2010, Az. 3 K 13183/05) hat die Bedeutung der Ermessensausübung betont: Die Bewilligungsbehörde gehe nur dann ermessensfehlerfrei von einem schweren Vergaberechtsverstoß aus, wenn das Verhalten des Zuwendungsempfängers grob vergaberechtswidrig war.

Hinreichende Bestimmtheit der Nr. 3 ANBest-P?

Beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen ist zur Zeit ein Rechtsstreit anhängig, in dem es um die Frage geht, ob Nr. 3 ANBest-P überhaupt hinreichend bestimmt ist. In früheren Fassungen erklärte Nr. 3 ANBest-P pauschal die „VOB/A“ für anwendbar, ohne dass gesagt wurde, welcher Abschnitt der VOB/A gelten soll.

Eine solche Nebenbestimmung genügt nicht dem Bestimmtheitsgebot. Nach § 37 Abs. 1 VwVfG muss der Wille der Behörde in einem Verwaltungsakt vollständig zum Ausdruck kommen und unzweideutig für die Beteiligten des Verfahrens erkennbar sein. Wenn eine Nebenbestimmung zu einem Zuwendungsbescheid offen lässt, ab welcher Wertgrenze ein Vergabeverfahren durchzuführen ist und welcher Abschnitt der VOB/A gelten soll, kann der Zuwendungsempfänger nicht erkennen, welches Verhalten die Bewilligungsbehörde von ihm verlangt. Die Nebenbestimmung ist dann mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Ob sich das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen dieser Auffassung anschließt, bleibt abzuwarten.

Fazit

Zuwendungsrechtliche und vergaberechtliche Ausschreibungspflichten unterscheiden sich grundlegend. Verstöße des Zuwendungsempfängers gegen das Vergaberecht sind – entgegen der weit verbreiteten Praxis der Bewilligungsbehörden – in zuwendungsrechtlicher Hinsicht nur von Bedeutung, wenn sie zu einem unwirtschaftlichen Umgang mit Zuwendungen führen. Deshalb berechtigt nicht jeder Vergaberechtsverstoß zu einem Widerruf des Bewilligungsbescheides wegen Nichterfüllung einer Auflage. Für Zuwendungsempfänger lohnt es sich deshalb häufig, den Widerrufs- und Rückforderungsbescheid anzufechten.

 

Dr. Clemens Antweiler

Mag. rer. publ. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, RWP Rechtsanwälte, Düsseldorf
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