15.09.2011

Paragrafendschungel Vertragsrecht

Fünf Tipps für den Einkauf von IT-Leistungen

Paragrafendschungel Vertragsrecht

Fünf Tipps für den Einkauf von IT-Leistungen

Bei der vertraglichen Regelung der IT-Beschaffung hat der öffentliche Auftraggeber die Qual der Wahl. | © Joachim Wendler - Fotolia
Bei der vertraglichen Regelung der IT-Beschaffung hat der öffentliche Auftraggeber die Qual der Wahl. | © Joachim Wendler - Fotolia

Auch bei der Beschaffung von IT-Leistungen unterliegt die öffentliche Hand gewissen Regelwerken. Neben vergaberechtlichen Vorgaben, die der Marktmacht der öffentlichen Hand als Auftraggeber geschuldet ist, werden öffentlichen Auftraggebern dabei vertragsrechtliche Vorgaben gemacht.

Ziel ist natürlich, die wirtschaftliche Verwendung der Mittel der öffentlichen Haushalte zu gewährleisten. Auf der Grundlage entsprechender haushaltsrechtlicher Anwendungsverpflichtungen (z. B. Ziffer 2.1.7 der Verwaltungsvorschriften zu § 55 Abs. 1 BHO), die der einzelne IT-Beschaffer auf Seiten der öffentlichen Hand kennen sollte, bilden die sog. Ergänzenden Vertragsbestimmungen für die Beschaffung von IT-Leistungen, kurz „EVB-IT“, bzw. die Besonderen Vertragsbedingungen für die Beschaffung von DV-Leistungen, kurz „BVB-IT“, den vertragsrechtlichen Rahmen. Die Vertragsmuster und weitere hilfreiche Informationen sind auf der Webseite des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik zu finden. Nur in Ausnahmefällen kann auf die Anwendung von EVB-IT-/BVB-Verträgen verzichtet werden – zum Beispiel, wenn durch die Einbeziehung der EVB-IT die Beschaffung insgesamt unwirtschaftlich würde.

Entstehungsgeschichte der EVB-IT

Die EVB-IT lösen seit 2002 sukzessive die seit 1972 für die öffentlichen Auftraggeber bestehenden BVB als Einkaufsbedingungen ab. Denn angesichts der beträchtlichen Auftragswerte und der komplexen Spezialmaterie im IT-Sektor erkannte man bereits frühzeitig die wirtschaftliche Notwendigkeit, den öffentlichen Auftraggeber bei der vertragsrechtlichen Gestaltung von IT-Verträgen durch die Schaffung interessengerechter und praxisbezogener Standards zu unterstützen. Um eine möglichst breite öffentliche Akzeptanz der Verträge auch auf Seiten der Auftragnehmer zu erreichen, entschied man sich, die Vertragswerke im Einvernehmen zwischen öffentlicher Hand und IT-Wirtschaft zu verabschieden. Dabei agierte auf der öffentlichen Seite federführend der Kooperationsausschuss Automatisierte Datenverarbeitung Bund/Länder/Kommunaler Bereich („KoopA-ADV“), während die Interessen der Auftragnehmer vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien („BITKOM“) wahrgenommen wurden. Bis auf den EVB-IT-Systemvertrag wurden dann alle EVB-IT Verträge einvernehmlich zwischen dem KoopA-ADV und der BITKOM veröffentlicht.


1. Auswahl des richtigen Vertrages

Derzeit finden insgesamt acht EVB-IT-Verträge und drei BVB-Verträge Anwendung. Der öffentliche Auftraggeber hat folglich die Qual der Wahl: Welcher Vertragstyp deckt seinen IT-Beschaffungsvorgang am besten ab? Mitunter kann die Auswahl des richtigen Vertrages schwierig sein, da IT-Beschaffungen häufig komplex sind und die Vertragsmuster nicht immer jeden Beschaffungsvorgang in allen Einzelheiten abzubilden vermögen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die falsche Auswahl des Vertrages ggf. zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führen kann, denn allein die Überschrift und Auswahl eines Vertrages bestimmen nicht dessen tatsächliche Rechtsnatur. Als erste Auswahlentscheidung kann sicherlich zunächst einmal die Entscheidungshilfe EVB-IT/BVB auf der Webseite des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik dienen: http://www.cio.bund.de. Dies setzt allerdings voraus, dass der Anwender zumindest die vertragsrechtlichen Grundzüge beherrscht und Verträge entsprechend vertragstypologisch zuordnen kann. Dabei sollte er etwa die Vorzüge eines Werkvertrages (§§ 631 ff. BGB) gegenüber einem Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB) aus Auftraggebersicht kennen.

2. Praktische Anwendung des Vertrages

Eine weitere Kunst bei der Anwendung der EVB-IT-Verträge besteht darin, die eigenen Leistungsanforderungen an den jeweils richtigen Stellen des vorgegebenen Vertragsmusters unterzubringen. Hierzu muss sich der Anwender genauestens mit dem teilweise optional und modular aufgebauten Verträgen vertraut machen. Er muss entscheiden, welche Regelungen für seinen Beschaffungsvorgang relevant und welche ggf. konsequent zu streichen sind, da diese am eigentlichen Regelungsstand vorbeigehen. Neben dem häufig zu beobachtenden Phänomen, dass der Vertrag überflüssige Regelungen enthält, ist auf der anderen Seite oft festzustellen, dass an wesentlichen Stellen des Vertrages – wie z. B. der Beschreibung des Leistungsgegenstandes, der Bestimmung des Vertragspartners und der Nutzungsrechte – Ungenauigkeiten bestehen.

3. Aufbau, Struktur und Einbeziehung in die Ausschreibungsunterlagen

Jeder EVB-IT-Vertragstyp ist gleich strukturiert und besteht im Wesentlichen aus zwei sich ergänzenden Teilen: den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ und dem Vertragsmuster inklusive einiger optionaler Anlagen (z. B. Angebot und Leistungsbeschreibung) und Muster (z. B. Störungsmeldeformular). In dem Vertragsmuster und den Anlagen werden das konkrete Leistungsverhältnis und etwaige vertragliche Besonderheiten individuell festgehalten. Wer sich einmal intensiver mit dem teilweise eigentümlichen Aufbau und der Sprache der EVB-IT-Verträge auseinandergesetzt hat, wird schnell merken, wie die EVB-IT-Verträge „funktionieren“. Ebenfalls ist darauf zu achten, dass die EVB-IT als Teil der Verdingungsunterlagen den Vergabeunterlagen in elektronischer oder ausgedruckter Form in der jeweils aktuellen Version beigefügt werden. Der Auftraggeber hat dabei die Möglichkeit, entweder den vertragsrechtlichen Inhalt zwingend festzulegen oder den Bieter zur Vervollständigung aufzufordern.

4. Der EVB-IT-Systemvertrag

Seit August 2007 gibt es den lang ersehnten EVB-IT-Systemvertrag. Zuvor war es auf Grundlage der bisherigen EVB-IT/BVB-Verträge nicht möglich gewesen, die Beschaffung eines gesamten IT-Systems mithilfe eines einzigen Vertrages abzubilden. Vielmehr wurde den Vertragspartnern eine gewisse Kreativität abgefordert, da sie den Leistungsgegenstand in entsprechende Einzelleistungen „zerpflücken“ mussten, um diese dann in den entsprechend vorhandenen EVB-IT/BVB-Vertragsmustern unterzubringen. Dies führte dazu, dass die verschiedenen, aber teilweise eng miteinander verzahnten Leistungsteile einem unterschiedlichen Vertragsrecht unterlagen. Mit dem EVB-IT-Systemvertrag hat der Auftraggeber nunmehr die Möglichkeit, Leistungen sozusagen aus einer Hand zu einheitlichen rechtlichen Bestimmungen zu erhalten. Er bildet eine Vielzahl von Leistungskomponenten ab, untersteht jedoch einheitlich dem Werkvertragsrecht. Dies und die Tatsache, dass sämtliche Leistungen in der Gesamtverantwortung des einen Auftragnehmers stehen, machen den Charme des Vertrages für den öffentlichen Auftraggeber aus.

5. Der EVB-IT-Systemlieferungsvertrag

Im Februar 2010 ist der zurzeit jüngste EVB-IT-Vertrag veröffentlicht worden: der EVB-IT-Systemlieferungsvertrag. Im Unterschied zum EVB-IT-Systemvertrag unterliegt er einheitlich dem Kaufrecht. Das liegt daran, dass der EVB-IT-Systemlieferungsvertrag schwerpunktmäßig die Lieferung von Standardsystemkomponenten und eben nur geringfügige Anpassungs- und Integrationsleistungen erfassen soll. Die Auswahl zwischen EVB-IT-Systemvertrag und EVB-IT-Systemlieferungsvertrag fällt vielen Auftraggebern schwer. Zur Ermittlung des Schwerpunktes des Vertrages kann als erste Entscheidungshilfe der Wert der Anpassungsleistung im Verhältnis zur Gesamtvergütung herangezogen werden.

Fazit

Auch wenn die vorhandenen EVB-IT/BVB-Verträge nicht jeden Beschaffungsvorgang hundertprozentig abzubilden vermögen und sicherlich sogar an einigen Stellen äußerst kritisch zu bewerten sind, stellen sie doch einen interessengerechten Vertragsrahmen für Auftraggeber und Auftragnehmer dar. Nach einem gewissen Gewöhnungsprozess können sie Anwendern die tägliche IT-Beschaffungspraxis sicherlich erleichtern.

 

Dr. Michael Rath

Fachanwalt für IT-Recht, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln
 

Britta Rothe, LL.M.

Rechtsanwältin, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln
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