22.07.2022

Lageorientiertes Führen

Verwaltungsführung in komplexen und krisenhaften Lagen (Teil 3)

Lageorientiertes Führen

Verwaltungsführung in komplexen und krisenhaften Lagen (Teil 3)

Fortsetzung des zweiten Teils:

Welche Bedeutung hat Kommunikation bei Lageorientierter Führung?

Besondere Anforderung an die Kommunikation in komplexen und krisenhaften Lagen

 

„In einer Demokratie ist Politik begründungspflichtig und damit kommunikationsbedürftig. Die Pandemie ist ein gutes Beispiel dafür, da hat die Politik einen Informationsauftrag.

(Alexander Schallenberg, Österreichischer Bundeskanzler,


DER SPIEGEL Nr. 44/30.10.2021)

 

Der Kommunikation kommt im Zusammenhang mit lageorientierter Führung eine zentrale Rolle zu. Das gilt für die interne wie für die externe Kommunikation. Die kommunikative Verarbeitung vielfältiger Informationen beispielsweise in der Lagebeschreibung prägt das Bild der Lage und die damit ausgelösten Emotionen und Verhaltensweisen. Nicht nur das „Was“ der Kommunikation, sondern auch das „Wie“ entscheidet über die Wahrnehmung einer Lage und über die Art von deren Bewältigung. Als besondere Herausforderung erweist sich dabei die Vielfalt der Medien und die damit verbundene unkontrollierbare mediale Vielfalt. Ein Konzept von „Digital Leadership“ zwingt daher zu einer Fortentwicklung bestehender Führungskonzepte, das insbesondere auch die Medienkompetenz und die Medienkommunikationskompetenz einschließt (Berninger-Schäfer 2020, Cielieski 2016, Franken 2016).

Gerade in echten Krisenlagen ist dies mittlerweile selbstverständlich und in den aktuellen Krisen der Sars-COVID 19-Pandemie und der Flutkatastrophe in Nordrhein- Westfalen und Rheinland-Pfalz teilweise leidvoll („Informationschaos“), teilweise ermutigend („große Anteilnahme und Hilfsbereitschaft“) zu besichtigen. Das Bundesamt für den Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) definiert die Kommunikation als den „Austausch von Informationen und Meinungen während einer Krise zur Verhinderung oder Begrenzung von Schäden an einem Schutzgut“ (www.bbk.bund.de/Infothek/Glossar/Krisenkommunikation, 2021). Als Dialog zwischen den an einem Krisengeschehen beteiligten Institutionen und Personen kann sie das Vertrauen in die Handelnden stärken und diesen damit einen strategischen Rückhalt geben. Vertrauen als Potenzial, Komplexität zu reduzieren (Luhmann, 2014), stärkt die Handlungsfähigkeit zur Bewältigung von Krisenlagen. Folglich muss die Kommunikation zwingend integrativer Bestandteil des Krisenmanagements sein und sowohl der Krisenprävention als auch der Krisenintervention dienen.

Dies gilt in gleicher Weise für komplexe und krisenhafte Lagen. Kommunikation muss hier einerseits einen wesentlichen Beitrag leisten zur Verhinderung, Begrenzung oder Bewältigung von wachsender Überforderung. Überforderungen können darauf zurückzuführen sein, dass infolge der Komplexität und der damit einhergehenden Verunsicherung die Beteiligten ihre Orientierung verlieren; sie kann auch darin begründet sein, dass gar nicht oder zu spät über eine krisenhafte Entwicklung gesprochen wird. Kommunikation muss andererseits dazu beitragen, mögliches Schadenspotenzial zu erkennen, dessen Realisierung zu verhindern, zu begrenzen oder zu bewältigen. Der Begriff des Schadens ist dabei weit zu verstehen. Es kann sich auch unterhalb einer Krise, etwa in Gestaltungslagen, z.B. wegen langwieriger Genehmigungsverfahren um die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland handeln oder um den verzögerten Ausbau der erneuerbaren Energien.

Die Fähigkeiten, (virtuell) zu kommunizieren, rücken damit als wesentliche Führungskompetenz ins Blickfeld. Das „Was“ und das „Wie“ der (Krisen-) Kommunikation beeinflusst zweifelsohne den Verlauf einer Gestaltungslage oder einer Krise. Beispielsweise, so die Erfahrung des Mannheimer Oberbürgermeisters Dr. Kurz, entstünden viele krisenhaften Situationen bzw. Krisen erst „durch einen falschen kommunikativen Umgang mit einer Situation“. Um dies zu vermeiden muss die Kommunikation in kritischen Lagen schnell und systematisch, aber auch transparent und proaktiv ablaufen. Es muss klar und deutlich kommuniziert werden, wie das Lagebild aussieht, wie die Lage beurteilt wird, was zu tun ist, was die nächsten Schritte sind und wie man deren Durchführung plant. Zugleich muss auch eine Kommunikation über die mittel- und langfristigen Folgen beginnen und über die zu ergreifenden Initiativen, um „vor die Lage“ zu kommen, also eine drohende Überforderung oder Gefährdung zu vermeiden. So schafft bzw. erhält die Kommunikation die notwendige Akzeptanz zwischen den verschiedenen Stakeholdergruppen.

Nach den Erkenntnissen der Kommunikationswissenschaftlerin Claudia Mast, em. Professorin der Universität Hohenheim, ist zwischen folgende Phasen einer Krisenkommunikation zu unterscheiden:

  • Präkommunikative Phase (Krise ist noch nicht in die Öffentlichkeit getragen)
  • Kommunikative Phase (Krise ist in die Öffentlichkeit gelangt)
  • Postkommunikative Phase (Evaluation der Krise) (Nolting/Thießen 2008)

Diese Erkenntnisse lassen sich auf die Kommunikation in komplexen und krisenhaften Lagen übertragen. Die Kommunikation muss also den unterschiedlichen Verlaufsphasen gerecht werden und daran angepasst werden. Unabhängig davon, in welcher Phase sie sich befindet, ist die Kommunikation ihrer Bedeutung entsprechend auch eine wesentliche Aufgabe der Führung, bspw. der Leitung eines Krisenstabes oder einer besonderen Projektgruppe, und kann nicht ausschließlich auf eine Pressesprecherin oder einen Pressesprecher delegiert werden. Um in der jeweiligen Lage angemessen, kompetent und souverän agieren bzw. reagieren zu können, müssen Führungskräfte daher auch hinsichtlich der Kommunikation über besondere Kompetenzen verfügen.

Eine vertiefte Beschäftigung erfolgte deshalb im Fachprojekt mit den besonderen Kompetenzanforderungen an die Kommunikationsfähigkeit. Hierzu wurde mit den Studierenden ein eigenes Kompetenzcluster mit 12 spezifischen Kompetenzen entwickelt, das nicht überraschend einen besonderen Schwerpunkt im sozial- kommunikativen Kompetenzfeld aufweist. (Abb. 5).

Abbildung 7: Kompetenzcluster „Kommunikation“

 

Diese Fähigkeiten sind zusätzlich nach den verschiedenen Medien zu differenzieren. Analoge Kommunikation ist nicht identisch mit digitaler Kommunikation. Berninger- Schäfer (2020) zitiert verschiedene Studien, wonach es im virtuellen Umfeld insbesondere auf die Veränderung der Führungskommunikation und eine stärkere Vernetzung z.B. mit den Mitarbeitenden ankommt. Die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Führungspräsenz im analogen und im digitalen Umfeld (Berg/Berninger-Schäfer 2020), der Trend zur verstärkten Selbstorganisation bei der Online-Kollaboration und die Reduktion der Kommunikationskanäle in der Online- Kommunikation erfordern die kompetente Auswahl und den kompetenten Einsatz der Medien (Medienkompetenz) sowie ein entwickeltes Kommunikationsverhalten bei der Nutzung der eingesetzten Medien (Medienkommunikationskompetenz).

Für das anvisierte Aus- und Weiterbildungskonzept bedeutet dies, die Kommunikationsfähigkeit in sachlicher und persönlicher Hinsicht zum Schwerpunkt zu machen und insbesondere im Hinblick auf die digitale Kommunikation die Unterschiede beim Sehen, Sprechen, Hören, Lesen, Schreiben usw. erfahrbar zu machen, damit sie situativ an die Medien angepasst bewusst eingesetzt werden können.

Der Beitrag wird fortgesetzt.

 

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Die Serie: Lageorientiertes Führen

 

1

Folge 1

Lageorientiertes Führen (Teil 1)

2

Folge 2

Lageorientiertes Führen (Teil 2)

3

Folge 3

Lageorientiertes Führen (Teil 3)

4

Folge 4

Lageorientiertes Führen (Teil 4)

 

 

 

Thomas Berg

Ehemals Generalsekretär der Führungsakademie Baden-Württemberg a. D.
Dr. Herbert O. Zinell

Dr. Herbert O. Zinell

Senator E.h. Dr. Herbert O. Zinell, Ministerialdirektor a.D. und Oberbürgermeister a.D
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