28.07.2022

Kommunale Amts- und Mandatsträger in privaten Unternehmen (3)

Weisungsrechte und Unterrichtungspflichten – Teil 3

Kommunale Amts- und Mandatsträger in privaten Unternehmen (3)

Weisungsrechte und Unterrichtungspflichten – Teil 3

Es müssen kommunale Einwirkungs-, Mitsprache- und Kontrollrechte in der Gesellschaft gewahrt sein. ©alotofpeople – stock.adobe.com
Es müssen kommunale Einwirkungs-, Mitsprache- und Kontrollrechte in der Gesellschaft gewahrt sein. ©alotofpeople – stock.adobe.com

Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen gehört zum Kernbereich der Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG schützt die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen auf der örtlichen Ebene (Teil 3).

IV. Zu den Informationspflichten kommunaler Organmitglieder: Informationsverlangen versus Verschwiegenheitspflicht42

Jedwede Weisung setzt Information voraus. Die Gemeindevertretung kann ein bestehendes Weisungsrecht nur ausüben, wenn sie Kenntnis vom Sachverhalt oder den Entscheidungslagen im Unternehmen hat, die die eine mögliche Weisung auslösen. Damit aber Gemeindevertretungen ihre Rechte gegenüber ihren Vertretern in den Organen der Gesellschaft ausüben können, sehen alle Kommunalordnungen der Bundesländer Informations- oder Unterrichtungspflichten vor.

1. Zu den Informationspflichten kommunaler Organmitglieder

Mit den angesprochenen Informationsrechten geht es nur um die Ebene der gemeindlichen Vertreter in der Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter, nicht um die Informationsrechte des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft.43 Im Verhältnis zwischen Gesellschaftsvertreter und Gemeinde sieht in Niedersachsen § 138 Abs. 4 Satz 1 NKomVG vor, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Kommune die Vertretung über alle Angelegenheiten von besonderer Bedeutung frühzeitig zu unterrichten haben. Diese Maßgabe gilt nach § 138 Abs. 4 Satz 2 NKomVG auch entsprechend für die auf Veranlassung der Kommune in einen Aufsichtsrat entsandten Mitglieder. Ersichtlich soll die Informationspflicht der gemeindlichen Vertreter in den Unternehmensorganen die entsendende Kommune in die Lage versetzen, weitergehende Kontroll- und Einflussrechte geltend zu machen. Vertreter der Gemeinde in den Unternehmensorganen haben eben die Chance, unmittelbar Kenntnis von den Belangen zu erhalten, die für die Gemeinde wesentlich seien können. In Niedersachsen ist die Unterrichtungspflicht auf „Angelegenheiten von besonderer Bedeutung“ beschränkt. Ob eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung vorliegt, ist aus der Sicht der Kommune zu bewerten.44


Soweit in der Praxis geraten wird, den Kreis der Angelegenheiten, um die es gehen kann, vorab im Gesellschaftsvertrag zu bestimmen, dürfte dies aber in der Praxis eher schwierig sein. Eine abschließende Auflistung ist kaum möglich. Stellt man auf die Interessen der Gesellschaft ab, können vor allem die Kontroll-, Gewinn- und Vermögensinteressen von Bedeutung sein, auch der Gang der laufenden Geschäfte sowie die künftige Geschäftspolitik kann hiervon miterfasst sein. In der Literatur werden hiervon alle Verträge mit Dritten, das Anstellungsverhältnis der Mitarbeiter und der Geschäftsführer, die Rechtsbeziehung zu Behörden, die Gewährung von Darlehen, Bürgschaften, die Geschäftspolitik und geschäftliche Planungen sowie die Beteiligungsverhältnisse an anderen Unternehmen gezählt.45 Die Information der Gemeinde muss dabei so frühzeitig erfolgen, dass es für den Rat bzw. den Hauptausschuss zeitlich noch möglich ist, hierüber zu entscheiden. Die Vertreter der Gemeinden haben also bei ihrer Information die Geschäftsgänge in den jeweiligen Organen, bspw. ihre Ladungsfristen, zu beachten.

2. Zum Adressaten der Informationspflichten

Adressat der Information ist die Vertretung als Ganzes, also der Stadtrat, und nicht die eigenen Fraktionskollegen.46 Dies bedeutet wiederum, dass einzelne Mitglieder der Gemeindevertretung keinen Unterrichtungsanspruch geltend machen können. Sie bleiben in Niedersachsen auf die Bestimmung des § 56 Satz 2 NKomVG beschränkt und können nur so vom Hauptverwaltungsbeamten Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen. Erfasst sind aber immer nur solche Informationen, die der Hauptverwaltungsbeamte in seiner Stellung als Vertreter der Kommune und damit als Mitgesellschafter erlangt hat oder erlangen kann, nicht etwa Informationen, die er aus anderer dienstlicher Funktion, bspw. als Mitglied des Verwaltungsrates einer Sparkasse, erlangt hat.47

3. Die Beschränkungen des Informationsrechtes

Freilich besteht die Unterrichtungspflicht aber nur, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.48 Hier muss wieder zwischen der kommunalen Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung differenziert werden. Für die Aufsichtsratsmitglieder einer kommunalen Aktiengesellschaft ist die Verpflichtung zur Verschwiegenheit durch §§ 116 Abs. 1 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG vorgegeben, beim fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH besteht die Möglichkeit, die Verschwiegenheitspflicht näher auszugestalten und einzuschränken.49 Allerdings kann die Informationspflicht in Widerspruch zu den Interessen einer Gesellschaft auf Vertraulichkeit ihrer Geschäftsbeziehungen geraten. Dieses Spannungsverhältnis wird etwa in den §§ 394, 395 AktG deutlich. Nach geltendem Gesellschaftsrecht sind die Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet, „über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, die ihnen durch ihre Tätigkeit (im Aufsichtsrat, § 116 AktG) … bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren“.50 Von diesem Grundsatz bestehen für die kommunalen Vertreter Ausnahmen, soweit ihre Berichterstattung nicht auf eine faktische Veröffentlichung von Unternehmensinterna hinausläuft.51 Unter Hinweis auf § 365 Abs. 2 AktG wird eine Mitteilung von vertraulichen Angaben an den Rat faktisch als eine Veröffentlichung gewertet.52 Aus dem gleichen Grund haben deshalb weder ein Ratsmitglied noch eine Fraktion Anspruch darauf, dass ihnen Aufsichtsratsunterlagen von städtischen Eigen- bzw. Beteiligungsgesellschaften ausgehändigt werden.53

In der Praxis ist erwogen worden, die Mitglieder der Gemeindevertretung als Zuhörer an den Beratungen der Aufsichtsräte von kommunaleigenen Gesellschaften persönlich teilnehmen zu lassen – auf den ersten Blick ein reizvoller Weg, denn durch einen derartigen Informationsaustausch könnte die Steuerungsfähigkeit der Gemeindevertretung begünstigt und damit die demokratische Legitimation der Entscheidungen in der Gesellschaft gestärkt werden. Das OVG Münster54 ist dieser Möglichkeit entgegengetreten. Zutreffend hat es darauf verwiesen, das Gesellschaftsrecht sichere die Vertraulichkeit und schütze damit die Geschäftsinteressen der Gesellschaft. Unausgesprochen liegt auf dieser Auffassung die Wertung zugrunde, das Gesellschaftsrecht als Bundesrecht gehe dem Kommunalrecht vor. Das Kommunalrecht schafft insofern keine dem Gesellschaftsrecht fremden Ausnahmemöglichkeiten. Das OVG Nordrhein-Westfalen begründet seine Entscheidung mit der Feststellung, „die Ausweitung des Rechts zur Teilnahme als Zuhörer an Aufsichtsratssitzungen einer GmbH berge offenkundig die Gefahr“ in sich, „die Ausübung der dem Aufsichtsrat obliegenden Überwachungsaufgaben, wie auch die gebotene vertrauensvolle Zusammenarbeit der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat zu erschweren, wenn nicht gar unmöglich zu machen“.55 Die Interpretation, die den Unterrichtungsanspruch auf den Stadtrat beschränkt, kann praktische Einwände nicht übersehen: Wie soll die Fraktion sich auf die Sitzung des Stadtrates vernünftig vorbereiten, wenn sie selbst keinen eigenständigen Anspruch auf gesonderte Unterrichtung hat? Das Aufsichtsratsmitglied, das an der vorbereitenden Fraktionssitzung teilnimmt, wird sich vermutlich eindringliche Fragen gefallen lassen, gleichzeitig aber darauf hinweisen müssen, dass die Wahl der privatrechtlichen Unternehmensform eben die Beachtung des vorrangigen Gesellschaftsrechts und der Unternehmensinteressen notwendig macht. Den Geheimhaltungsinteressen des Unternehmens unterliegen vor allem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse; ihre Darstellung und Erörterung haben in nichtöffentlicher Sitzung zu erfolgen.56 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht bei jedwedem Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ein Ausschluss der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist.

Das Bundesverwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass bei kommunalen Eigengesellschaften das öffentliche Interesse an der Information gegen das Vertraulichkeitsinteresse abgewogen werden muss.57 Fragen der internen Preiskalkulation brauchen nicht offengelegt zu werden.58 Informationen über laufende Verfahren und Verhandlungen müssen nicht offengelegt werden, wenn sich dadurch die Verhandlungsposition des Unternehmens verschlechtert.59 Umgekehrt sind Informationen über Gebührenkalkulationen grundsätzlich zu erteilen, da die Preisbestimmung ohnehin einer Billigkeitskontrolle zugänglich ist.60 Das Geheimhaltungsinteresse wiederum obsiegt, wenn die Daten Rückschlüsse auf die Betriebsführung, die Wirtschafts- und Marktstrategie oder die Kostenkalkulation zulassen.61

 

Entnommen aus VBlNds 5/2022.

 

42 S. dazu Wefelmeier, NdsVBl. 2019, 73 ff.

43 § 51 Abs. 2 GmbHG.

44 BeckOK Kommunalrecht Niedersachsen/Klaß-Dingeldey, § 138 NKomVG, Rn. 29.

45 Passarge/Kölln, NVwZ 2014, 982.

46 BeckOK Kommunalrecht Niedersachsen/Klaß-Dingeldey, a. a. O., Rn. 32.

47 NdsOVG, DÖV 2009, 638.

48 § 138 Abs. 4 Satz 3 NKomVG.

49 BayVGH, NVwZ-RR 2007, 622.

50 § 93 Abs. 1 AktG.

51 Noack, Städte- und Gemeinderat 1995 S. 375, 385.

52 Albrecht-Baba, NWVBl. 2011 S. 127, 130.

53 Zu dieser Thematik vgl. Meier, der Gemeindehaushalt 1994 S. 248.

54 NWVBl. 1997 S. 67, zustimmend Müller, der Gemeindehaushalt 1999 S. 35.

55 PdK NW/Held/Kotzea, GO NRW § 113 Anm. 9.

56 Zum Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses BVerfGE 115, 205, 230; Burgi, NVwZ 2014, 609, 615.

57 BVerwG, NVwZ 2015, 1388.

58 Sydow/Geppert, NVwZ 2006, 986, 990.

59 Bracht, NVwZ 2016, 108, 113.

60 BGH, NJW-RR 1992, 183.

61 OVG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2008, 36762.

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Prof. Dr. Matthias Dombert

Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Potsdam
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