18.07.2022

Keine staatliche Entschädigung bei coronabedingten Gastronomieschließungen im Lockdown

BGH, Urteil vom 17.03.2022 – III ZR 79/21

Keine staatliche Entschädigung bei coronabedingten Gastronomieschließungen im Lockdown

BGH, Urteil vom 17.03.2022 – III ZR 79/21

Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Fundstelle Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

 

Um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen, hatten Bund und Länder in Deutschland während der ersten Pandemiewelle im März 2020 das öffentliche Leben heruntergefahren. Auch die Gastronomiebetriebe mussten insoweit wochenlang schließen und Essen und Getränke konnten die Gäste nur mitnehmen, nicht am Ort des Restaurants verzehren.

Im Übrigen durften Hotels keine Besucher und Touristen aufnehmen. Diese Einschränkungen galten auch für einen familiengeführten Gastronomiebetrieb mit Hotel in Brandenburg. Die dadurch verursachten Einbußen durch entgangene Gewinne und laufende Kosten bezifferten die Betreiber des Betriebes mit 5 438 € pro Tag. Der Betrieb bekam zwar insgesamt 60 000 € Corona-Soforthilfe, dies deckte aber nach Ansicht der Betreiber nicht den tatsächlichen Ausfall von Gewinn und Kosten. Die Betreiber waren der Ansicht, dass durch diese Summe lediglich 11 Tage für den Betriebsausfall abgedeckt waren. Die Betreiber des Gastronomiebetriebs wollten erreichen, dass das Bundesland Brandenburg ihnen eine Entschädigung von mindestens 27 000 € zahlen muss. Die genaue Schadenshöhe blieb noch vorbehalten und sollte nachträglich bestimmt werden.

Nachdem die außergerichtlichen Verhandlungen mit den Verantwortlichen des Bundeslandes Brandenburg scheiterten, klagte die Familie des Gastronomiebetriebes vor dem zuständigen Landgericht (LG) in Brandenburg. Die Klage hatte dann weder beim LG noch in der Berufung beim zuständigen Oberlandesgericht (OLG) Erfolg. Die anschließend eingelegte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) wurde zurückgewiesen.


Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz kamen nicht in Betracht

Wie der BGH in seiner Entscheidung hierzu ausführt, gewährten die Entschädigungsvorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) den Betreibern des Gastronomiebetriebes weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung einen Anspruch auf Entschädigung. Zwar seien die Gewerbetreibenden als Nichtstörer im infektionsschutzrechtlichen Sinne von einer Betriebsschließung oder -beschränkung betroffen gewesen, dies führe aber nicht zu einem Entschädigungsanspruch. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung ergebe sich nicht aus § 65 Abs. 1 IfSG. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift sei diese nur bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten einschlägig. Hier dienten die Betriebsschließungen aber der Bekämpfung der Covid-19-Krankheit, die schon bei Erlass der entsprechenden Verordnung ausgebrochen war. Insoweit könne die Vorschrift auch nicht in entsprechender Anwendung zu einem Entschädigungsanspruch der Gewerbetreibenden führen.

§ 56 Abs. 1 IfSG sei von vorneherein nicht einschlägig, da hier im Verordnungswege nach § 32 IfSG angeordnete Verbote gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen ergangen und nicht die klagenden Inhaber des Gastronomiebetriebs gezielt und personenbezogen als infektionsrechtlicher Störer in Anspruch genommen worden seien. Mithin sei keine Vorschrift im IfSG erkennbar gewesen, die den klagenden Betrieben einen Entschädigungsanspruch zugewiesen habe. Es sei daher zu prüfen gewesen, ob obige Vorschriften nicht in analoger Anwendung zu verwenden gewesen seien.

Die Vorschriften des IfSG konnten auch nicht in verfassungskonformer Auslegung oder in analoger Anwendung einen Ersatzanspruch begründen

Der BGH führt hierzu aus, dass man bei der vorliegenden Fallgestaltung auch bei einer verfassungskonformen Auslegung des IfSG zu keinem Entschädigungsanspruch kommt. Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm setze voraus, dass mehrere Deutungen möglich seien. Sie finde Ihre Grenzen dort, wo der klare Wortlaut der jeweiligen Bestimmung dies ausschließe und/oder die Auslegung zu einem Widerspruch zu dem eindeutigen und erkennbaren Willen des Gesetzgebers führe. Der Wortlaut der §§ 56 und 65 IfSG sei klar und lasse keine andersartige Auslegung zu. Im Übrigen würde der eindeutige Wille des Gesetzgebers konterkariert, wenn man nur ausnahmsweise aus Gründen der Billigkeit für Störer im infektionsschutzrechtlichen Sinn einen Anspruch generieren würde. Eine analoge Anwendung der Vorschrift der §§ 56 Abs. 1, 65 Abs. 1 IfSG komme nicht in Betracht, da es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz fehle. Aus der Entstehungsgeschichte und der Gesetzgebungstätigkeit während der Corona-Pandemie ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Regelung insoweit als abschließend nach dem Konzept der punktuellen Entschädigung geregelt haben wollte.

Darüber hinaus fehle es auch an einer Vergleichbarkeit der Interessenlage zwischen den Entschädigungsregelungen nach den §§ 56, 65 IfSG und flächendeckenden  Betriebsschließungen, die auf gegenüber der Allgemeinheit getroffenen Schutzmaßnahmen beruhen.

Es war danach noch zu prüfen, ob andere Vorschriften zu einem Entschädigungsanspruch geführt haben.

Es ergaben sich auch keine durchsetzbaren Ansprüche aus einer etwaigen Staatshaftung

Der BGH führt hier abschließend aus, dass Hilfeleistungen für die von einer Pandemie schwer getroffenen Wirtschaftsbereiche keine Aufgabe der Staatshaftung seien. Vielmehr ergebe sich aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), dass die staatliche Gemeinschaft Lasten mitzutragen habe, die aus einem von der Gesundheit zu tragenden Schicksal entstanden seien und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis besonders treffen. Hieraus folge zunächst nur die Pflicht zu einem innerstaatlichen Ausgleich, dessen nähere Gestaltung weitgehend dem Gesetzgeber überlassen sei.

Erst eine solche gesetzliche Regelung könne konkrete Ausgleichsansprüche der einzelnen Geschädigten begründen. Dieser sozialstaatlichen Verpflichtung könne der Staat zum Beispiel dadurch nachkommen, dass er – wie jetzt im Fall der Covid-19-Pandemie geschehen –, haushaltsrechtliche, durch die Parlamente abgesicherte, ad hoc getroffene Hilfsprogramme auflege. Zu solchen Maßnahmen gehörten etwa die vom Bund und von den einzelnen Bundesländern aufgelegten Corona-Überbrückungshilfen. Weitergehende Entschädigungsansprüche seien daher nicht gegeben und daher von dem betroffenen Gastronomiebetrieb auch nicht einforderbar.

 

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.03.2022 – III ZR 79/21 –.

Entnommen aus FstBW 2022 Heft 12, Rn. 180

Die Fundstelle Baden-Württemberg

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