20.07.2022

Kommunale Amts- und Mandatsträger in privaten Unternehmen (2)

Weisungsrechte und Unterrichtungspflichten – Teil 2

Kommunale Amts- und Mandatsträger in privaten Unternehmen (2)

Weisungsrechte und Unterrichtungspflichten – Teil 2

Es müssen kommunale Einwirkungs-, Mitsprache- und Kontrollrechte in der Gesellschaft gewahrt sein. ©alotofpeople – stock.adobe.com
Es müssen kommunale Einwirkungs-, Mitsprache- und Kontrollrechte in der Gesellschaft gewahrt sein. ©alotofpeople – stock.adobe.com

Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen gehört zum Kernbereich der Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG schützt die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen auf der örtlichen Ebene (Teil 2).

3. Weisungsrechte und AG

In Bezug auf kommunale Weisungsrechte ist für die Aktiengesellschaft zu differenzieren:

a) Weisungen an den kommunalen Vertreter als kommunalen Aktionär


Weisungen an den organschaftlichen Vertreter in der Hauptversammlung laufen für die kommunale Aktiengesellschaft schon deswegen leer, weil in einer Aktiengesellschaft grundsätzlich jede unmittelbare Einwirkung der Aktionäre auf den Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG ausgeschlossen ist. Die Rechte der Aktionäre sind nach § 119 AktG auf das Recht zur Satzungsgebung, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und das Recht zur Bestimmung über die Verwendung des Bilanzgewinnes beschränkt.18

b) Zu den Weisungen an die kommunalen Aufsichtsratsmitglieder einer AG

Für die kommunale Aktiengesellschaft steht fest, dass gegenüber Mitgliedern des Aufsichtsrats einer AG aus gesellschaftsrechtlichen Gründen ein Weisungsrecht nicht festgelegt werden kann. Die §§ 394 f. AktG sehen für Mitglieder von Aufsichtsräten lediglich Auskunftspflichten, nicht aber Regelungen zur Weisungsgebundenheit vor. Aus den Rechtsgedanken der §§ 76, 119 Abs. 2, 84, 93, 116 AktG schlussfolgert der BGH zudem, dass Aufsichtsratsmitglieder den Interessen der Gesellschaft den Vorzug zu geben haben und schon deshalb nicht an Weisungen des Entsendungsberechtigten gebunden sein können.19 Der Aufsichtsrat ist ein selbstständiges und selbstverantwortliches Kontrollorgan gegenüber dem Vorstand20 und deswegen allein dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet.21 Aufgrund seiner Organstellung22 übt er gegenüber dem Vorstand eine Kontroll- und Überwachungsfunktion aus. Auf diese Kontrolle vertraut der Rechtsverkehr. Er geht davon aus, dass Aufsichtsratsmitglieder im Interesse der Gläubiger diese Kontrolle eigenverantwortlich und weisungsfrei wahrnehmen. Mit diesem Gläubigerschutz korrespondiert der Ausschluss jeglicher Weisungen. Dieser bundesrechtlich vorgegebene Regelungszweck ist so prägend und wesensimmanent, dass er entgegenstehende kommunalrechtliche Zwecksetzungen verdrängt.

4. Weisungsrechte und GmbH

Bei der kommunalen GmbH gibt es derart klare Vorgaben im Bundesrecht nicht.

a) Weisungen an den kommunalen Gesellschaftervertreter

Das GmbH-Recht erkennt an, dass der Vertreter der Gesellschafterversammlung Repräsentant der Kommune ist.23 Kommunalrechtliche Weisungsrechte werden daher jedenfalls im gesellschaftsrechtlichen Ausgangspunkt anerkannt, da sich das Verhältnis zwischen der Kommune als Gesellschafter und ihren Vertretern im Außenverhältnis nach den §§ 164 BGB richtet.24 Da den kommunalen Vertretern eine zentrale Funktion bei der Umsetzung der kommunalen Steuerung des Unternehmens zukommt,25 wird das Weisungsrecht bei der GmbH als das wesentliche Instrument angesehen, um die verfassungsrechtlich geschuldete Einflussnahme der Kommune auf die Gesellschaft sicherzustellen. Dem Gesellschafter wird die Befugnis zugestanden, seine Interessen in der Gesellschafterversammlung zu verfolgen,26 diese Interessen sind mit dem öffentlichen Zweck gleichzusetzen, der – sinnvollerweise27 – in der Gesellschaftssatzung beschrieben wird.

b) Kommunale Weisungsrechte an die Mitglieder des Aufsichtsrates in der GmbH

Für den Aufsichtsrat einer GmbH und die Frage einer Weisung an die Aufsichtsratsmitglieder muss differenziert werden.

aa) Kommunale Gesellschaft mit obligatorischem Aufsichtsrat

Das Gesellschaftsrecht schreibt nicht vor, wann bei der GmbH zwingend ein Aufsichtsrat vorzusehen ist.28 Wohl kann sich eine Verpflichtung hierzu aus Mitbestimmungsvorschriften ergeben. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG ist in einer GmbH ein Aufsichtsrat zu bilden, wenn mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Dieser insoweit also obligatorische Aufsichtsrat ist zu 1/3 mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen.29 Für alle Mitglieder dieses obligatorischen Aufsichtsrats – also nicht nur für Arbeitnehmervertreter – gilt das Aktienrecht, eine Bindung an Weisungen ist damit ausgeschlossen.30

bb) Weisungsrechte beim fakultativen Aufsichtsrat

Auch für den fakultativen Aufsichtsrat, also den Aufsichtsrat, der nicht vom Gesetz, sondern nur vom Gesellschaftsvertrag vorgeschrieben ist, würde die aktienrechtlich vorgeschriebene Weisungsfreiheit zu beachten sein. Allerdings lässt das Gesellschaftsrecht durchaus einen Gestaltungsspielraum. § 52 Abs. 1 GmbHG räumt dem Gesellschaftsvertrag unter Umständen den Vorrang ein. Nach § 52 Abs. 1 GmbHG kommen die aktienrechtlichen Bestimmungen zur Weisungsfreiheit nämlich dann nicht zur Anwendung, wenn „im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist“. Die aktienrechtlichen Bestimmungen, aus denen für den Aufsichtsrat eine Weisungsfreiheit abgeleitet wird, sind aber nicht schon dann unabwendbar, wenn der Gesellschaftsvertrag die Regelungen pauschal für unanwendbar erklärt. Inwieweit der Gesellschaftsvertrag von der gesetzlichen Regel abweicht, muss vielmehr im Einzelnen „bestimmt“ sein. Der Gesellschaftsvertrag muss also die gesetzliche Regelung durch eine andere Regelung ersetzen; die Regelung im Gesellschaftsvertrag muss so bestimmt sein, dass sich ihr die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, seine Aufgaben, Befugnisse und seine Verfahrensweise zweifelsfrei entnehmen lassen. Dieser in der rechtswissenschaftlichen Literatur nahezu einhellig vertretenen Auffassung31 hat sich das BVerwG angeschlossen.32

5. Zu den Grenzen von Weisungen an die kommunalen Mitglieder im fakultativen Aufsichtsrat

Klammert man das insoweit eindeutige Aktienrecht aus, steht fest, dass es das GmbH-Recht beim fakultativen Aufsichtsrat – und damit in den meisten Fällen des kommunalen Wirtschaftsrechts – durchaus zulässt, Weisungsrechte zulasten kommunaler Organmitglieder vorzusehen. Bliebe es bei diesem Ergebnis, würde damit feststehen, dass es unproblematisch möglich wäre, den dargestellten kommunalrechtlichen Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten auch in den privatrechtlichen Organisationsstrukturen der GmbH jedenfalls dann zur Wirksamkeit zu verhelfen, wenn zwingende Vorschriften des Gesellschaftsrechts dem nicht entgegenstehen. Für die Auslegung dieses Gesellschaftsrechts wird die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht herangezogen. Die gesellschafts- rechtliche Treuepflicht der Gesellschafter zur Gesellschaft begrenzt das Weisungsrecht der Kommune, denn es verpflichtet die Gesellschafter zur vertrauensvollen und loyalen Zusammenarbeit in den Mitgliederorganen und zur angemessenen Rücksichtnahme auf die Belange der Mitgesellschafter.33 Hier tritt die Gemengelage von öffentlichem Recht und privatem Wirtschaftsrecht, von gemeindewirtschaftsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften deutlich zutage.34 Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht stellt eine richterrechtliche Generalklausel dar. Sie verpflichtet die Gesellschafter bei der Ausübung oder Nichtausübung ihrer Rechte zur Rücksichtnahme auf den Gesellschaftszweck und die Interessen der Gesellschaft sowie der Mitgesellschafter. Demnach müssen die Verbandsmitglieder solche Handlungen vornehmen, die der Gesellschaft zuträglich sind, und zuwiderlaufende Maßnahmen unterlassen.35 Eine Weisung an die Repräsentanten der Gemeinde in der Eigengesellschaft, die den Bürger schont, aber die Gesellschaft schädigt, ist rechtswidrig, da sie dem Gesellschaftsinteresse massiv zuwiderläuft.

6. Die kommunale Eigengesellschaft

Ein besonderes Augenmerk verdient die Konstellation, dass die Gemeinde nicht in einem gemischt wirtschaftlichen Konstrukt, also unter Beteiligung privater Mitgesellschafter tätig wird, sondern Alleingesellschafter ist. Sie hat dann nicht nur in der Gesellschafterversammlung das Sagen, sondern in der mitbestimmungsfreien GmbH dann auch noch das Recht, sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrates selbst zu bestimmen.36 Ob auch in einem solchen Fall grenzenlose Weisungsrechte geltend gemacht werden können, hat die Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht problematisiert, ist aber in der gesellschaftsrechtlichen Literatur durchaus umstritten. Auch wenn bei denjenigen, die gesellschaftsrechtlich Weisungsrechte eher für problematisch halten, nicht differenziert wird, ob es sich um eine mehrgliedrige oder eine Einmann-GmbH handelt,37 wird von ihnen jedenfalls darauf verwiesen, dass man Aufsichtsräten im Interesse ihrer Aufsichtsfunktion einen eigenständigen, weisungsfreien Autonomiebereich zubilligen müsse.38 Genau dem widerspricht die Literatur mit durchaus nachvollziehbaren Argumenten.39 Darauf hingewiesen wird, dass in der Einmann-GmbH das Unternehmensinteresse ausschließlich vom Alleingesellschafter bestimmt wird. Der Gläubigerschutz in der Einmann-GmbH erfolgt nach dem Gesellschaftsrecht nicht in der Weise, dass die Gesellschaftsorgane auf „das Unternehmensinteresse‛‛ verpflichtet wären. Der Alleingesellschafter kann die Geschäfte sogar entgegen dem Unternehmensinteresse betreiben bzw. dem Geschäftsleiter Anweisung dazu erteilen, vorausgesetzt, er beachtet dabei die Kapitalerhaltungsregeln.40

Darüber hinaus hat die Rechtsprechung für Missbrauchsfälle eine Haftung des Gesellschafters wegen Vernichtung der Existenz seiner GmbH entwickelt. Jenseits dieser zwingenden Gläubigerschutzregeln dürfte es unter Gesellschaftsrechtlern zum Allgemeinwissen gehören, dass der Alleingesellschafter seine GmbH sogar „vorsätzlich schädigen‛‛ darf. Folgt man dem, darf die Kommune als Alleingesellschafterin kommunalpolitische Interessen durchaus durchsetzen, obwohl sie dem „Unternehmensinteresse‛‛ der kommunalen GmbH im betriebswirtschaftlichen Sinne widersprechen. Insbesondere könnte die Gemeinde als Alleingesellschafterin dem Geschäftsführer ihrer GmbH, solange die genannten zwingenden Gläubigerschutzregeln beachtet werden, jede dem „Unternehmensinteresse‛‛ widersprechende Weisung erteilen. Nichts anderes soll für eine kommunale Eigengesellschaft gelten, in der ein fakultativer Aufsichtsrat besteht, davon ganz abgesehen, dass die Kommune es immer in der Hand hätte, das fakultative Organ durch schlichten Beschluss einer Satzungsänderung zu beseitigen.41

 

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

Entnommen aus VBlNds 5/2022.

 

18 Wurzel/Schraml/Gaß, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, 4. Aufl. 2021, Rn. 684.

19 BGH, NJW 1978, 104.

20 §§ 116, 93, 111 AktG.

21 BeckOK KommunalR Bayern/Lück, 11. Ed. 01.08.2021, GO Art. 93 Rn. 42.

22 Vgl. § 111 Abs. 1 AktG.

23 Koch, VerwArch 2011 S. 1, 3.

24 Vgl. HessVGH, UPR 2010 S. 106; Mann, VBlBW 2010 S. 7, 13; Koch, VerwArch 2011 S. 1, 3.

25 Vgl. Strobel, DVBl. 2005 S. 77, 78.

26 Vgl. Koch, VerwArch 2011 S. 1, 3.

27 Vgl. Mann, VBlBW 2010 S. 7, 13.

28 Merkt, Münchener Kommentar GmbHG, 4. Aufl., 2022, § 11, Rn. 31.

29 Wurzel/Schraml/Gaß, a. a. O.., Rn. 458.

30 PdK Bay/Schulz GO Art. 93 Anm. 3.3, Hassel, der gemeindehaushalt 1992 S. 77, 80; kritisch Ziche/Herrmann, DÖV 2014 S. 111, 112.

31 Weckerling-Wilhelm/Mirtsching, NZG 2011, 327, 329; Schodder, EWiR 2009, 715, 716.

32 BVerwG, Urt. v. 31.08.2011 – 8 C 16/10 – BVerwGE 140, 300 – 305, Rn. 23 – 29.

33 Wurzel/Schraml/Becker, a. a. O.., Rn. 356; dazu auch OVG NRW, NVwZ 2007 S. 609.

34 Wurzel/Schraml/Gaß ebd.

35 Zuletzt s. die Zusammensetzung bei Reif/Walter, JuS 2021, 630.

36 §§ 52 GmbhG, 101 AktG; dazu auch Altmeppen, NJW 2003, 2561, 2563.

37 So zutreffend Altmeppen, a. a. O..; Fn. 38.

38 Keßler, GmbHR 2000, 71; Püttner, DVBl. 1986, 751 ff., Schwintowski, NJW 1990, 1009,1013.

39 Altmeppen, NJW 2013, 2561, 2565.

40 §§ 30, 31, 43 III GmbHG.

41 Altmeppen, NJW 2003, 2561, 2565.

 

– ANZEIGE –

Die Serie: Kommunale Amts- und Mandatsträger in privaten Unternehmen

 

Prof. Dr. Matthias Dombert

Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Potsdam
n/a