11.07.2022

Verein der Gegner von Coronamaßnahmen verliert die Gemeinnützigkeit (2)

Zur allgemeinpolitischen Betätigung im Rahmen eines steuerbegünstigten Zwecks (Teil 2)

Verein der Gegner von Coronamaßnahmen verliert die Gemeinnützigkeit (2)

Zur allgemeinpolitischen Betätigung im Rahmen eines steuerbegünstigten Zwecks (Teil 2)

Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Der Steuerbegünstigung steht es nicht entgegen, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist. Die allgemeinpolitische Betätigung im Rahmen des steuerbegünstigten Zwecks darf aber nicht über das hinausgehen, was das Eintreten für diesen jeweiligen Zweck und dessen Verwirklichung erfordert (Teil 2).

An der Versagung der Gemeinnützigkeit bestehen keine ernstlichen Zweifel

„c) Danach bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Versagung der Gemeinnützigkeit. Die Betätigung des Antragstellers im Jahr 2020 überschreitet die Grenzen einer zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens i.S. von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO zulässigen Betätigung.

aa) Der Antragsteller verfolgt die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO), indem er nach seinem Vorbringen über die gesundheitlichen Risiken durch den Krankheitserreger SARS-CoV-2 sowie über die Auswirkungen der zur Eindämmung ergriffenen Maßnahmen auf die Gesundheit informiert.


Von der Förderung des Gesundheitswesens werden alle Tätigkeiten erfasst, die der Gesundheit der Bürger dienen, insbesondere die Verhinderung und Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten (BFH, Urt. v. 18.10.2017 – V R 46/16, BFHE 259, 488, BStBl. II 2018, 672, Rn. 23, m. w. N.; vgl. zu den Begriffen auch Fischer, juris PraxisReport Steuerrecht 26/2009, Anm. 3). Dazu gehört auch die Information der Bevölkerung über die Verhinderung und Bekämpfung von Krankheiten (vgl. in diesem Sinne zur Förderung des Zwecks des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO durch Information der Bevölkerung auf Internetseiten BeckOK AO/Erdbrügger, 16. Ed. [01.04.2021], AO § 52 Rn. 171).

bb) Zwar können entgegen der Auffassung des FA die Grundsätze des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO, wonach politische Bildung sich in geistiger Offenheit zu vollziehen hat (BFH, Urt. in BFHE 263, 290, BStBl. II 2019, 301, Rn. 23, 27), nicht ohne Weiteres auf den Zweck der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO übertragen werden. Doch hat der Antragsteller sowohl mit seinem an die deutschen Regierungen gerichteten Dokument als auch mit den ihm zurechenbaren Äußerungen seines … Vorsitzenden die Grenzen dessen überschritten, was zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist. Diese Betätigungen lagen außerhalb dessen, was das Eintreten für sein (steuerbegünstigtes) satzungsmäßiges Ziel, die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens, und dessen Verwirklichung erforderte.

(1) Das – zumindest im Internet zeitweise abrufbare – an die Regierungen gerichtete Dokument, welches zur Veröffentlichung in … bestimmt war, geht über das hinaus, was zur Verfolgung des Zwecks der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens erforderlich ist. Denn der Antragsteller geht mit der Veröffentlichung dieses Dokuments über die Förderung des Gesundheitswesens hinaus. Er tritt damit – wie vom FG angenommen – in den politischen Wettstreit um die zutreffende Strategie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, indem er die undifferenzierten Forderungen nach sofortiger Aufhebung aller verhängten Maßnahmen und der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erhebt. Eine nähere Auseinandersetzung mit den medizinischen, virologischen oder epidemiologischen Gründen für die einzelnen verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie unterbleibt.

Des Weiteren zitiert der Antragsteller in dem jedenfalls zeitweise auf seiner Internetseite zugänglichen Dokument das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG in einer Art und Weise, wie sie in keinem Zusammenhang mit der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens steht. Durch die Hervorhebung nur der Worte ,Recht zum Widerstand‘ und ,andere Abhilfe nicht möglich‘ suggeriert er, dass die Widerstandslage bereits eingetreten sei. Indes kann es ein Widerstandsrecht gegen einzelne rechtswidrige Zustände nur im konservierenden Sinne geben, d. h. als Notrecht zur Bewahrung oder Wiederherstellung der Rechtsordnung. Ferner muss das mit dem Widerstand bekämpfte Unrecht offenkundig sein und es müssen alle von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe so wenig Aussicht auf wirksame Abhilfe bieten, dass die Ausübung des Widerstandes das letzte verbleibende Mittel zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Rechtes ist (zum Widerstandsrecht bereits Bundesverfassungsgericht – BVerfG –, Urt. v. 17.08.1956 – 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, 85, unter C.II.2.b(4)c; zu Art. 20 Abs. 4 GG BVerfG, Urt. v. 18.03.2014 – 2 BvE 6/12, BVerfGE 135, 317, unter B.II.1.f).

Davon kann hier jedoch nicht die Rede sein. Wie zahlreiche verschiedene gerichtliche Entscheidungen zu den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 zeigen, stehen rechtsstaatliche Mittel zur Überprüfung der Maßnahmen zur Verfügung, die der Antragsteller im Rahmen seiner steuerbegünstigten Zwecke mit politischer Zielsetzung angreift.“

Die Äußerungen des Vorsitzenden des Vereins sind dem Antragsteller zuzurechnen

„(2) Die Äußerungen des … Vorsitzenden, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, gehen gleichfalls über ein – auch pointiertes – erforderliches Eintreten für seine satzungsmäßigen Ziele hinaus. Er stellt die Maßnahmen nicht nur in einen Zusammenhang mit den von ihm für richtig erachteten Erkenntnissen zum Gesundheitswesen, sondern verbindet seine Kritik mit Erwägungen über ,andere Mächte‘, die die Pandemie geplant und in deren Abhängigkeit die Politiker die Maßnahmen getroffen hätten. Diese Erwägungen haben nichts mit der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens zu tun, insbesondere fehlt es an einem Zusammenhang mit der Verhinderung und Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten. Der … Vorsitzende des Antragstellers stellt in dem Video seiner Rede auf einer Kundgebung … in den Raum, dass Maßnahmen entweder mangels ausreichender Intelligenz oder aufgrund eines möglichen Abhängigkeitsverhältnisses der Politiker von anderen Mächten so getroffen worden seien. In dem Video seines Vortrags … spricht er über die fehlende Unabhängigkeit der WHO, bzw. ihre Abhängigkeit von Milliardären, die die Politiker kontrollierten. Auf der Internetseite des Antragstellers behauptet er in einem Video …, dass nach der Faktenlage eine ,Corona-Pandemie‘ vorliege, also eine geplante Pandemie.

Diese Äußerungen sind dem Antragsteller zuzurechnen, weil es sich um Äußerungen eines Organs des Antragstellers unter Verwendung des Vereinszeichens des Antragstellers bzw. um auf der Internetseite des Antragstellers abrufbare Videos handelt (vgl. auch BFH, Urt. vom. 29.08.1984 – I R 215/81, BFHE 142, 243, BStBl. II 1985, 106, unter 5.b). Es ist bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass der Antragsteller dieses Verhalten trotz seiner Kenntnis davon unterbunden hat. Dass es sich um eigenmächtiges Verhalten des … Vorsitzenden ohne Wissen des Antragstellers handelt, ist gleichfalls nicht erkennbar (vgl. auch BFH, Urt. v. 27.09.2001 – V R 17/99, BFHE 197, 314, BStBl. II 2002, 169, unter II.2.e, und in BFHE 263, 290, BStBl. II 2019, 301, Rn. 36).“

Eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens i. S. des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO ist hier nicht ersichtlich

„d) Die Betätigung des Antragstellers ist auch nicht als allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO anzusehen. Dies setzt voraus, dass sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt (BFH,Urt. v. 23.09.1999 – XIR63/ 98, BFHE 190, 338, BStBl. II 2000, 200, unter II.1.a). Die Verfolgung von ,Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art‘ ist nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO ausdrücklich ausgeschlossen.

Des Weiteren ist auch § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO von der gemeinnützigkeitsschädlichen Verfolgung politischer Zwecke durch Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung abzugrenzen (BFH, Urt. in: BFHE 263, 290, BStBl. II 2019, 301, Rn. 16 ff.).

Diesen Anforderungen des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO genügt die hier zu beurteilende Betätigung des Antragstellers nicht. Im Vordergrund der Veröffentlichungen/Äußerungen des Antragstellers steht nicht die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens, sondern die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO, wobei die Grenzen einer zulässigen politischen Betätigung überschritten sind. Es erfolgt keine umfassende Befassung mit den demokratischen Grundprinzipien unter objektiver und neutraler Würdigung. Vielmehr zielt – wie vom FG in seinem Beschluss auf S. 14 unter 3.2.3.6.3. zutreffend angenommen – die Tätigkeit des Antragstellers auf konkrete Pandemie-Maßnahmen, wobei deren freiheitsbeschränkende Wirkung und undemokratisches Zustandekommen thematisiert werden.

Insoweit will der Antragsteller gezielt auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und diskutiert politische Fragen nicht – wie § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO mit seiner dort gebotenen Objektivität und Neutralität voraussetzt – in geistiger Offenheit (vgl. auch zur Unterscheidung zwischen der offenen Diskussion politischer Fragen einerseits und der Beeinflussung des Staatswillens durch die Einflussnahme auf die Beschlüsse von Parlament und Regierung andererseits bei der steuerrechtlichen Förderung gemeinnütziger Körperschaften durch Steuerbegünstigung BFH, Urt. in BFHE 263, 290, BStBl. II 2019, 301, Rn. 25 f.).“

Verstoß der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Satzung

„e) Die gemeinnützigkeitsschädliche Betätigung des Antragstellers führt zur Versagung der Steuerbefreiung. Der Verstoß der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Satzung ist bei summarischer Prüfung nicht nur geringfügig.

Im Streitfall kann offenbleiben, ob bei kleineren, einmaligen Verstößen gegen Gemeinnützigkeitsvorschriften wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Versagung der Steuerbefreiung ausscheidet (vgl. zu geringfügigen Verstößen gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO BFH, Urt. v. 12.03.2020 – V R 5/17, BFHE 268, 415, BStBl. II 2021, 55, Rn. 61, m. w. N.; erwähnt, aber nicht einschlägig im BFH, Beschl. v. 26.05.2021 – V R 31/19, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rn. 50). Innerhalb des hier in Rede stehenden Zeitraums handelt es sich im Streitfall nicht nur um einmalige, geringfügige, sondern um fortwährend andauernde Verstöße. Die Videos auf der Internetseite des Antragstellers sind dauerhaft abrufbar gewesen. Von den Äußerungen seines … Vorsitzenden in den Videos auf anderen Veranstaltungen unter Verwendung des Vereinszeichens hat sich der Antragsteller bei summarischer Prüfung nicht erkennbar distanziert oder diese unterbunden.“

 

Bundesfinanzhof, Beschl. v. 18.08.2021 – V B 25/21 – AdV –.

Entnommen aus GK, 2/2022, Rn. 9.

 

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Die Serie: Verein der Gegner von Coronamaßnahmen verliert die Gemeinnützigkeit

 

Heinrich Albers

Beigeordneter beim Niedersächsischen Landkreistag a. D., Sarstedt
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