04.07.2022

Verein der Gegner von Coronamaßnahmen verliert die Gemeinnützigkeit (1)

Zur allgemeinpolitischen Betätigung im Rahmen eines steuerbegünstigten Zwecks (Teil 1)

Verein der Gegner von Coronamaßnahmen verliert die Gemeinnützigkeit (1)

Zur allgemeinpolitischen Betätigung im Rahmen eines steuerbegünstigten Zwecks (Teil 1)

Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindekasse« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Der Steuerbegünstigung steht es nicht entgegen, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist. Die allgemeinpolitische Betätigung im Rahmen des steuerbegünstigten Zwecks darf aber nicht über das hinausgehen, was das Eintreten für diesen jeweiligen Zweck und dessen Verwirklichung erfordert (Teil 1).

Zum Sachverhalt

„Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) über die Frage, ob die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu versagen ist, weil die tatsächliche Geschäftsführung des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken gedient haben soll. Der Antragsteller errichtete seine Satzung im … 2020 und wurde noch im selben Monat im Vereinsregister eingetragen.

Mit Bescheid vom … stellte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt – FA –) fest, dass der Antragsteller die nach der Abgabenordnung (AO) vorgesehenen satzungsmäßigen Voraussetzungen erfüllt. Nach seiner Satzung verfolgt der Antragsteller als gemeinnützige Zwecke die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO) sowie die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO).


Im … 2020 ermittelte das FA, dass auf der Internetseite des Antragstellers … Dokumente eingestellt waren und heruntergeladen werden konnten, in denen die Effektivität von Masken hinsichtlich des Schutzes vor Viren infrage gestellt und in denen auf die nach Meinung des Antragstellers bestehenden gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen des Tragens einer Gesichtsmaske sowie der Verwendung von Desinfektionsmitteln für die Hände hingewiesen wurde (…).

Mit einem – zumindest zeitweise auf der Internetseite des Antragstellers abrufbaren – Dokument, welches zur Veröffentlichung in … bestimmt war, verlangte der Antragsteller von der Bundesregierung und den Landesregierungen, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verhängten Maßnahmen sofort aufzuheben. Gleichzeitig forderte er für den Fall der Weiterführung der Maßnahmen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und zitierte Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), wonach ,gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, (…) alle Deutschen das Recht zum Widerstand [haben], wenn andere Abhilfe nicht möglich ist‘.

Der Antragsteller hatte auf seiner Internetseite das Dokument, das an die Bundesregierung und Landesregierungen gerichtet und in der das Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 GG erwähnt war, auf seiner Internetseite am … mit einem erläuternden Text zur Ablehnung der Veröffentlichung der Anzeige … aufgeführt. Das Dokument erschien in abgeänderter Form – u. a. ohne die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss und ohne einen Hinweis auf das Widerstandsrecht – am … in … Am … war es in abgeänderter Form – u. a. ohne die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss und ohne einen Hinweis auf das Widerstandsrecht – auf der Internetseite des Antragstellers auffindbar.

Der … Vorsitzende des Antragstellers wandte sich in Videos einer Kundgebung … vom … 2020 und eines Vortrags … im … 2020, jeweils unter Verwendung des Vereinszeichens des Antragstellers, sowie in Videos vom … 2020 auf der Internetseite des Antragstellers gegen die Maskenpflicht und die sonstigen getroffenen Maßnahmen (…).

Nach Anhörung des Antragstellers zur Beanstandung seiner tatsächlichen Geschäftsführung, weil er seine satzungsmäßigen Zwecke nicht fördere und zudem originär politische Zwecke verfolge, was gegen das Ausschließlichkeitsgebot verstoße, erließ das FA am … 2020 einen ,Vorauszahlungsbescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag und Widerruf der Gemeinnützigkeit sowie der Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen‘. Damit setzte es ab dem vierten Kalendervierteljahr 2020 die Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer und zum Solidaritätszuschlag auf jeweils 0 Euro fest, versagte die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG und wies darauf hin, dass der Antragsteller ,ab sofort‘ nicht mehr berechtigt sei, Zuwendungsbestätigungen für steuerliche Zwecke auszustellen.

Gegen den Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid und die darin enthaltene Versagung der Steuerbefreiung sowie den Entzug der Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte zugleich AdV. Das FA lehnte den AdV-Antrag ab. Über den Einspruch hat das FA noch nicht entschieden.

Den beim Finanzgericht (FG) gestellten AdV-Antrag lehnte dieses mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 917 veröffentlichten Beschluss vom 30.03.2021 ab. Den Antrag des Antragstellers legte es in der Weise aus, dass die begehrte AdV des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides auch die Versagung der Steuerbefreiung und die Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen umfasse.

An der Rechtmäßigkeit des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides ab dem vierten Kalendervierteljahr 2020 bestünden keine ernstlichen Zweifel, weil der Antragsteller im Jahr 2020 zumindest zeitweise aufgrund der Art und Weise seiner Einflussnahme auf die politische Meinungsbildung die Grenze einer gemeinnützigen Zweckverfolgung überschritten und damit gemeinnützige Zwecke nicht mehr ausschließlich verfolgt habe. Dieser Verstoß der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Zwecke sei auch nicht unerheblich. Ob ab dem Jahr 2021 eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG gewährt werden könne, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Antragsteller weiterhin ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides geltend.

Seine Mitglieder seien Fachleute für … Er erarbeite und verbreite wissenschaftliche Informationen, verfolge keinen politischen Zweck, unterstütze keine politische Partei, veranstalte keine Demonstrationen und sei in keiner Weise aktivistisch tätig. Er sammele Informationen über die Corona-Pandemie, erarbeite eigene wissenschaftliche Erkenntnisse und informiere über die Ergebnisse. Kern seiner Tätigkeit sei die Kommunikation seinerMitglieder untereinander, um auf einen aktuellen Kenntnisstand zu gelangen. Er unterhalte einen E-Mail-Service zur Beantwortung von Bürgeranfragen rund um die Pandemie. Die Öffentlichkeit werde als Ergebnis seiner Tätigkeit durch seinen Internetauftritt oder durch Anzeigen in Zeitungen informiert. Zudem erfolge eine nicht-öffentliche Politikberatung, beispielsweise durch vertrauliche Gespräche mit Politikern.

Seine begünstigte Tätigkeit sei danach zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden, die aber gegenüber der Förderung seiner steuerbegünstigten Zwecke in den Hintergrund trete und nur unvermeidliche Nebenfolge sei. Er, der Antragsteller, vertrete die Position, dass es dem Wohl der Allgemeinheit diene, in einer Pandemie Kranke zu isolieren. Dies suche er durch eigene Forschung und durch Wiedergabe der Forschungsergebnisse anderer zu untermauern. Demgegenüber verträten die Bundesregierung und die Landesregierungen die Auffassung, es diene dem Wohl der Allgemeinheit, in einer Pandemie Gesunde zu isolieren (durch Lockdown, etc.) und das öffentliche Leben ohne Rücksicht auf andere Auswirkungen herunterzufahren. Ein entsprechender Widerstreit bestehe hinsichtlich der Frage, ob ein Maskenzwang für Erwachsene, Jugendliche und Kinder gesundheitlich mehr nutze oder mehr schade. Damit verfolge er keine Gruppeninteressen, sondern die Förderung der Allgemeinheit. Er wolle einen Wechsel der Regierungspolitik, nämlich eine stärkere Orientierung an Evidenzbasierung und Verhältnismäßigkeitsüberlegungen. Die deutschen Regierungen missachteten hingegen diese Gesundheitsprinzipien und bekämpften Kritiker mittels verschiedener Maßnahmen, u. a. wie streitgegenständlich mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit.

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit sei zudem unverhältnismäßig. Er habe lediglich einmalig in einer niemals erschienenen …anzeige das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG thematisiert. Das Dokument, mit dem von den deutschen Regierungen die Aufhebung aller Maßnahmen verlangt worden sei, sei als erste Aktion des Antragstellers zwar kurzfristig auf seiner Internetseite erschienen, nachdem die … die Anzeige abgelehnt hätte, jedoch alsbald wieder entfernt worden. Seine, des Antragstellers, übrigen Texte und Stellungnahmen entsprächen den Anforderungen an das Gemeinnützigkeitsrecht.“

Die Beschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen

In der Begründung des Beschlusses hat das Gericht unter anderem ausgeführt: „2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides vom … 2020.

a) Eine Körperschaft verfolgt gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. § 52 Abs. 2 AO legt fest, welche Zwecke unter den Voraussetzungen des Abs. 1 als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen sind. Hierzu gehört gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 24 AO die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens.

b) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung erfasst – unter Beachtung der sich aus § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO ergebenden Wertungen – die Förderung der Allgemeinheit nicht die Verfolgung politischer Zwecke. Daher darf weder ein politischer Zweck als alleiniger und ausschließlicher oder als überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt sein, noch die Vereinigung mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgen. Hiervon zu unterscheiden ist die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zur Verfolgung der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke. Der BFH hat in seiner ständigen Rechtsprechung anerkannt, dass es der Steuerbegünstigung nicht entgegensteht, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist (BFH, Urt. v. 10.01.2019 – V R 60/17, BFHE 263, 290, BStBl. II 2019, 301, Rn. 18 und 20, m. w. N.).

Zur Förderung der Allgemeinheit gehört auch die kritische öffentliche Information und Diskussion, um ein nach § 52 Abs. 2 AO begünstigtes Anliegen der Öffentlichkeit und auch Politikern nahezubringen, wenn die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des steuerbegünstigten Zwecks in den Hintergrund tritt. Die Grenzen der allgemeinpolitischen Betätigung einer steuerbegünstigten Körperschaft sind noch gewahrt, wenn die Beschäftigung mit politischen Vorgängen im Rahmen dessen liegt, was das Eintreten für die (steuerbegünstigten) satzungsmäßigen Ziele und deren Verwirklichung erfordert (BFH, Urt. In BFHE 263, 290, BStBl. II 2019, 301, Rn. 21, m. w. N.). Eine gemeinnützige Körperschaft darf die von ihr verfolgten Zwecke auch einseitig vertreten, in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen und in ihrer subjektiven Abwägung höher als andere Ziele gewichten.

Die endgültige Abwägung zwischen den widerstreitenden Zielen obliegt ohnehin nicht der Körperschaft, sondern den politischen Entscheidungsträgern, an die das Anliegen herangetragen wird, bzw. im Falle eines Volksbegehrens der Gesamtheit der abstimmenden Bürger (BFH, Urt. v. 20.03.2017 – X R 13/15, BFHE 257, 486, BStBl. II 2017, 1110, Rn. 76).“

 

Bundesfinanzhof, Beschl. v. 18.08.2021 – V B 25/21 – AdV –.

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

Entnommen aus GK, 2/2022, Rn. 9.

 

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Die Serie: Verein der Gegner von Coronamaßnahmen verliert die Gemeinnützigkeit

 

Heinrich Albers

Beigeordneter beim Niedersächsischen Landkreistag a. D., Sarstedt
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