15.03.2024

Wie vorbildlich wollen wir sein – wie können öffentliche Unternehmen mit den Her-ausforderungen steigender Nachhaltigkeitsberichterstattung umgehen?

Vorbericht zu der 11. Speyerer Tagung

Wie vorbildlich wollen wir sein – wie können öffentliche Unternehmen mit den Her-ausforderungen steigender Nachhaltigkeitsberichterstattung umgehen?

Vorbericht zu der 11. Speyerer Tagung

©Deemerwha - stock.adobe.com
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Die Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt für öffentliche Unternehmen gegenwärtig eine der wichtigsten Aufgaben dar. In die öffentliche Debatte Einzug erhalten haben diese Fragen unter der Abkürzung „ESG“ (Environmental, Social und Governance). Das heißt, öffentliche Unternehmen müssen bei ihren Entscheidungen verstärkt Auswirkungen auf die Umwelt, soziale Fragen und ihre Governance im Blick behalten. In der EU wird diese Berichterstattung nach der CSRD-Richtlinie geregelt, deren Umsetzung für öffentliche Unternehmen mit einigen Herausforderungen verbunden ist.

Dazu zählt, dass in zwölf Bereichen so genannte European Sustainability Reporting Standards („ESRS“) definiert wurden, auf deren Basis die Unternehmen berichten sollen. Davon umfassen zwei ESRS themenübergreifende Prinzipien und die restlichen zehn teilen sich auf die Buchstaben E, S und G auf. Ende 2023 hat die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) eine Liste mit insgesamt 1178 Datenpunkten zur praktischen Erfassung der ESRS veröffentlicht, von denen 265 auf freiwilliger Basis erhoben werden sollen.  Es bleibt zu hinterfragen, inwiefern dieser „Regel-Dschungel“ verständlich und übersichtlich für die Betroffenen umgesetzt werden kann und inwiefern die gewünschte Steuerungswirkung eintritt, wenn die Gefahr besteht, dass die Regelungen potenziell nicht von allen Verantwortlichen in den Unternehmen verstanden werden. Zudem könnte bei den betroffenen Unternehmen selbst bei vollständiger Durchdringung durch die Vielzahl an Regelungen und der zu erhebenden Daten eine potenziell lähmende Wirkung eintreten, besonders dann, wenn die Pflichten nicht (vollumfänglich) erfüllt werden können. Und dies vor allem vor dem Hintergrund, dass nach landesrechtlichen Bestimmungen auch kleinere öffentliche Unternehmen bezüglich der Berichtspflichten wie große private Kapitalgesellschaften behandelt werden.1https://www.etl-wirtschaftspruefung.de/aktuelles/csrd-sind-oeffentliche-unternehmen-von-der-nachhaltigkeitsberichtspflicht-betroffen (Abruf: 28.02.2024) https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/SF/CSRD/CSRD_node.html (Abruf: 28.02.2024) https://www.idw.de/IDW/Medien/IDW-Schreiben/2022/Down-CSRD-KMU-Oeffentliche-Hand.pdf (Abruf: 28.02.2024).

 

Die im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erhebenden Kennzahlen wirken intern wie KPIs, so genannte Key Performance Indicators, die dem Prinzip der Ergebnissteuerung folgen. Das bedeutet, dass in verschiedenen Bereichen quantitative Zielgrößen festgelegt werden, die dann von den entsprechenden Unternehmenseinheiten zu erfüllen sind. Vor allem für Stakeholder bringt dieser Vorteile, da Unternehmen auf diese Weise sehr schnell und anhand „harter Zahlen“ verglichen werden können. Nichtsdestoweniger kann der starke Fokus auf die Zahlen dazu führen, dass die Mitarbeitenden sich vorrangig an deren reiner Erfüllung orientieren und somit vorrangig die extrinsische Motivation angesprochen wird. Dies kann sogar dazu führen, dass damit die intrinsische Motivation, langfristig qualitative Verbesserungen im Bereich der Nachhaltigkeit im Unternehmen zu erreichen, verdrängt wird. Darüber hinaus ist es nicht auszuschließen, dass angesichts der Menge besonders unter Zeitdruck Kennziffern manipuliert werden könnten, besonders wenn diese von außen nicht so leicht nachprüfbar sind.


Der immer stärker werdende Fokus auf Nachhaltigkeit bietet selbstverständlich auch die Chance, eine nachhaltige Transformation in dem Unternehmen anzustoßen. Dies kann aber nur gelingen, wenn durch die oben beschriebenen Regeln für öffentliche Unternehmen keine lähmende Wirkung eintritt. Und die Kennzahlen müssen in der Unternehmenspraxis in passende Ziele umgesetzt werden. Denn nur so können sie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Unternehmensalltag gelebt werden und tatsächlich nachhaltig Verbesserungen erzielt werden. Deshalb ist der Dialog zwischen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Beratung hinsichtlich dieser Fragestellungen von großer Bedeutung. Die perfekte Plattform bietet hierfür die 11. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance. Diese findet vom 15. bis 16. April 2024 statt. Bei der Tagung wird es auch das Panel „Zukunft der Nachhaltigkeitsberichterstattung für öffentliche Unternehmen mit CSRD: Wie vorbildlich wollen wir sein?“ geben. Die Fragestellung diskutieren werden Ministerialdirektor Stefan Ramge (Abteilungsleiter Beteiligungen, Bundesimmobilien und Privatisierungen im Bundesministerium der Finanzen), Rechtsanwalt Moritz Meyer (Branchenexperte für die öffentliche Hand, PwC Hannover) und Prof. Dr. Dörte Diemert (Stadtkämmerin und Dezernentin für Finanzen und Recht der Stadt Köln).

 

Johannes Hassemer, M.A.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer
 

Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner

Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer Wissenschaftliches Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance (wifucg), Berlin
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    https://www.etl-wirtschaftspruefung.de/aktuelles/csrd-sind-oeffentliche-unternehmen-von-der-nachhaltigkeitsberichtspflicht-betroffen (Abruf: 28.02.2024) https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/SF/CSRD/CSRD_node.html (Abruf: 28.02.2024) https://www.idw.de/IDW/Medien/IDW-Schreiben/2022/Down-CSRD-KMU-Oeffentliche-Hand.pdf (Abruf: 28.02.2024).
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