25.03.2024

Jagd in Zeiten des Klimawandels

Wald und Schalenwild in Einklang bringen

Jagd in Zeiten des Klimawandels

Wald und Schalenwild in Einklang bringen

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Angesichts der aktuellen Waldschäden und der Herausforderungen zur Entwicklung klimaresilienter Wälder hat der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR) am 16.02.2023 das „Positionspapier für eine Jagd in Zeiten von Klimawandel und notwendiger Klimaanpassung: Wald und Schalenwild in Einklang bringen!“ vorgelegt. Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz war an der Erarbeitung des Positionspapiers beteiligt.

I. Ausgangslage

Die Bedeutung des Waldes und die einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung werden in der Zukunft sowohl für die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer als auch für die Gesellschaft weiter zunehmen. Die wesentlichen Leistungen des Waldes umfassen die Bereitstellung von Holz als nachwachsendem Rohstoff, die Klimaschutzleistung, die Förderung von Biodiversität und Artenschutz, die Speicherung von Trink- und Grundwasser und die Erholungsnutzung. Ziel ist die Erhaltung eines multifunktionalen, standortgerechten, nachhaltigen und an die Auswirkungen des Klimawandels angepassten Waldökosystems. Gerade der Klimawandel mit seinen für den Wald fatalen Folgen (u. a. Stürme, Insektenmassenvermehrungen, längere Hitze- und Dürreperioden, Waldbrände) erfordert jetzt eine deutliche Intensivierung des Waldumbaus. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Gesundheitszustand des Waldes dramatisch verschlechtert – 500 000 Hektar sind bereits abgestorben und kahlgefallen. Diese Situation bedingt im Gesamtwald umfangreiche Wiederbewaldungs- und Waldumbaumaßnahmen zur Schaffung klimaanpassungsfähiger Waldökosysteme.

Die gesetzlichen Vorgaben des Jagd- und Forstrechts bilden den rechtlichen Rahmen, um die Schalenwildbestände durch die Jagd dauerhaft auf ein waldverträgliches Niveau einzuregulieren. Jedoch besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen diesen Vorgaben und ihrer praktischen Erfüllung. Dies dokumentieren die waldbaulichen/forstlichen Gutachten (Vegetationsgutachten) sowie die Ergebnisse der Zertifizierungen.


Wildschäden gefährden die nachhaltige, naturnahe Bewirtschaftung des Waldes und den Aufbau strukturreicher, klimastabiler Wälder. Darüber hinaus erfordern gravierende Schwarzwildschäden in der Landwirtschaft sowie die präventive und kurative Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest eine intensive und ebenso konsequente, besitzartenübergreifende Bejagung im Wald.

In Anbetracht der Bedeutung des Waldes sowohl für die Gesellschaft als auch für die einzelnen Waldbesitzenden besteht kein Zweifel, dass für große Teile der deutschen Waldfläche dringender Handlungsbedarf besteht.

II. Forderungen

Zukunftsfähige Wälder gelingen nur mit angepassten Wildbeständen. Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen stellen hierfür aber kein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung. Weder ermöglichen sie denjenigen, die über kein eigenes Jagdausübungsrecht verfügen (Kleinprivatwald), zu angepassten Wildbeständen in ihren Wäldern zu kommen, noch formulieren sie in Zeiten des klimabedingten Waldumbaus stringente Jagdziele. Zuletzt brauchen auch die Jägerinnen und Jäger ausreichende Instrumente, um angesichts hoher Schalenwildbestände den an sie gestellten Herausforderungen tierschutzgerecht und mit möglichst geringem Jagddruck genügen zu können. Im Einzelnen:

1. Stärkung des Eigentums:

Das Jagdrecht ist Teil des Eigentumsrechts. Seine Bindung an das Grundeigentum ist uneingeschränkt zu erhalten. Das Jagdrecht der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer ist aber gegenüber dem Jagdausübungsrecht der Jagdpächterinnen und Jagdpächter deutlich hervorzuheben und zu stärken. Dies soll wie folgt erreicht werden:

1.1 Gestaltung von Jagdpachtverträgen flexibilisieren

Um situationsangepasst verpachten zu können, gilt die Vertragsfreiheit gemäß BGB. Mindestpachtdauer und andere, die Vertragsfreiheit beschränkende Regelungen sind zu streichen. In gemeinschaftlichen Jagdbezirken bedarf eine Pachtdauer, die fünf Jahre überschreitet, eines einstimmigen Beschlusses der Jagdgenossenschaftsversammlung.

1.2 Einrichtung besonderer Jagdbezirke ermöglichen

Zur Stärkung einer unmittelbaren Einflussnahme der Jagdrechtsinhaberinnen und Jagdrechtsinhaber auf die Jagdausübung wird Mitgliedern eines forstwirtschaftlichen Zusammenschlusses i. S. d. § 15 BWaldG auf den Mitgliedsflächen eine Möglichkeit zur Bildung eines besonderen Jagdbezirks eingeräumt. Für einen solchen Jagdbezirk gelten die Maßgaben und Regelungen eines Eigenjagdbezirks.

1.3 Vertretungsmöglichkeiten in der Jagdgenossenschaft ausweiten

Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer sollten die Möglichkeit haben, sich auf den Mitgliedsflächen durch die sie betreuenden forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse i. S. d. § 15 BWaldG in der Jagdgenossenschaft vertreten zu lassen. Auf diesem Weg wird eine Lösung gefunden, dass auch die Interessen von nicht mehr vor Ort wohnenden Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer vertreten werden. Gleichzeitig werden die Bedeutung der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse auch in jagdrelevanten Fragestellungen gestärkt und die Interessen der Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer gebündelt.

1.4 Wildschadenersatz einfacher durchsetzen

Das Verfahren zur Durchsetzung von Anträgen auf Wildschadensersatz muss vereinfacht, beschleunigt und im Hinblick auf die Belange der geschädigten Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer rechtssicherer gestaltet werden, wie u. a. in der Frage der Beweislast und durch Wegfall der Differenzierung nach Haupt- und Nebenbaumarten.

2. Waldverjüngungs-Ziele:

2.1 Waldverjüngung sichern

Wichtiges Ziel der Jagd muss es zukünftig sein, eine Verjüngung (Naturverjüngung, Saat und Pflanzung) und ein gesichertes Heranwachsen standortgerechter Baum-, Strauch- und Krautarten in ausreichender Dichte und Mischung ohne Schutzmaßnahmen zu ermöglichen, um zukunftsfähige Waldökosysteme zu schaffen und zu erhalten.

2.2 Einfluss des Schalenwildes dokumentieren

Flächendeckend sind revierweise amtliche periodische Vegetationsgutachten nach Unterrichtung des Waldbesitzenden einzuführen, die den Einfluss der Schalenwildarten auf die Waldverjüngung dokumentieren.

2.3 Neue Baumartenzusammensetzungen ermöglichen

Die zukünftigen Klimabedingungen führen zu einer sich wandelnden Baumartenzusammensetzung. Diesem Umstand muss auch im Wildschadensrecht Rechnung getragen werden. Dies gilt insbesondere für Baumarten, die bislang nicht den Hauptbaumarten zugerechnet werden (§ 32 BJG). Die DFWR-Wildschadenskonvention ist hierbei als Grundlage einer Schadensbeurteilung geeignet.

3. Jagdpraktische Umsetzung:

3.1 Behördlichen Abschussplan für Rehwild abschaffen

Rehwildbestände sind nicht quantifizierbar. Grundlage für den Abschuss muss daher seine Wirkung auf die Vegetation und somit das amtliche periodische Vegetationsgutachten in Verbindung mit der revierweisen Bewertung gem. § 32 BJG sein.

3.2 Behördlichen Abschussplan für Hochwild flexibilisieren

In den Jugendaltersklassen (Kälber, Lämmer, Gamskitze und 1-jährige Stücke) sowie bei allem weiblichem Wild gelten die Abschusspläne für Hochwild als Mindestabschusspläne.

3.3 Anordnung des Erlegungsnachweises bei nicht angepassten Wildbeständen

In Jagdbezirken, in denen aufgrund von amtlichen Vegetationsgutachten der Verbiss als „zu hoch“ oder „deutlich zu hoch“ bewertet wird, ist der vollzogene Abschuss mit beweishaltigen Methoden zu dokumentieren.

3.4 Wildfütterungen verbieten

Um Wildkonzentrationen, die vermehrte Wildschäden nach sich ziehen, zu vermeiden, ist die Wildfütterung grundsätzlich verboten. Ausnahmen hiervon können von der obersten Jagdbehörde nach wildbiologischen Erkenntnissen genehmigt werden. Wird die Fütterung genehmigt, ruht i. d. R. die Jagd.

3.5 Jagdzeiten synchronisieren

Die Jagdzeiten sind unter Berücksichtigung klimatischer Änderungen und tierschutzrechtlicher Vorgaben zu synchronisieren, um einerseits die Jagd effizient zu gestalten und andererseits Ruhe für das Wild zu ermöglichen.

3.6 Effiziente Jagdmethoden umsetzen

Bewegungsjagden ermöglichen, den Jagddruck auf deutlich weniger Tage im Jahr zu konzentrieren und dem Wild im Übrigen mehr Ruhe zu verschaffen. Ein großes Hemmnis stellt das teilweise vorhandene Verbot von überjagenden Hunden dar. Im Rahmen von Bewegungsjagden sind daher überjagende Jagdhunde unter Auflagen von Reviernachbarinnen und Reviernachbarn zu dulden. Die Kirrjagd ist unter strengen rechtlichen Vorgaben zuzulassen.

3.7 Jagdliche und forstliche Ausbildung intensivieren

Nachhaltige Forstwirtschaft kann nur gelingen, wenn Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer sowie Jägerinnen und Jäger einen umfassenden Kenntnisstand zu den forstbetrieblichen Rahmenbedingungen haben und daraus gleiche Ziele ableiten. Wichtige Zusammenhänge des Waldökosystems, insbesondere der Einfluss überhöhter Wildbestände auf die Waldentwicklung, müssen bei der jagdlichen Ausbildung und der Fortbildung der Jägerinnen und Jäger verstärkt berücksichtigt werden. Parallel hierzu sind jagdliche Inhalte in der forstlichen Ausbildung zu intensivieren.

[…]

Den vollständigen Beitrag entnehmen Sie der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz Heft 12/2023, Rn. 119.

 

Dr. Stefan Schäfer

Forst- und Pressereferent des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz
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