15.03.2024

Die Aufhebung teilweise rechtswidriger drittbegünstigender Verwaltungsakte

Einblick in das Verhältnis von Prozessrecht und materiellem Verwaltungsrecht - Teil 2

Die Aufhebung teilweise rechtswidriger drittbegünstigender Verwaltungsakte

Einblick in das Verhältnis von Prozessrecht und materiellem Verwaltungsrecht - Teil 2

Das Prozessrecht steht nicht für sich allein, sondern hat eine den materiellen Rechten der Prozessbeteiligten dienende Funktion. | © rcfotostock - stock.adobe.com
Das Prozessrecht steht nicht für sich allein, sondern hat eine den materiellen Rechten der Prozessbeteiligten dienende Funktion. | © rcfotostock - stock.adobe.com

Fortsetzung des ersten Teils

Die subjektive Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander.1Vgl. etwa Wahl, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: August 2022, Vorbemerkung, § 42 Abs. 2 VwGO Rn. 4 ff. Üblicherweise wird dieses sicht- und spürbar, wenn mit den Mitteln des subjektiven Rechtsschutzsystems der Verwaltungsgerichtsordnung ein objektiv rechtswidriges staatliches Handeln nicht erfolgreich gerichtlich angegriffen werden kann.2Zu den Ausnahmen von der Geltendmachung einer Verletzung subjektiver Rechte R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 42 Rn. 180 ff. Besonders eindrücklich tritt es z. B. in baurechtlichen Nachbarklagen zutage, wenn eine objektiv rechtswidrige Baugenehmigung nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt. In diesen Fällen bleibt die Spannung in der Regel unaufgelöst: Die weit überwiegende Subjektivität des Individualrechtsschutzes gebietet es, die Erfolglosigkeit gerichtlichen Rechtsschutzes gegen allein objektiv rechtswidriges staatliches Handeln hinzunehmen. Das Spannungsverhältnis kann indes auch dort auftreten, wo die Subjektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes eigentlich nur den teilweisen Erfolg eines Rechtsmittels gebieten würde, das hierdurch geschaffene Ergebnis indes gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstieße. Konkret ist dabei an Anfechtungsklagen (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) Drittbetroffener („Nachbarn“) gegen begünstigende Verwaltungsakte in Gestalt komplexer, in der Regel bauordnungsrechtlicher bzw. immissionsschutzrechtlicher Vorhaben- bzw. Anlagengenehmigungen zu denken, die im Hinblick auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO eigentlich nur insoweit zu einer gerichtlichen Kassation der Genehmigung führen dürften, wie sie rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Mit den hierdurch aufgeworfenen Fragen setzen sich die nachfolgenden Ausführungen auseinander.

bb) Ferner ist hinsichtlich der prozessualen Teilaufhebung eines materiell-rechtlich unteilbaren drittbegünstigenden Verwaltungsaktes auch die Stellung des (in der Regel nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladenden) Adressaten im Verhältnis zur Verwaltung in den Blick zu nehmen.3Vgl. zu diesem Ansatz auch Funke, NVwZ 2021, 114, 118, in Bezug auf die isolierte Anfechtung einer den Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsaktes belastenden Nebenbestimmung. Vorhabenbezogene Zulassungsentscheidungen wie etwa die Baugenehmigung oder die immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigung sind in der Regel gebundene Entscheidungen. So ist etwa die Baugenehmigung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Das Entsprechende gilt nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung.4Vgl. ferner z. B. zur wasserrechtlichen Erlaubnis und Bewilligung § 12 Abs. 1 Nr.2 WHG. Verstößt nach einer prozessualen Teilaufhebung der bestehenbleibende Torso aufgrund der materiell-rechtlichen Unteilbarkeit gegen (von der jeweils zuständigen Behörde zu prüfende) öffentlich-rechtliche Vorschriften, hat der Bauherr bzw. der Anlagenbetreiber nach dem materiellen Recht seinerseits keinen Anspruch auf Erteilung und Bestand einer solchen Bau- bzw. Anlagengenehmigung.5Zur Baugenehmigung VGH BW, Urt. v. 03.11.1982 (Fn. 12), S. 268. Durch das „Stehenlassen“ eines rechtswidrigen Torsos würde also dem Bauherrn bzw. dem Anlagenbetreiber ein ihm nach dem materiellen Recht nicht zustehender Rechtsvorteil gewährt werden.6Vgl. zur verneinten Teilbarkeit im Hinblick auf eine isoliert angefochtene rechtswidrige Nebenbestimmung zu einer von Anfang an rechtswidrigen glückspielrechtlichen Genehmigung BVerwG, Urt. v. 06.11.2019 (Fn. 6): „Findet ein auf ein derartiges Leistungsbegehren ergangener begünstigender Verwaltungsakt keine Grundlage im materiellen Recht, so hat sein Adressat darauf keinen Anspruch. Nichts anderes gilt, wenn einer solchen rechtswidrigen Begünstigung ihrerseits ebenfalls rechtswidrige Nebenbestimmungen beigefügt sind. Damit besteht aber auch kein Recht auf deren isolierte verwaltungsgerichtliche Aufhebung, die mit der Konsequenz verbunden wäre, dass der materiell rechtswidrige und dem Adressaten nicht zustehende Verwaltungsakt weiterhin Geltung beanspruchte“; krit. hierzu Funke (Fn. 19), S. 115 f.


d) Die prozessuale Teilaufhebung eines teilweise rechtswidrigen Verwaltungsakts kann daher nach ganz überwiegender und überzeugender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nur erfolgen, wenn der Verwaltungsakt hinsichtlich des dann verbleibenden Teils auch materiell-rechtlich teilbar ist. Diese Konnexität gilt indes nicht für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

2. Abgrenzung zu § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO

Anders als im Hauptsacheverfahren einer Drittanfechtungsklage ist eine nur teilweise gerichtliche Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs grundsätzlich unabhängig von der materiell-rechtlichen Teilbarkeit des zu vollziehenden Verwaltungsaktes und der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des weiter vollziehbaren Teiles des Verwaltungsaktes möglich.7Vgl. zu einer Baugenehmigung etwa VGH BW, Beschl. v. 02.10.2019 – 3 S 1470/19 – juris Rn. 117, der die Frage der Teilbarkeit der Baugenehmigung und der Rechtmäßigkeit des weiterhin vollziehbaren Teils der Baugenehmigung nicht thematisiert. Dies liegt darin begründet, dass die Streitgegenstände des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes und des Anfechtungsverfahrens in der Hauptsache grundsätzlich unterschiedlich sind:

a) Streitgegenstand des Anfechtungsverfahrens ist der materiell- rechtliche Beseitigungsanspruch des Klägers in Bezug auf einen Verwaltungsakt, der – ggf. – durch die gerichtliche Aufhebung des Verwaltungsaktes zu erfüllen ist. Soweit er aufgehoben worden und die Entscheidung rechtskräftig geworden ist, ist der Verwaltungsakt endgültig unwirksam und damit „aus der Welt“.

b) Gegenstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist indes allein die Abwägung der privaten Interessen des Antragstellers, bis zu einer Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache von den Wirkungen des sofort vollziehbaren Verwaltungsakts verschont zu bleiben, mit dem öffentlichen Interesse und den Interessen des Adressaten des begünstigenden Verwaltungsaktes an dessen sofortiger Vollziehung. Zur Wahrung der betreffenden überwiegenden Interessen ist es dem Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglich, die aufschiebende Wirkung „ganz oder teilweise“ anzuordnen (§ 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) sowie die Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung, Auflagen oder befristet auszusprechen (§ 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 4 und 5 VwGO). Dem Gericht ist insoweit ein eigenes Gestaltungsermessen eingeräumt.8Schoch, in: ders./Schneider (Fn. 1), § 80 VwGO Rn. 426; Puttler, in: Sodan/ Ziekow (Fn. 9), § 80 Rn. 139. Die nur teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung setzt voraus, dass die Vollzugsfähigkeit des Verwaltungsakts dergestalt teilbar ist, dass der von der Herstellung der aufschiebenden Wirkung erfasste Teil als abspaltbares Minus gegenüber der Gesamtregelung qualifiziert werden kann.9OVG Berlin, Beschl. v. 26.08.2003, NVwZ 2003, 1524; Schoch (Fn. 24), Rn. 426; so wohl auch VGH BW, Beschl. v. 02.10.2019 (Fn. 23), Rn. 117; a. A. wohl OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.11.2016 – OVG 10 S 5.16 – juris Rn. 27. Aufgrund der nur vorübergehenden Wirkung einer Entscheidung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 1 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO bis zur Entscheidung in der Hauptsache kann es nicht auf die materiell-rechtliche Teilbarkeit des Verwaltungsakts selbst ankommen, weil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – anders als in der Hauptsache – gerade nicht die Gefahr besteht, dass durch eine gerichtliche Entscheidung erstmals ein rechtswidriger Zustand geschaffen wird.

B. Materiell-rechtliche Voraussetzungen der prozessualen Teilaufhebung

Das Bundesverwaltungsgericht hat allgemeine materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Teilbarkeit und damit die nur teilweise prozessuale Aufhebung von Verwaltungsakten entwickelt, wobei den zu entscheidenden Sachverhalten meist zweipolige Anfechtungssituationen in Bezug auf die den Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsaktes belastenden Nebenbestimmungen zugrunde lagen. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat hiervon ausgehend für dreipolige Anfechtungssituationen in Bezug auf Baugenehmigungen besonders strenge Voraussetzungen für deren materiell-rechtliche Teilbarkeit formuliert. Im Folgenden sollen die allgemeinen Voraussetzungen der Teilbarkeit sowie ihre Konkretisierung für Vorhabengenehmigungen dargestellt werden. Hieran schließt sich eine Vertiefung hinsichtlich der Teilbarkeit von Genehmigungen und den darin enthaltenden Nebenbestimmungen an, die dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dienen sollen.

I. Die Voraussetzungen im Allgemeinen

Materiell-rechtliche Voraussetzungen der Teilaufhebung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Teilbarkeit des Verwaltungsakts im rechtlichen Sinne und das Nichtvorliegen eines Teilungsverbots. Durch die Aufhebung des rechtswidrigen Teils darf kein – aus welchen Gründen auch immer – rechtswidriger Torso entstehen.10Vgl. hierzu grundsätzlich BVerwG, Urt. v. 17.02.1984, NVwZ 1984, 366. Der Torso muss vielmehr sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben können.11Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 (Fn. 26), v. 22.11.2000, NVwZ 2001, 429, und v. 06.11.2019 (Fn. 6). Insbesondere wenn der rechtswidrige Teil des Verwaltungsaktes mit dem eigentlichen Inhalt des Verwaltungsaktes in einem solchen Zusammenhang steht, dass er die mit dem Verwaltungsakt ausgesprochene Rechtsgewährung inhaltlich einschränkt und dass nach Aufhebung des rechtswidrigen Teils der bestehen bleibende Teil des Verwaltungsaktes entgegen dem geltenden Recht eine uneingeschränkte Begünstigung enthalten würde, schließt dies materiell-rechtlich die isolierte Aufhebung aus.12BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 (Fn. 26) und v. 08.02.1974, BayVBl. 1974, 379 f. Trennbar sind demnach grundsätzlich örtlich, zeitlich, gegenständlich oder personell abgrenzbare Teile einer Regelung.13Vgl. nur Riese (Fn. 4), Rn. 13 m. w. N.

II. Die Voraussetzungen in Bezug auf Vorhabengenehmigungen im Besonderen

Die Frage der materiell-rechtlichen Teilbarkeit von Verwaltungsakten wird in der Rechtsprechung unter anderem in Bezug auf Genehmigungen von Bauvorhaben bzw. emittierenden Anlagen behandelt. Gegenstand der Entscheidungen ist dabei häufig die Teilbarkeit hinsichtlich bestimmter Nebenbestimmungen zu den Genehmigungen. Verfahrensrechtlich handelt es sich entweder um isolierte Anfechtungsklagen des Genehmigungsinhabers oder um Drittanfechtungsklagen von Nachbarn, die von schädlichen Umwelteinwirkungen betroffen sein können.

1. Grundsätzliche Unteilbarkeit von Vorhabengenehmigungen

Zu Baugenehmigungen und den ihnen zugrundeliegenden Bauanträgen hat die obergerichtliche Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass sie nicht teilbar sind, sondern ein einheitliches Ganzes darstellen, weshalb das Verwaltungsgericht in der Regel nicht befugt ist, ein vom Bauherrn einheitlich zur Genehmigung gestelltes Vorhaben aufzuteilen.14OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2021 – 2 B 328/21 – juris. Für eine vom Nachbarn angefochtene Baugenehmigung ist im Grundsatz davon auszugehen, dass sie im Falle einer Rechtsverletzung aufgrund einer Teilrechtswidrigkeit insgesamt aufzuheben ist. Eine Teilaufhebung kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der verbleibende Teil der Baugenehmigung seinerseits hierdurch nicht erstmals rechtswidrig wird15Vgl. hierzu allgemein BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 (Fn. 26). sowie objektiv und subjektiv abtrennbar ist.16 Vgl. VGH BW, Urt. v. 03.11.1982 (Fn. 11), v. 03.07.2012 – 3 S 321/11 – juris Rn. 34 f. und v. 23.06.2020 – 3 S 2781/18 – juris Rn. 50 f.; vgl. ferner Kopp/Schenke (Fn. 2), § 113 Rn. 16; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Fn. 8), § 113 Rn. 163. Das Erfordernis der objektiven und subjektiven Teilbarkeit folgt aus den bauordnungsrechtlichen Vorschriften über die Erteilung der Baugenehmigung. Sie vermitteln dem Bauantragsteller einen gebundenen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Dem entspricht, dass eine Baugenehmigung nur insoweit abgelehnt bzw. aufgehoben werden kann, als es erforderlich ist, um die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, also insbesondere um einen Widerspruch des Vorhabens zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu verhindern. Eine Teilablehnung im Genehmigungsverfahren oder eine spätere Teilaufhebung ist ferner nur dann möglich, wenn die Teilung objektiv möglich ist und die Identität des Vorhabens gewahrt bleibt (objektive Teilbarkeit). Die Baurechtsbehörde kann die Baugenehmigung jedoch auch in diesen Fällen insgesamt versagen, wenn sich aus den Antragsunterlagen oder sonstigen Umständen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Bauherr nicht beabsichtigt, nur den genehmigungsfähigen Teil seines Vorhabens zu verwirklichen (subjektive Teilbarkeit).17VGH BW, Urt. v. 05.04.2006 – 8 S 1737/05 – juris Rn. 34. Mit Blick hierauf ist auch im Drittanfechtungsprozess nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die gesamte Baugenehmigung aufzuheben, wenn der (beigeladene) Bauherr nicht zu erkennen gegeben hat, dass er sich auch mit der nach einer etwaigen Teilaufhebung dann verbleibenden Genehmigung zufrieden geben wird.18VGH BW, Urt. v. 03.07.2012 (Fn. 32), Rn. 35, und v. 23.06.2020 (Fn. 32), Rn. 51. Nichts anderes gilt aufgrund der vergleichbaren Regelungsstruktur des § 6 Abs. 1 BImSchG für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen.19Vgl. etwa VG Koblenz, Urt. v. 03.07.2020 – 4 K 907/17.KO – juris Rn. 79; ferner zur Unwirksamkeit eines auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung bezogenen Teilverzichts VG München, Urt. v. 22.03.2019 – M 19 K 17.3738 – juris Rn. 28. Insbesondere ist eine Teilbarkeit im Hinblick auf die Intensität der Anlagenutzung (z. B. Betriebszeiten, Emissionen bei Betrieb, Auslastung der Anlage) die Ausnahme. Der Schluss vom genehmigten „Mehr“ auf die Zulässigkeit eines nach Teilaufhebung verbleibenden „Weniger“ setzt eine kritische Prüfung hinsichtlich der Identität des beantragten Vorhabens mit dem verbleibenden Vorhaben voraus.20Exemplarisch VG München, Urt. v. 22.03.2019 (Fn. 35), juris Rn. 31 ff. Häufig wird die bauliche Dimension eines Vorhabens an die geplante Auslastung angepasst sein und eine bauliche Überdimensionierung mit Blick auf eine nur geringere Auslastung für den Genehmigungsinhaber die ökonomische Frage der Rentabilität neu aufwerfen. Eine bauliche Überdimensionierung kann aber z. B. bei Vorhaben im Außenbereich zusätzlich auch rechtliche Probleme aufwerfen. Die gesetzgeberische Entscheidung, den Außenbereich grundsätzlich freizuhalten, stellt die Genehmigungsfähigkeit baulich überdimensionierter Vorhaben infrage. Die Intensität der Anlagennutzung kann ihrerseits zudem Bezugspunkt für Fragen der Erschließung, der Beurteilung der raumordnerischen Bedeutung sowie für Nebenbestimmungen sein. Eine Verringerung der Nutzungsintensität kann diese Fragen ggf. neu aufwerfen.21Unproblematisch soll etwa die Teilbarkeit im Hinblick auf den Betrieb einer Windkraftanlage zur Nachtzeit oberhalb eines bestimmten Schallleistungspegels sein, OVG NRW, Urt. v. 09.08.2006 – 8 A 3726/05 – juris Rn. 49. Schließlich kann die Intensität der Nutzung, insbesondere die Betriebszeiten, aus der Sicht des Genehmigungsinhabers die Nutzbarkeit des gesamten Vorhabens infrage stellen.22Zum Beispiel wenn in einem für den Bundesligaspielbetrieb vorgesehenen Stadion keine Abendspiele abgehalten werden können oder im Hinblick auf Schallemissionen nur eine begrenzte Anzahl von Zuschauern zugelassen sind.

Der Beitrag stammt aus den Verwaltungsblättern für Baden-Württemberg Heft 8/2023, S. 309 ff. und wird fortgesetzt.

 

Dr. Felix Hornfischer

Richter am Verwaltungsgericht
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  • 1
    Vgl. etwa Wahl, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: August 2022, Vorbemerkung, § 42 Abs. 2 VwGO Rn. 4 ff.
  • 2
    Zu den Ausnahmen von der Geltendmachung einer Verletzung subjektiver Rechte R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 42 Rn. 180 ff.
  • 3
    Vgl. zu diesem Ansatz auch Funke, NVwZ 2021, 114, 118, in Bezug auf die isolierte Anfechtung einer den Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsaktes belastenden Nebenbestimmung.
  • 4
    Vgl. ferner z. B. zur wasserrechtlichen Erlaubnis und Bewilligung § 12 Abs. 1 Nr.2 WHG.
  • 5
    Zur Baugenehmigung VGH BW, Urt. v. 03.11.1982 (Fn. 12), S. 268.
  • 6
    Vgl. zur verneinten Teilbarkeit im Hinblick auf eine isoliert angefochtene rechtswidrige Nebenbestimmung zu einer von Anfang an rechtswidrigen glückspielrechtlichen Genehmigung BVerwG, Urt. v. 06.11.2019 (Fn. 6): „Findet ein auf ein derartiges Leistungsbegehren ergangener begünstigender Verwaltungsakt keine Grundlage im materiellen Recht, so hat sein Adressat darauf keinen Anspruch. Nichts anderes gilt, wenn einer solchen rechtswidrigen Begünstigung ihrerseits ebenfalls rechtswidrige Nebenbestimmungen beigefügt sind. Damit besteht aber auch kein Recht auf deren isolierte verwaltungsgerichtliche Aufhebung, die mit der Konsequenz verbunden wäre, dass der materiell rechtswidrige und dem Adressaten nicht zustehende Verwaltungsakt weiterhin Geltung beanspruchte“; krit. hierzu Funke (Fn. 19), S. 115 f.
  • 7
    Vgl. zu einer Baugenehmigung etwa VGH BW, Beschl. v. 02.10.2019 – 3 S 1470/19 – juris Rn. 117, der die Frage der Teilbarkeit der Baugenehmigung und der Rechtmäßigkeit des weiterhin vollziehbaren Teils der Baugenehmigung nicht thematisiert.
  • 8
    Schoch, in: ders./Schneider (Fn. 1), § 80 VwGO Rn. 426; Puttler, in: Sodan/ Ziekow (Fn. 9), § 80 Rn. 139.
  • 9
    OVG Berlin, Beschl. v. 26.08.2003, NVwZ 2003, 1524; Schoch (Fn. 24), Rn. 426; so wohl auch VGH BW, Beschl. v. 02.10.2019 (Fn. 23), Rn. 117; a. A. wohl OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.11.2016 – OVG 10 S 5.16 – juris Rn. 27.
  • 10
    Vgl. hierzu grundsätzlich BVerwG, Urt. v. 17.02.1984, NVwZ 1984, 366.
  • 11
    Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 (Fn. 26), v. 22.11.2000, NVwZ 2001, 429, und v. 06.11.2019 (Fn. 6).
  • 12
    BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 (Fn. 26) und v. 08.02.1974, BayVBl. 1974, 379 f.
  • 13
    Vgl. nur Riese (Fn. 4), Rn. 13 m. w. N.
  • 14
    OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2021 – 2 B 328/21 – juris.
  • 15
    Vgl. hierzu allgemein BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 (Fn. 26).
  • 16
    Vgl. VGH BW, Urt. v. 03.11.1982 (Fn. 11), v. 03.07.2012 – 3 S 321/11 – juris Rn. 34 f. und v. 23.06.2020 – 3 S 2781/18 – juris Rn. 50 f.; vgl. ferner Kopp/Schenke (Fn. 2), § 113 Rn. 16; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Fn. 8), § 113 Rn. 163.
  • 17
    VGH BW, Urt. v. 05.04.2006 – 8 S 1737/05 – juris Rn. 34.
  • 18
    VGH BW, Urt. v. 03.07.2012 (Fn. 32), Rn. 35, und v. 23.06.2020 (Fn. 32), Rn. 51.
  • 19
    Vgl. etwa VG Koblenz, Urt. v. 03.07.2020 – 4 K 907/17.KO – juris Rn. 79; ferner zur Unwirksamkeit eines auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung bezogenen Teilverzichts VG München, Urt. v. 22.03.2019 – M 19 K 17.3738 – juris Rn. 28.
  • 20
    Exemplarisch VG München, Urt. v. 22.03.2019 (Fn. 35), juris Rn. 31 ff.
  • 21
    Unproblematisch soll etwa die Teilbarkeit im Hinblick auf den Betrieb einer Windkraftanlage zur Nachtzeit oberhalb eines bestimmten Schallleistungspegels sein, OVG NRW, Urt. v. 09.08.2006 – 8 A 3726/05 – juris Rn. 49.
  • 22
    Zum Beispiel wenn in einem für den Bundesligaspielbetrieb vorgesehenen Stadion keine Abendspiele abgehalten werden können oder im Hinblick auf Schallemissionen nur eine begrenzte Anzahl von Zuschauern zugelassen sind.
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