15.10.2010

Wenn Konflikte eskalieren

Mediation im öffentlichen Unternehmen

Wenn Konflikte eskalieren

Mediation im öffentlichen Unternehmen

Ist hier ein Mediator gefragt? | © Jan Will - Fotolia
Ist hier ein Mediator gefragt? | © Jan Will - Fotolia

Wer kennt das nicht: Eine Meinungsverschiedenheit unter Mitarbeitern, die vielleicht als Lappalie beginnt und schließlich (mehr oder weniger offen) eskaliert, Streit in Abteilungen oder zwischen Teams sowie Konflikte mit Kunden und Geschäftspartnern. Auseinandersetzungen im Unternehmensumfeld sind alltäglich. Das gilt für die Privatwirtschaft ebenso wie für öffentliche Unternehmen. Statt eines offenen Dialogs finden sich manchmal über Jahre hinweg etablierte „geheime Spielregeln“ und der „Flurfunk“ sendet beharrlich. Dadurch werden wichtige Ressourcen und Kapazitäten gebunden, ganz zu schweigen von „Nebenerscheinungen“ wie Burnout, einer hohen Fluktuation oder inneren Kündigungen. Dabei müssen Konfliktsituationen keineswegs aus dem Ruder laufen.

Mediation als Lösungsansatz

Einen Lösungsansatz bietet Mediation – ein Verfahren, das durch die bis 2011 vorzunehmende Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie aktuell mehr Aufmerksamkeit erfährt. Worum handelt es sich dabei? Der Begriff selbst bedeutet zunächst einmal nichts anderes als Vermittlung in einem Konflikt (engl.: to mediate = vermitteln). Kurz gefasst steht dahinter ein strukturiertes Konfliktlösungsverfahren, das den Konfliktparteien eine sachorientierte Verständigung ermöglicht und ihnen einen Rahmen bietet, um interessengerechte Lösungen zu finden. Das ist konsequent: Schließlich kennt niemand einen Konflikt besser als die Beteiligten selbst. Die Verfahrens- und Verhandlungsabläufe werden dabei von besonders geschulten Personen (Mediatoren) unterstützt.

Hierzulande wird Mediation schon seit vielen Jahren und in ganz unterschiedlichen Bereichen praktiziert: Bewährt hat sie sich bei Familien- oder Nachbarschaftsstreitigkeiten ebenso wie bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, Patentstreitigkeiten oder beim Täter-Opfer-Ausgleich. Gerade im Wirtschaftssektor gewinnt das Verfahren gegenwärtig mehr und mehr Zuspruch. Bietet sich damit auch eine Option für öffentliche Unternehmen? Die Antwort ist ein klares „Ja“, zumal Unterschiede gegenüber der Privatwirtschaft zusehends schwinden.


Interne Mediation

Das Zusammenwirken im beruflichen Alltag schafft häufig ein erhöhtes Konfliktpotenzial, das sich nicht selten quer durch die Unternehmenshierarchie zieht. Mediation kann vor allem dort ihre Stärke ausspielen, wo sachliche Themen von Emotionen und Animositäten überlagert werden – gerade wenn sich die Kommunikation und die Arbeitsatmosphäre derart gestört und verhärtet darstellt, dass ein „normaler“ Umgang auf den ersten Blick nicht mehr möglich erscheint. Im Falle der innerbetrieblichen oder internen Mediation reichen die Anwendungsmöglichkeiten z. B. von Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Mitarbeitern, Abteilungen oder Teams über Meinungsverschiedenheiten zwischen der Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretungen bis hin zu Konflikten im Rahmen von unternehmensinternen Veränderungsprozessen (Change Management) – um hier nur einige (wenige) Beispiele zu nennen.

Externe Mediation

Doch Mediation ist keineswegs allein auf den innerbetrieblichen Bereich beschränkt. Ein weites Anwendungsfeld eröffnet sich darüber hinaus bei Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen einerseits sowie Externen andererseits. Gerade solche Konflikte sind erfahrungsgemäß stärker von rechtlichen Aspekten geprägt. In der Regel wird zunächst versucht, auf juristischem Wege, z. B. durch Rechtsabteilungen und externe Anwälte, die Situation zu entschärfen. Wie viele Gerichtsprozesse belegen, gelingt das natürlich nicht immer. Was tun? Mit ungewissem Ausgang prozessieren? Auch hier kann es sich lohnen, über Mediation nachzudenken. So flexibel das Verfahren ist, so unterschiedlich können wiederum die Anlässe sein: Mediation bietet sich bei allgemeinen Kontroversen mit Geschäftspartnern Kunden oder Lieferanten beispielsweise ebenso an wie bei Konflikten mit speziellen Projektbeteiligten (z. B. im Rahmen so genannter Public Private Partnerships oder im Rahmen von Outsourcing-Maßnahmen).

Konstruktiver Ausweg aus dem Dilemma

Warum lohnt es sich überhaupt, Mediation ins unternehmerische Kalkül zu ziehen? Die Antwort ist beinahe banal: Weil es ansonsten häufig gar nicht zu Lösungen kommt. Liegt die Gesprächsbereitschaft erst einmal auf Eis, rücken Ergebnisse mehr und mehr in weite Ferne. Was bleibt, ist letztlich vielfach nur die Hoffnung, ein „Problem“ werde sich von selbst lösen. Diese vage Erwartung bleibt indes oft unerfüllt. Konflikte schwelen weiter, spitzen sich zu und drohen schließlich zu eskalieren. Selbst Dritte, wie z. B. Führungskräfte, stehen solchen Situationen – im wahrsten Sinne des Wortes – häufig „macht“los gegenüber. Und auch ein Gerichtsverfahren ist durchaus nicht immer sinnvoll, handelt es sich doch meist um ein Vabanquespiel mit „alles oder nichts“-Lösungen. Für Spielernaturen mag das ein Nervenkitzel sein – für die Beteiligten bedeutet das regelmäßig nur schlaflose Nächte, Stunden vertaner Zeit und so mancher Euro, der vielleicht an anderer Stelle besser investiert gewesen wäre. Mediation bietet in vielen Fällen einen ebenso konstruktiven wie effektiven Ausweg aus dem Dilemma. Die Flexibilität des Verfahrens, die Vertraulichkeit sowie die Option auf individuelle und interessengerechte Lösungen sind nur einige Vorzüge. Denn obendrein spart das Verfahren regelmäßig nicht nur Zeit und Geld, sondern es schont zudem die Nerven der Beteiligten.

Mediation in öffentlichen Unternehmen

Gelten für Mediationen in öffentlichen Unternehmen gegebenenfalls Besonderheiten? Eigentlich kaum – zumindest nicht bei der Anwendung des Verfahrens. Hier lässt sich Mediation als sehr wirkungsvoller Ansatz unproblematisch nutzen. Eigenheiten bestehen allenfalls in zweierlei Hinsicht: Zum einen bewegen sich solche Unternehmen in einem besonderen Spannungsverhältnis mit der Wirtschaft sowie politischen Akteuren und stehen zudem stärker im Fokus einer kritischeren Öffentlichkeit. Das kann zu besonderen Konfliktkonstellationen führen und macht nachhaltige Lösungsansätze zunehmend interessanter. Zum anderen ist aber auch anzumerken, dass es sich bei der Mediation in öffentlichen Unternehmen um einen verhältnismäßig neuen Ansatz handelt. Das mag ein Grund dafür sein, warum es an wichtigen Schaltstellen derzeit mitunter (noch) an der nötigen Aufgeschlossenheit fehlt, im Fall der Fälle bei der Konfliktlösung dieses Angebot zu nutzen. Dass Mediation zwar kein Patentrezept ist, aber doch vielfältige Chancen bietet, belegt inzwischen zunehmend die Mediationspraxis.

Interessante Ansätze für die Praxis

Im öffentlichen Bereich wird Mediation inzwischen nicht nur diskutiert, sondern erfreulicherweise auch immer mehr praktiziert. Das unterstreichen nicht zuletzt diverse Projekte und Initiativen, wie beispielsweise die „Mediationsstelle Wettbewerb der Öffentlichen Hand mit der Privatwirtschaft“ der IHK Braunschweig. Und auch in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Raums nutzt man die Möglichkeiten, die dieses Verfahren bietet: Angefangen von der Umweltmediation über die verschiedenen Optionen der Mediation im kommunalen Bereich bis hin zur Mediation in der Gerichtsbarkeit. Wie schon erwähnt: Konfliktlösung mittels Mediation ist ein Angebot. Dieses Angebot wahrzunehmen, stärker umzusetzen und als Möglichkeit einer konstruktiven Streit- und Konfliktkultur zu etablieren, bietet interessante Ansätze – warum nicht auch in öffentlichen Unternehmen?

 

Hinweis der Redaktion: Vgl. auch unter www.deutscher­anwaltspiegel.de den Beitrag von Eberhard Carl, Ministerial­rat im Bundesministerium der Justiz, der im Online-Magazin Deutscher Anwalt Spiegel den von ihm mit verfassten Referentenentwurf zum neuen Mediationsgesetz vorstellt.

 

Sindy Hoppe

Mitarbeiterin an der Hochschule Harz
 

Prof. Dr. André Niedostadek

LL.M., Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz
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