15.10.2010

Das Energiekonzept der Bundesregierung

Umweltschonend, zuverlässig, bezahlbar in 10 Punkten

Das Energiekonzept der Bundesregierung

Umweltschonend, zuverlässig, bezahlbar in 10 Punkten

Grüne Energie aus der Steckdose – die Zukunft? | © by-studio - Fotolia
Grüne Energie aus der Steckdose – die Zukunft? | © by-studio - Fotolia

Am 28. 09. 2010 hat die Bundesregierung ihr kontrovers diskutiertes Energiekonzept verabschiedet. Teil des Konzepts ist ein 10-Punkte-Sofortprogramm, das die Maßnahmen bündelt, die die Bundesregierung bereits 2011 umsetzen will.

Im Energiekonzept stellt die Bundesregierung Leitlinien für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung bis zum Jahr 2050 auf. Die neun „Handlungsfelder“ des Energiekonzepts lassen sich in die Bereiche Energieeffizienz, Netzausbau, Integration Erneuerbarer Energien, Nutzung konventioneller Energien und Mobilität einteilen. Insoweit wird es zur Ergänzung zahlreicher Rechtsvorschriften in diesen Bereichen kommen. Dabei bezieht sich das Energiekonzept aber vorrangig auf den Erzeugungsmarkt für Strom, klammert jedoch wichtige Bereiche, wie etwa die Nutzung von und Versorgung mit Erdgas, aus. Auch die Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung wird nur am Rande behandelt, obwohl diese effiziente Erzeugungsart – gerade im kommunalen Bereich – wesentliche Bedeutung hat.

Steigerung der Energieeffizienz

Die Energieeffizienz soll künftig ein wichtiges Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge werden. Für die Industrie sollen Anreize für die Steigerung der Energieeffizienz durch Steuervergünstigungen gesetzt werden, z. B. im Rahmen der Öko-Steuer oder des Spitzenausgleichs im Rahmen der Energie- und Stromsteuer. Unterstützend wird ein Energieeffizienzfonds aufgelegt, der u. a. KMU bei der Implementierung von Energiemanagementsystemen und Kommunen bei der Entwicklung innovativer Effizienzmaßnahmen unterstützen soll.


Durch Gebäudesanierung soll bis 2050 ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand und eine Senkung des Primärenergiebedarfs um 80 % erreicht werden. Dies soll durch Änderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV), des Mietrechts (z. B. Berücksich­tigung des Wärme-Contracting bei der Umlage von Betriebs- und Heizkosten) und ggf. des Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetzes (EEWärmeG) erfolgen. Dabei soll das Wärmeliefer-Contracting zwar gesetzlich verankert, aber ab 2013 nur noch bedingt bei der Öko­-
steuer steuerbegünstigt werden. Dieser Punkt gehört zum im Jahr 2011 umzusetzenden 10-Punkte-Sofortprogramm. Finanzielle Anreize zur Effizienzsteigerung sollen für Gebäudeeigentümer gesetzt werden (z. B. Marktanreizprogramm oder das Förderprogramm der KfW „Energetische Städtebausanierung“).

Beabsichtigt ist daneben die Einführung einer Kennzeichnung von Produkten und handelbarer Zertifikate.

Anpassung der Netze

Der wachsende Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bedingt eine Anpassung der bestehenden Energieversorgungsnetze. Die Netzinfrastruktur soll dafür im Wesentlichen durch Netzausbau und intelligente Netze optimiert werden.

Ausgehend vom Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) soll der Ausbau der Übertragungsnetze beschleunigt werden. Die beim BMWi eingerichtete Netzplattform soll dafür zu einem permanenten Forum werden. Die Stromnetzbetreiber werden jährlich einen zehnjährigen Netzausbauplan vorlegen, auf dessen Grundlage die Bundesregierung unter Beteiligung der Länder einen Bundesnetzplan entwickelt. Diese Vorhaben sollen als Teile des 10-Punkte-Sofortprogramms noch 2011 umgesetzt werden.

Die Finanzierung des Netzausbaus soll durch eine Anpassung des Regulierungsrahmens – insbesondere der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) – sichergestellt werden, die die Fragen der Wirtschaftlichkeit und der Auswirkungen auf die Netzentgelte berücksichtigt. Einzelheiten hierzu werden in der Novelle des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) 2011 geregelt. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird zudem Musterplanungsleitlinien für Planfeststellungsverfahren entwickeln, um eine konsistente Genehmigungspraxis der Länder zu erreichen. Daneben plant die Regierung ein Offshore-Netz in der Nordsee sowie ein „Overlay-Netz“, ­
das in den europäischen Verbund integriert wird.

Der Aufbau von „smart grids“ als weiterer Punkt erfordert intelligente Zähler für die kommunikative Vernetzung von Erzeugern, Speichern, Verbrauchern und Netzen. Nach der Novellierung der Messzugangsverordnung (MessZV) soll die BNetzA Mindeststandards und Schnittstellen definieren und prüfen, inwieweit die Investitionskosten durch eine Änderung von Stromnetzengeltverordnung (StromNEV) und ARegV zugunsten der Netzbetreiber berücksichtigt werden können.

Nutzung und Integration Erneuerbarer Energien

Erneuerbare Energien sollen durch unterschiedliche Maßnahmen weiter gefördert und integriert werden. Bei der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2012 soll die Marktorientierung, etwa durch die Einführung einer Marktprämie für die Direktvermarktung, und die Verstetigung der Einspeisung Erneuerbarer Energien im Vordergrund stehen. Das Grünstromprivileg soll weiter entwickelt und die Zahl der Boni – insbesondere für Biomasse – verringert werden. Die Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus (AusglMechV) soll hinsichtlich einer bedarfsgerechten Einspeisung angepasst und die Teilnahme am Regel- und Ausgleichsenergiemarkt ermöglicht werden.

Zudem soll der Ausbau von Speicherkapazitäten gefördert werden. Gemäß dem 10-Punkte-Sofortprogramm sollen neue Speicherkraftwerke (wie Pumpspeicherkraftwerke) länger als bisher von der Zahlung von Netzentgelten befreit werden. Aufgrund der Speicherfähigkeit von Biomasse sollen Biogasanlagen zum Ausgleich der ungleichmäßigen Stromeinspeisung beitragen und dafür finanzielle Anreize erhalten. Energiespeicher sollen schließlich auch für den Regelenergiemarkt zugelassen werden.

Konventionelle Stromerzeugung

Als „Brückentechnologie“ bis zum Ausbau Erneuerbarer Energien, wird die Laufzeit der Kernkraftwerke um durchschnittlich 12 Jahre verlängert. Die daraus zu erzielenden Zusatzgewinne der Betreiber werden zum Teil durch eine Kernbrennstoffsteuer und weitere Zahlungen zur Förderung Erneuerbarer Energien und der Steigerung der Energieeffizienz abgeschöpft. Der Einsatz von Kohlekraftwerken wird dabei zur Schonung der Umwelt flankiert von der CCS-Technologie.

Zur Verbesserung der Wettbewerbssituation auf dem Stromerzeugungsmarkt will die Bundesregierung den Neubau hocheffizienter und CCS-fähiger fossiler Kraftwerke durch kleinere Anbieter (z. B. kommunale Unternehmen mit weniger als 5 % Anteil an der Stromerzeugung) fördern.

Kraftstoff- und Mobilitätsstrategie

Im Bereich E-Mobility schreibt die Bundesregierung den Nationalen Entwicklungsplan und das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie fort. Noch 2011 wird eine Kennzeichnungsverordnung für Elektrofahrzeuge (40. Bundes-Immissionsschutzverordnung – BImSchV) vorgelegt. Elektrofahrzeuge sollen im Verkehr privilegiert werden, z. B. durch kostenfreies Parken.

Für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor soll der Anteil von Biokomponenten in Kraftstoffen steigen. Eine Kraftstoff- und Mobilitätsstrategie wird die Nutzung von Biokraftstoffen auch auf den Bahnverkehr und die Binnenschifffahrt ausweiten. Der Flugverkehr soll bis 2012 in das Emissionshandelssystem einbezogen werden. Die Lkw-Maut und die Kfz-Steuer werden emissionsabhängig weiter entwickelt.

Fazit

Das Energiekonzept sieht im Rahmen des 10-Punkte-Sofortprogramms bereits konkrete Umsetzungsmaßnahmen vor, um die Ziele zu erreichen. Darüber hinaus zeichnen sich bereits Änderungen im Zuge der EnWG-Novelle (die nicht vor Frühjahr 2011 erwartet wird) sowie der ARegV, StromNEV, EEWärmeG, BGB (Mietrecht), EnEV und MessZV ab. Inwieweit es der Bundesregierung gelingen wird, die sehr unterschiedlichen und komplexen Regelwerke des öffent­lichen Umweltrechts, Energiewirtschaftsrechts sowie des Steuer- und Zivilrechts aufeinander abzustimmen, bleibt abzuwarten. Der Bundestag hat dem Energiekonzept am 1. 10. 2010 zugestimmt und die Bundesregierung zur Umsetzung aufgefordert.

 

Torsten Benzin

Rechtsanwalt, Associate White & Case LLP, Düsseldorf
 

Dr. Florian-Alexander Wesche

Rechtsanwalt, Local Partner White & Case LLP, Düsseldorf
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