15.10.2010

Konto dicht?

Neues P-Konto – Schutz vor Kontopfändung

Konto dicht?

Neues P-Konto – Schutz vor Kontopfändung

Auf einem P-Konto ist das Guthaben gesichert. | © Goss Vitalij - Fotolia
Auf einem P-Konto ist das Guthaben gesichert. | © Goss Vitalij - Fotolia

Neben der Pfändung von Arbeitseinkommen handelt es sich bei der Pfändung von Girokonten um die häufigste Vollstreckungsmaßnahme für Gläubiger. In Deutschland gibt es pro Monat ca. 350.000 bis 370.000 Kontopfändungen, deren Bearbeitung und Überwachung erhebliche Kosten bei den Kreditinstituten verursachen.

Seit 1978 gibt es für Konten eine spezielle Schutzvorschrift, die es ermöglicht, Gelder, die auf das Konto überwiesen werden, teilweise für unpfändbar zu erklären. Zuständig für die Bearbeitung der von den betroffenen Kontoinhabern zu stellenden Anträge sind dabei die Vollstreckungsgerichte. In der Folgezeit kam es zu einer immensen Arbeitsbelastung, sodass sich der Gesetzgeber entschloss, den Pfändungsschutz beim Konto neu zu regeln. Die nunmehr ab 01.07.2010 und teilweise ab 01.01.2012 geltenden Regelungen sind im Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 07.07.2009 (BGBl I Seite 1707) enthalten. Der bisherige Pfändungsschutz mit damit verbundenen Anträgen an das Vollstreckungsgericht gilt daneben für eine Übergangszeit bis 31.12.2011, um Personen, die die neuen Regelungen nicht für sich in Anspruch nehmen, nicht schutzlos zu stellen (§ 850 k ZPO in der Fassung bis 30.06.2010, jetzt § 850 l ZPO mit einigen Änderungen).

Das neue P-Konto

Jede natürliche Person hat nun seit 01.07.2010 einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass ein bestehendes Konto in ein Pfändungsschutzkonto (sog. P-Konto, § 850 k ZPO in der Fassung ab 01.07.2010) umgewandelt wird. Der Kontoinhaber oder dessen gesetzlicher Vertreter muss die Umwandlung persönlich beantragen. Ein gesetzlicher Anspruch auf die Einrichtung eines neuen P-Kontos besteht dagegen nicht. Jede Person darf dabei nur ein P-Konto führen. Zur Vermeidung von Missbräuchen kann eine Meldung an die SCHUFA Holding AG ergehen, sodass jedes weitere Kreditinstitut dort in Erfahrung bringen kann, ob bereits ein ­P-Konto besteht, bevor ein neues eingerichtet wird. Haben mehrere Personen ein Gemeinschaftskonto (z. B. Eheleute und Lebenspartner), muss dieses in zwei Einzelkonten aufgeteilt werden, also in ein „normales“ Konto und ein weiteres P-Konto oder in zwei P-Konten. Für das Kreditinstitut besteht weiterhin die Möglichkeit der Kündigung eines Kontos und damit auch die Kündigung des P-Kontos. Der Gesetzgeber geht jedoch davon aus, dass die Kreditinstitute von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen werden, da Pfändungen bei P-Konten mit weniger Aufwand verbunden seien, als bei sonstigen Konten. Bemerkenswert ist, dass die Umwandlung in ein P-Konto auch dann noch beantragt werden kann, wenn das Konto bereits gepfändet ist. Der Kontoinhaber kann sein Girokonto noch innerhalb von vier Wochen seit Zustellung des Überweisungsbeschlusses in ein P-Konto umstellen lassen, um die Wirkung des Kontoschutzes zu erreichen.


Auf einem P-Konto ist Guthaben seit dem 01.07.2010 nach folgenden Regeln geschützt: Bei einer Pfändung des P-Kontos ist der gesetzliche Grund-/Sockelbetrag von derzeit 985,15 Euro je Kalendermonat automatisch und ohne einen Nachweis durch den Kontoinhaber und ohne Antrag an das Vollstreckungsgericht pfandfrei. Über diesen Freibetrag kann der Kontoinhaber auch nach Zustellung der Pfändung frei verfügen. Er kann bis zur Grenze von 985,15 Euro Barabhebungen und Überweisungen vornehmen. Lastschriften werden in diesem Umfang weiterhin ausgeführt. Auf die Art der Einkünfte kommt es dabei nicht an. Es kann sich um Arbeitslohn, Sozialleistungen, Mieteinnahmen, Einkünfte von Selbstständigen oder um einmalige Zahlungen handeln. Eine besondere Regelung hat der Gesetzgeber in § 850 k ZPO für die Überweisung von Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch und für Kindergeld geschaffen, nachdem zum 31.12.2011 die Schutzvorschriften im SGB I und EStG entfallen. Über Sozialleistungen und Kindergeld kann innerhalb einer Frist von 14 Tagen seit der Gutschrift in voller Höhe verfügt werden, selbst wenn das Konto im „Soll“ steht. Nur die Kontoführungsgebühr kann das Kreditinstitut immer verrechnen.

Ausweitung des Pfändungsschutzes

Der Pfändungsschutz nach dem Sockelbetrag mit 985,15 Euro kann durch entsprechende Bescheinigungen, die dem Kreditinstitut vorgelegt werden, oder durch eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts erhöht werden. Ein erhöhter Pfändungsfreibetrag kann bescheinigt werden, wenn der Kontoinhaber einer oder mehreren Personen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt oder für Dritte, z. B. für den Lebensgefährten, Sozialleistungen auf diesem Konto eingehen.

Es ergeben sich damit folgende Freibeträge:

Grundfreibetrag: 985,15 Euro
Freibetrag für die 1. Person, der Unterhalt gewährt wird: 370,76 Euro
Freibetrag für die 2.– 5. Person, der ­Unterhalt gewährt wird: 206,56 Euro

 

und damit pfandfrei:

1.355,91 Euro bei einer Unterhaltsverpflichtung

1.562,47 Euro bei zwei Unterhaltsverpflichtungen

1.769,03 Euro bei drei Unterhaltsverpflichtungen

1.975,59 Euro bei vier Unterhaltsverpflichtungen

2.182,15 Euro bei fünf Unterhaltsverpflichtungen

Bei mehr als fünf Unterhaltsverpflichtungen ist eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts herbeizuführen. Daneben sind noch pfändungsfrei und ebenso durch Bescheinigungen gegenüber dem Kreditinstitut zu belegen: das Kindergeld, einmalige Sozialleistungen (z. B. Kosten für Klassenfahrten, Erstausstattung) und Sozialleistungen z. B. für den Ausgleich von Mehraufwand infolge eines Körperschadens.

Soweit der Kontoinhaber über das geschützte Guthaben bis zum Ende des Kalendermonats nicht verfügt hat, kann er diesen Guthabenrest einmalig in den Folgemonat übertragen und über diesen mit dem Freibetrag des Folgemonats ­verfügen.

Ausstellung der P-Konto-Bescheinigungen

Die Bescheinigungen können nur von bestimmten Stellen oder Personen ausgestellt werden. Nach dem Gesetz sind das der Arbeitgeber, die Familienkassen, die Sozialleistungsträger (Jugend- und Sozialämter, gesetzliche Krankenkassen) und geeignete Personen oder Stellen nach § 305 InsO (Rechtsanwälte, Steuerberater und anerkannte Schuldnerberatungsstellen). Eine Pflicht zur Ausstellung einer Bescheinigung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Kann der Kontoinhaber keine Bescheinigung beibringen, kann er durch das Vollstreckungsgericht die Freibeträge bestimmen lassen. Auch die inhaltliche Ausgestaltung einer Bescheinigung wurde nicht festgelegt. Hier bleibt abzuwarten, welche Anforderungen die Kreditinstitute an diese Bescheinigungen stellen werden. Beim Arbeitgeber ergibt sich die Spanne von der Vorlage einer reinen Lohnbescheinigung bis zu einer qualifizierten Erklärung über die Anzahl der Unterhaltsberechtigten, denen tatsächlich auch Unterhalt geleistet wird. Die Anforderungen an Qualität einer solchen Bescheinigung dürfen dabei nicht überzogen werden. Die Pflichten des Arbeitgebers sollten hier jedenfalls nicht weiter gehen als bei der Ermittlung der Unterhaltsverpflichtungen bei einer von ihm selbst zu bearbeitenden Lohnpfändung. Bei der Lohnpfändung ist anerkannt, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter hinsichtlich der Anzahl der Unterhaltsberechtigten befragen muss, dann aber auch, außer bei offensichtlicher Unrichtigkeit, den Angaben seines Mitarbeiters Glauben schenken darf. Nur in diesem Rahmen sollte sich dann auch eine Bescheinigung für das Kreditinstitut bewegen.

Für die übrigen Personen oder Stellen, die eine Bescheinigung erstellen, kann dem Grunde nach nichts anderes gelten. Leistungsbescheide über laufende oder einmalige Sozialleistungen und der Nachweis über Kindergeldbezug z. B. durch Kontoauszüge sollten ausreichend sein. Auch bei der Kontopfändung hat im Übrigen der Gläubiger die Möglichkeit, über § 836 Abs. 3 ZPO Nachweise über gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen und Unterhaltsleistungen von seinem Schuldner, notfalls zwangsweise, einzufordern.

Eine Aussage darüber, wie lange eine Bescheinigung Gültigkeit besitzt, hat der Gesetzgeber im Übrigen nicht getroffen. Je älter (Monate, Jahre?) eine Bescheinigung ist, umso eher wird das Kreditinstitut eine Aktualisierung verlangen können.

Weiterer Pfändungsschutz

Außerdem besteht auch die Möglichkeit, über das Vollstreckungsgericht die Pfändungsgrenzen bestimmen zu lassen. § 850 k Abs. 4 ZPO verweist hier auf Vorschriften der Pfändung des Arbeitseinkommens, sodass die dort geltenden Grundsätze auch beim Pfändungsschutzkonto gelten. Das kann interessant sein, wenn ein Kontoinhaber z. B. berufsbedingte Mehraufwendungen geltend machen kann und damit einen weitergehenden Schutz erstrebt, aber auch, wenn z. B. ein Unterhaltsgläubiger eine Pfändung betreibt und in den für andere Gläubiger geschützten Freibetrag vollstrecken will.

Ein weiterer Pfändungsschutz besteht nach dem ebenfalls seit 01.07.2010 geltenden § 833 a ZPO. Das Vollstreckungsgericht kann danach auf Antrag des Kontoinhabers eine Pfändung aufheben und auch anordnen, dass das Guthaben eines Kontos für bis zu 12 Monate der Pfändung nicht unterworfen ist. In beiden Fällen muss der Kontoinhaber nachweisen, dass dem Konto in den letzten 6 Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben wurden. Auch muss er glaubhaft machen, dass in den nächsten 12 Monaten diese Umstände sich nicht ändern werden. Gehen dann Pfändungen ein, muss der Kontoinhaber während des geschützten Zeitraums nichts Weiteres unternehmen, nur rechtzeitig gegebenenfalls eine Verlängerung beantragen.

Fazit

Viele Fragen werden sich in der ersten Zeit noch ergeben. Der Gesetzgeber hofft auf eine sinnvolle und konstruktive Zusammenarbeit der beteiligten Kreise. Manche Probleme wird aber auch die Rechtsprechung lösen müssen.

Der von einer Pfändung betroffene Kontoinhaber wird künftig verstärkt Kontakt mit seinem Kreditinstitut aufnehmen müssen, um für sich eine passende Lösung zu finden. Es bleibt zu hoffen, dass ihm das Kreditinstitut dabei auch hilft.

 

Ass. jur. Peter Rothfuss

Stadtrechtsdirektor a.D.
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