15.10.2010

Kommunen im Marktgeschehen

Wettbewerb im öffentlichen Dienst – ein Paradoxon?

Kommunen im Marktgeschehen

Wettbewerb im öffentlichen Dienst – ein Paradoxon?

Unlauter ist, einzelnen Marktteilnehmern einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. | © ioannis kounadeas - Fotolia
Unlauter ist, einzelnen Marktteilnehmern einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. | © ioannis kounadeas - Fotolia

Auch Kommunen stehen untereinander im Wettbewerb, etwa um Gewerbesteuerzahler. Doch damit unterliegen sie sicher nicht dem Wettbewerbsrecht. Vom hoheitlichen Ross aus gesehen meinen viele Kommunen aber fälschlich, auch sonst nicht an das Wettbewerbsrecht gebunden zu sein.
Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 finden die Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) jedoch Anwendung. Es schließt eine Teilnahme am Wettbewerb nicht einmal aus, wenn Kommunen im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben tätig werden. Auf Gewinnerzielungsabsicht und Organisationsform kommt es ebenfalls nicht an.

Wettbewerbsrecht ist keine Kommunalaufsicht

Im Überschreiten des kommunalrechtlichen Aufgabenrahmens liegt weder ein Verstoß gegen § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB noch eine Sittenwidrigkeit (§ 1 UWG) vor. Dazu müsste die verletzte Norm nämlich eine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion haben; diese fehlt aber Gemeindeordnungen und ähnlichen Regelungen. Sie sind auch keine Schutzgesetze, deren Verletzung einen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB) begründen könnte.

Unlauter ist es, wenn eine Behörde einem Marktteilnehmer einen Wettbewerbsvorsprung verschafft. So darf das Standesamt Brautleuten nicht Kochbücher nur eines einzigen Verlags schenken. Ebenso ist die Weitergabe amtlich erlangter Informationen (z. B. bei Heirat) an Versicherungsvertreter und dergleichen wettbewerbswidrig.


Auch bei der Zulassung zu regionalen Messen oder Volksfesten ist das Wettbewerbsrecht zu beachten.

Seit dem Streit um den Verkauf der Bundesdruckerei wissen wir, dass die Übertragung kommunaler Einrichtungen an Private mit dem dazugehörigen Namen, wie „Stadtwerke“, irreführend ist (§§ 3, 5 Abs. 1 UWG).

Abkürzungen wie swb (Stadtwerke Bremen) verblassen aber offenbar, weshalb nach 10 Jahren ohne spezielle Nachweise wettbewerbsverzerrende Fehlvorstellungen nicht mehr zu erwarten sein sollen.

Ferner sind öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen (z. B. im Rettungsdienst) an die §§ 98 ff. GWB gebunden. Eine Umgehung durch Beleihung wäre missbräuchlich.

(Landes-)Gesetze, die einer dem Wettbewerbsrecht entsprechenden Ausschreibung entgegenstehen, sind unwirksam (BGH, Beschluss vom 01.12.2008, Az: X ZB 32/08).

Soweit nur von einem Anbieter, etwa einem Patentinhaber, mögliche Leistungen ausgeschrieben werden, verstößt es gegen § 97 Abs. 1 GWB, wenn eine an sich mögliche losweise Vergabe unterbleibt.

Missbrauch von Haushaltsmitteln

Kommunen haben schon deshalb eine überlegene Marktmacht, weil sie Fehlbeträge mit Steuermitteln ausgleichen können. Sie dürfen deshalb Haushaltsmittel nicht dazu verwenden, die Preise Privater zu unterbieten. Das wäre eine Beeinträchtigung oder Behinderung nach §§ 3, 4 UWG.

Soweit sie aber ihnen obliegende Aufgaben wahrnehmen, kann das Unwerturteil zum wettbewerbswidrigen Verhalten anders ausfallen. Hier ist vor allem die Zielsetzung zu erforschen: Handelt die Kommune im Rahmen ihres Bildungsauftrags? Fördert sie Kunst oder Wissenschaft? Will sie einkommensschwachen Bevölkerungskreisen den Zugang zu einer Einrichtung ermöglichen? Nimmt sie eine Aufgabe der Daseinsvorsorge wahr?

Es ist ratsam, solche Ziele in der jeweiligen Gebührensatzung z. B. einer Musikschule herauszustellen.

Wo darf die Kommune tätig werden?

Eine Kommune handelt nicht unlauter im Sinn des § 4 Nr. 1 UWG, wenn sie das Büro ihres Bestattungsdienstes neben ihrer Friedhofsverwaltung unterbringt. Sie ist nicht gehindert, für ihre erwerbswirtschaftliche Tätigkeit Mittel, also auch eigene Gebäude, einzusetzen.

Eine durch ihre Verwaltungstätigkeit erzeugte Nachfrage (z. B. nach Kfz-Schildern) darf die Kommune aber nicht unter Verdrängung leistungsbereiter privater Wettbewerber befriedigen. Unbedenklich wäre dies nur dann, wenn es sich um eine bloße Hilfstätigkeit handeln würde oder die Versorgung der Bürger sonst nicht zuverlässig gewährleistet wäre.

Preise von Monopolisten

Alleinige Wasserversorger haben vor Ort immer eine marktbeherrschende Stellung. Bei einem Missbrauchsverdacht sind die Wasserpreise in Deutschland zu vergleichen (BGH GRUR Prax 2010, 15 – Wetzlar).

Überdurchschnittliche Preise können vor allem geologische und ähnlich unbeeinflussbare Besonderheiten rechtfertigen (tiefe Täler, hohe Preise). Im Übrigen sind u. a. Versorgungsdichte, Netzlänge pro Anschluss sowie Anzahl der versorgten Einwohner zu berücksichtigen.

Fördermittel

Bei der Vergabe von Zuschüssen, z. B. für Sonnenkollektoren, nützt es den Kommunen, dass das Wettbewerbsrecht nicht auf die Erhaltung festgelegter Strukturen angelegt ist. Zuschüsse an die Bürger dürfen also zu einer Veränderung des Kundenstamms der Mitbewerber führen. Sie dürfen sich nur nicht auf eine von kommunalen Betrieben direkt zu erbringende Leistung beziehen.

Wettbewerbswidrig wäre es ferner, die Bürger durch Fördermittel in unsachlicher Weise zum Abschluss entgelt­licher Verträge zu veranlassen (übertriebenes Anlocken gemäß § 1 UWG); der Zuschuss muss daher deutlich unter den Investitionen liegen.

Hinweispflicht auf Konkurrenten

Während niemand erwartet, in einem Geschäft einen Hinweis darauf zu finden, dass auch der Konkurrent diese Dienstleistung erbringt, müssen Hoheitsträger auf Angebote privater Mitbewerber hinweisen. Dies gilt insbesondere, wenn sie Prüfungen abnehmen und dafür neben privaten Anbietern selbst Vorbereitungskurse durchführen (BGH, GRUR 2009, 1080 – IHK).

Abwehrrechte der Kommunen

Wer Pflichten hat, muss doch auch Rechte haben.
Bei verunglimpfenden Graphiken (z. B. Totenköpfe oder Pornographisches im Stadtwappen) und Abwandlungen (Fisch im Wappen eines Kurbades auf dem Rücken treibend oder als Grätengerippe dargestellt) oder anzüglichen Sprüchen greifen die wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüche wegen Rufschädigung (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG) ein.

Dass der Gemeindename auf dem Modellbaubahnhof erscheint und Modelle kommunaler Einsatzfahrzeuge die Stadtfarben und -wappen zeigen, muss allerdings hingenommen werden, wie diverse erfolglose Rechtsstreitigkeiten um Opel-Blitz u. a. gegen Anbieter von Spielzeug­modellen zeigen.

Rechtsweg

Gerät eine Kommune in einen Streit um wettbewerbliches Verhalten, darf sie nicht vor dem gewohnten Verwaltungsgericht streiten. Selbst wenn eine Kommune ihre Stellung als Hoheitsträger (vielleicht unlauter) ausnützt, tritt sie dem Privaten nicht in einem Verhältnis der Über-Unterordnung gegenüber, sondern als Anbieter gleichartiger Leistungen auf dem Markt. Während die für das Marktverhalten der öffentlichen Hand notwendige Entscheidungen öffentlich-rechtlich getroffen werden, berührt dies die Qualität der Ansprüche privater Mitbewerber nicht.

Auftreten vor Gericht können unzweifelhaft die Kommunalunternehmen. Sie haben, anders als Regiebetriebe, eine eigene Rechtspersönlichkeit.

Verwaltungseinheiten (z. B. Schulen) sind zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben berufen. Wer dies auch für Stadtwerke annehmen will, die in der Form teilrechtsfähiger Verwaltungseinheiten geführt werden, sollte sich auf einen Beschluss des Bundespatentgerichts (Mitt 2010, 33 – Stadtwerke Dachau) und den Kommentar von Fezer (Markenrecht, 4. Aufl. 2009, § 7 Rn. 30) berufen – wenn nicht gerade der Zweck der Ausstattung mit Teilrechtsfähigkeit solchem widerspricht.

 

Dr. Friedrich Albrecht

Vorsitzender Richter am Bundespatentgericht a. D., München
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