15.08.2011

Vorsteuerabzug bei Marktplatzsanierung

BFH-Urteil bringt umsatzsteuerliche Entlastung für Gemeinden

Vorsteuerabzug bei Marktplatzsanierung

BFH-Urteil bringt umsatzsteuerliche Entlastung für Gemeinden

Die Stadt als Unternehmer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. | © Bernd Kröger - Fotolia
Die Stadt als Unternehmer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. | © Bernd Kröger - Fotolia

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil (BFH, Urt. v. 03. 03. 2011 , Az. V R 23/10, http://www.bundesfinanzhof.de/ sowie DStR 2011, S. 1077), das am 08. 06. 2011 veröffentlicht wurde, entschieden, dass eine Gemeinde aus den Kosten der Sanierung eines als öffentliche Straße gewidmeten Marktplatzes zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt ist. In einer separaten Pressemitteilung zu dem Urteil weist der BFH darauf hin, dass die „Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand” ist (BFH-Pressemitteilung Nr. 45 vom 08. 06. 2011, ebenfalls unter www.bundesfinanzhof.de).

Hintergrund

Die Umsatzsteuerpflicht der öffentlichen Hand, die in Wettbewerb mit privaten Unternehmen tritt, hat für die öffentliche Hand nicht nur Nachteile, sondern kann sich auch zu ihren Gunsten auswirken, wenn sie als Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt und dadurch zum Vorsteuerabzug berechtigt wird.

Eine derartige Fallgestaltung liegt dem Urteil vom 03. 03. 2011 zugrunde: Eine Gemeinde nutzte einen als öffentliche Straße gewidmeten und insoweit hoheitlich genutzten Marktplatz bei der Veranstaltung von Wochenmärkten dadurch als Unternehmer, dass sie Standplätze an Markttagen unter Verzicht auf die Steuerbefreiung für Vermietungsleistungen (§§ 4 Nr. 12, 9 UStG) an Händler vermietete. Nach Auffassung des BFH ist die Gemeinde trotz der ansonsten hoheitlichen Nutzung des Marktplatzes für den Gemeingebrauch aufgrund der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung der Standflächen zum anteiligen Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Sanierung des Marktplatzes berechtigt. Eine Vorsteueraufteilung kann nach der Anzahl der Markttage im Kalenderjahr erfolgen.


Entschiedener Sachverhalt

Klägerin und Revisionsklägerin war eine Stadt in Sachsen, die im Streitjahr 1999 auf ihrem Marktplatz Wochenmärkte und andere Marktveranstaltungen betrieb und organisierte. Sie hatte den Platz in ihr Verzeichnis für öffentliche Gemeindestraßen aufgenommen. Unter Bezugnahme auf § 18 des Straßengesetzes des Freistaates Sachsen hatte sie eine Sondernutzungssatzung für die Benutzung der Gemeindestraßen erlassen. Nach der Satzung konnten Märkte im Sinne der städtischen Marktordnung und regelmäßig wiederkehrende Volksfeste ohne straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis durchgeführt werden. Nach der Marktordnung erfolgte die Überlassung von Standplätzen auf den Märkten aufgrund einer „Zuweisung”/„Erlaubnis” durch das Ordnungsamt.

Die Stadt war der Auffassung, dass sie mit ihrem Marktbetrieb und der damit verbundenen entgeltlichen Überlassung von Marktstandplätzen an Händler, mit der Lieferung von Energie für die Marktstände und mit der Reinigung der Standplätze unternehmerisch tätig geworden sei. Sie erteilte daher den Händlern Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer. In ihrer dem Finanzamt eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr machte sie dann einen Vorsteuerabzug für Sanierungsarbeiten am Marktplatz (Neugestaltung des Platzes unter Herstellung des historischen Erscheinungsbildes, historische Beleuchtung, Pflasterung) geltend. Die Stadt war der Auffassung, sie sei in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug aus den Sanierungskosten berechtigt, da es sich um gemischte Leistungsbezüge für ihr Unternehmen „Marktbetrieb” gehandelt habe. Auf die öffentlich-rechtliche Widmung als Verkehrsweg komme es nicht an.

Im Anschluss an eine Außenprüfung versagte das Finanzamt der Stadt vollständig den von ihr geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Sanierungskosten und erließ einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid. Das Finanzamt war der Auffassung, die Gestattung der Sondernutzung durch die Stadt sei durch Hoheitsakt erfolgt. Die Ausnahme von der Erlaubnispflicht durch die Satzung habe nicht dazu geführt, dass keine Sondernutzung vorliege. Die mögliche Konkurrenz zu privaten Marktbetreibern ändere nichts daran, dass die Stadt hier hoheitlich tätig geworden sei. Mit der Sanierung des Marktplatzes habe sie eine hoheitliche Aufgabe als Straßenbaulastträger erfüllt. Für den Marktplatz habe eine öffentlich-rechtliche Widmung vorgelegen. Damit könne kein Betriebsvermögen vorliegen. Einspruch und Klage der Stadt gegen den Umsatzsteuerbescheid hatten keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe des BFH

Der BFH hat der Stadt dann zumindest teilweise Recht gegeben und entschieden, dass sie zwar nicht – wie geltend gemacht – zum vollen, jedoch zum anteiligen Vorsteuerabzug aus den für die Sanierung des Marktplatzes bezogenen Leistungen berechtigt ist.

Die Stadt war mit Überlassung von Standflächen hinsichtlich ihres Marktbetriebs Unternehmer

Nach Auffassung des BFH war die Stadt mit der Überlassung von Standflächen hinsichtlich ihres Marktbetriebs als Unternehmer tätig. Er begründet das mit der grundsätzlichen Überlegung, dass juristische Personen des Öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art unternehmerisch und damit wirtschaftlich tätig sind. Bei diesen Betrieben handelt es sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) um alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 KStG). Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), gehören nach § 4 Abs. 5 KStG nicht hierzu.

Grundsätzlich gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie jedoch dann hierfür als Steuerpflichtige, wenn ihre Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Der BFH weist darauf hin, dass eine Gemeinde auch eine öffentliche Straße als Unternehmer nutzen kann. Auch wenn die Gemeinde als Straßenbaulastträger im Rahmen ihrer Hoheitstätigkeit den Gemeingebrauch zu gewährleisten hat, verwendet sie eine öffentlich-rechtlich gewidmete Straße dann für eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit zur Entgelterzielung, wenn eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung vorliegt und sich die Tätigkeit der Gemeinde nicht darauf beschränkt, lediglich anderen eine Sondernutzung öffentlich-rechtlich zu gestatten, sondern sie selbst z. B. durch die Vermietung von Standflächen bei der Veranstaltung von Märkten im Rahmen einer Sondernutzung eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit ausübt (BFH, Urt. v. 22. 10. 2009, Az. V R 33/08, BFH/NV 2010, 957).

Stadt war wirtschaftlich tätig

Im Streitfall hat die Stadt mit der Überlassung von Standflächen eine wirtschaftliche Tätigkeit nachhaltig und gegen Entgelt ausgeübt, die sich aufgrund der Höhe der dabei vereinnahmten Entgelte aus ihrer Gesamtbetätigung heraushob.

Sofern eine Stadt Marktstandplätze auf privatrechtlicher Grundlage vermietet, ist sie als Unternehmer tätig, ohne dass es auf weitere Voraussetzungen wie z. B. ein Wettbewerbsverhältnis zu anderen Unternehmen ankommt (vgl. BFH, Urt. v. 15. 04. 2010, Az. V R 10/09, BFH/NV 2010, 1574).

Sofern eine Stadt dagegen die Standplätze auf öffentlich-rechtlicher Grundlage überlässt, ist sie ebenso als Unternehmer tätig geworden, sofern – wie im Streitfall – ein Wettbewerbsverhältnis zu privaten Konkurrenten besteht (vgl. BFH, Urt. v. 15. 04. 2010, a.a.O.). Wenn die Nutzungsüberlassung durch die Stadt auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erfolgt, steht der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses nicht entgegen, dass die Leistungen privater Wettbewerber nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei sind (BFH, Urt. v. 24. 01. 2008, Az. V R 12/05, BStBl II 2009, 60), so dass sich eine Steuerpflicht der durch private Wettbewerber erbrachten Leistungen erst aufgrund eines Verzichts auf die USt-Befreiung nach § 9 UStG ergibt.

Wegen gemischter Nutzung nur teilweiser Vorsteuerabzug – Aufteilung nach Anzahl der Markttage sachgerecht

Aufgrund der gemischten Nutzung des sanierten Marktplatzes für Hoheitszwecke und für Zwecke einer steuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeit ist eine Stadt jedoch nur insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, wie sie den Marktplatz unmittelbar für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet bzw. zu verwenden beabsichtigt.

Im Streitfall hatte die Stadt den Marktplatz nicht nur als Straßenbaulastträger im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit unterhalten, sondern auch als Unternehmer für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt. Die Leistungen für die Sanierung des Marktplatzes dienten somit sowohl der nichtwirtschaftlichen wie auch der wirtschaftlichen Tätigkeit der Stadt. Da es sich bei der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit der Stadt um eine Verwendung für Hoheitszwecke handelte, war die Stadt nur zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

Auf die Vorsteueraufteilung für Leistungsbezüge, die einer sowohl wirtschaftlichen als auch einer nicht wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmers (der Stadt) dienen, ist § 15 Abs. 4 UStG analog anzuwenden. Die Stadt kann daher die Aufteilung der Vorsteuerbeträge im Wege einer sachgerechten und von der Finanzverwaltung überprüfbaren Schätzung ermitteln. Dies könnte im Streitfall nach Auffassung des BFH nach der Anzahl der Nutzungstage des Marktplatzes für den Marktbetrieb im Kalenderjahr geschehen.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Dirk Eisolt

Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Counsel, White & Case LLP, Berlin
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