15.08.2011

Kurswechsel in der Bauleitplanung

Barnstorf: erste Schritte zu einem nachhaltigen Flächenmanagement

Kurswechsel in der Bauleitplanung

Barnstorf: erste Schritte zu einem nachhaltigen Flächenmanagement

Täglich werden etwa 110 ha (ca. 140 
Fußballfelder) wertvolle Freifläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. | © Siegmar - Fotolia
Täglich werden etwa 110 ha (ca. 140 Fußballfelder) wertvolle Freifläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. | © Siegmar - Fotolia

Das Projekt „Gläserne Konversion” (siehe PUBLICUS 2011.7 Seite 21) und die Umwandlung des ehemaligen Geländes der „Hülsmeyer Kaserne” in einen Gewerbepark war der Startschuss für einen gravierenden Kurswechsel in der Samtgemeinde Barnstorf. Dieser „Sinneswandel” hat sich auch direkt auf die Bauleitplanung in der Samtgemeinde ausgewirkt.

Vorzüge der Innenverdichtung

Folgende Beispiele dokumentieren dies: Die Aufstellung eines Bebauungsplanes für ein neues Wohnbaugebiet stieß auf Widerstand: Die Bürger zweifelten im Beteiligungsverfahren die Notwendigkeit eines zusätzlichen Baugebietes an – da nicht zuletzt die positiven Erfahrungen mit der Umnutzung des ehemaligen Kasernengeländes zu einem Umdenken geführt hatten.

Der Rat war jedoch (noch) nicht bereit, auf dieses Gebiet zu verzichten, da erhebliche finanzielle und personelle Mittel investiert worden waren. Als Kompromiss wurde für die Entwicklung des Baugebietes eine „3-Teilung” beschlossen; d. h. der Bebauungsplan wurde in 3 Abschnitte unterteilt: Ein Abschnitt wird erst dann bebaut, wenn mindestens 75 % der in diesem Teil liegenden Grundstücke veräußert werden können.


Durch diese Regelung war eine kurzfristige Realisierung der Bebauung nicht möglich. Aufgrund zwischenzeitlich eingeführter Maßnahmen zur Innenverdichtung (siehe nächste Seite) ist bis heute mit der Erschließung nicht begonnen worden. Denkbar ist mittlerweile auch eine komplette Rücknahme dieser Planung.

In einer anderen Mitgliedsgemeinde war es Wunsch der Politik, für ein Gebiet am Ortsrand einen Bebauungsplan aufzustellen, um hier die Wohnbebauung auszuweiten. Das Gebiet hat nicht nur eine periphere Lage, sondern grenzt direkt an eine viel befahrene Landesstraße und ist somit durch Lärm belastet. Zudem trennt die Landesstraße das Gebiet von der übrigen Ortslage. In Gesprächen mit dem Gemeinderat wurden verschiedene Möglichkeiten der städtebaulichen Entwicklung mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen erörtert. Im Ergebnis wurde der ursprünglich geplante Bebauungsplan für die Randlage verworfen; die Gemeinde plant jetzt stattdessen, weitere Wohnbauflächen im Innenbereich zu entwickeln, die eine ruhige und zentrale Lage aufweisen und durch die ein bestehendes Baugebiet nachverdichtet wird.

Die im Rahmen der „Gläsernen Konversion” immer wieder beschriebenen Vorzüge der Innenverdichtung überzeugten auch einen privaten Investor. Dieser übernahm eine Brachfläche im Ortskern von Barnstorf, auf dem früher ein Landhandel betrieben wurde. Das Unternehmen konnte im Rahmen der Ortskernsanierung ausgesiedelt werden. Auf der frei werdenden Fläche sowie einer daneben liegenden weiteren Brachfläche entstanden energieeffiziente Wohnungen für die Generation 50 +. Sie überzeugen durch kurze Wege zum Bahnhof, zu Ärzten, Apotheken, Einkaufsmöglichkeiten und Rathaus. Die Vermarktung verlief sehr zügig.

Brachflächen- und Baulückenkataster

Zudem wurde von den Bürgern auch die Nutzung der zahlreichen leerstehenden Gebäude als vordringlich angesehen. Im Zusammenhang mit dem veränderten Bewusstsein für Flächenverbrauch wurde dies von der Verwaltung zum Anlass genommen, ein Brachflächen- und Baulückenkataster zu erstellen. Das Ziel ist es, den Bürgern, der Verwaltung und der Politik eine Übersicht über sämtliche Baulücken und Brachflächen zu geben und diese zu schließen. So soll die Innenentwicklung vorangetrieben werden.

Dazu wurde der Innenbereich betrachtet. Es gehören dazu die im Zusammenhang bebauten Ortsteile und die Gebiete, für die ein Bebauungsplan vorliegt. Für diese Bereiche wurde ermittelt, wo freie Grundstücke vorhanden sind. Zudem wurden Grundstücke betrachtet, bei denen aufgrund ihrer Größe eine rückwärtige Bebauung möglich ist. Dabei sind sowohl Grundstücke erfasst worden, die sich im Eigentum der Gemeinde befinden als auch Privatgrundstücke. Die Ergebnisse wurden in die EDV eingepflegt und auf der Homepage (www.barnstorf.de/freizeit-wohnen/baulueckenkataster-und-kommunales-foerderprogramm.html) veröffentlicht. Daneben wurden die ermittelten Baulücken fotografiert und für jedes Grundstück ein Datenblatt mit Foto erstellt.

Als nächstes wurden Gespräche mit den Eigentümern geführt und die Idee des Baulückenkatasters erläutert. Erfreulicherweise zeigten sich von den bisher angesprochenen Grundstückseigentümern über 50 % zum Verkauf bereit und gaben die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Daten. Diese Grundstücke sind auf der Internetseite der Samtgemeinde Barnstorf veröffentlicht. Interessierte können über Google-Earth in die Grundstücke hineinzoomen und sich einen genauen Überblick über die Baulücke, mit Nachbargrundstücken und Entfernung zu Spielplätzen, Einkaufsmöglichkeiten, ÖPNV usw. verschaffen.

Für den Flecken Barnstorf konnten in den ersten 6 Monaten dadurch bereits mehr Baugrundstücke vermittelt werden als vorher in einem ganzen Jahr neu erschlossene Bauplätze in der ganzen Samtgemeinde verkauft wurden. Der Kommune kommt künftig eine Vermittlerfunktion zu: Bauwillige können das Kataster bei der Gemeinde oder im Internet einsehen und die Verwaltung stellt einen Kontakt zu den jeweiligen Grundstückseigentümern her.

Leerstand verhindern

Eine weitere Maßnahme war die Ermittlung sämtlicher Grundstücke, deren Bewohner (häufig auch gleichzeitig Eigentümer) 70 Jahre oder älter sind. Diese Daten werden ausschließlich verwaltungsintern genutzt. Lediglich das Gesamtergebnis wurde genutzt, um die Kommunalpolitiker zu überzeugen, dieses Potenzial zu nutzen und keine neuen Baugebiete auf der „grünen Wiese” auszuweisen. Hintergrund ist, dass diese Grundstücke, die sich häufig in Zentrumsnähe befinden, ein großes Potenzial darstellen, da in den kommenden Jahren ein Eigentümerwechsel stattfinden wird. Auch bei uns im ländlichen Bereich ist bei der Eigenheimnutzung ein gravierender Strukturwechsel zu verzeichnen. Wenn früher Häuser an Kinder und Enkelkinder weiter gegeben wurden, stehen heute Wohnobjekte leer, nachdem die bisherigen Bewohner ausgezogen oder verstorben sind. Dennoch meinen gerade ältere Hauseigentümer, sie müssen die Häuser für ihre Erben oder als Kapitalanlage behalten, was oft zu Leerstand führt. Die große Herausforderung besteht darin, den Eigentümern den tatsächlichen Wertverfall zu verdeutlichen und zu hinterfragen, ob Nachkommen wirklich die Nachnutzung übernehmen, was überwiegend nicht der Fall ist.

Trotz erster Erfolge sind weiterhin Eigentümer nicht bereit, Baulücken oder für Nachnutzung in Frage kommende Häuser zu veräußern. Dieses erschwert die Realisierung einer Innenverdichtung. Es wird daher zukünftig eine zentrale Aufgabe von Verwaltung und Politik sein, intensive Gespräche zu führen, um die entsprechenden Eigentümer doch zum Verkauf zu überzeugen.

Auch wenn dieser Weg schwieriger ist, als ein neues Baugebiet auszuweisen, sollte er von Verwaltung und Politik unterstützt werden. Allein durch die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur können hier enorme Kosten vermieden werden. Die künftigen Nutzer haben außerdem bei der Renovierung von Altbauten gegenüber dem Neubau auf der „grünen Wiese” oft den Vorteil, dass sie vorhandene idyllische Gärten mit altem Baumbestand nutzen können.

Positives Echo der Regionalplanung

Die Initiative der Samtgemeinde Barnstorf wird auch vom Fachdienst Kreisentwicklung des Landkreises Diepholz unterstützt. Dieses wurde in einer Stellungnahme wie folgt kommentiert: „Das Handlungsprinzip dieses Fachdienstes mit seiner Zuständigkeit für Regionalplanung lautet: ‚Weiche Planung dort wo möglich und harte Planung nur dort wo nötig.’ Vor dem Hintergrund dieses Selbstverständnisses hat der Fachdienst auch den Prozess der ‚Gläsernen Konversion’ in der Samtgemeinde Barnstorf aktiv begleitet. Projekte wie dieses in der Samtgemeinde nun zu einem vorläufigen Abschluss kommende Vorhaben sind aus Sicht der Regionalplanung des Landkreises sehr geeignet, die Sensibilität für nachhaltige Flächenplanung zu erhöhen.

Am Beispiel dieses Projektes zeigt es sich, dass informelle, von einem breiten Kreis von Akteuren mitgetragene Planungsprozesse häufig viel effektiver wirken können, als von oben „aufgedrückte” Planungsvorgaben z. B. durch Ziele der Raumordnung. Durch das Projekt wurde in der Samtgemeinde ein Erkenntnisgewinn erzielt, der auch seine direkte Wirkung in der Bauleitplanung der Samtgemeinde wiederfindet – ein gelungenes Beispiel dafür, wie mit informeller Planung die Basis für formelle Planung gelegt werden kann. Am Beispiel der Samtgemeinde Barnstorf lernt auch die Regionalplanung des Landkreises.

Dieses erfolgreiche Projekt in der Samtgemeinde Barnstorf bestätigt den Fachdienst Kreisentwicklung darin, auch künftig raumrelevante Fragestellungen aufzugreifen und durch eine gezielte Prozessbegleitung bzw. -steuerung zu unterstützen, ohne gleich bei jedem raumbedeutsamen Planungsthema nach dem harten Instrument Regionalplan greifen zu wollen.”

Abschließend kann festgestellt werden: Die ersten Schritte für ein nachhaltiges Flächenmanagement innerhalb der Samtgemeinde Barnstorf sind gemacht. Es bedarf aber weiterer Anstrengungen, um die Ziele, die sich der Projektverbund gesetzt und die Bundesregierung mit dem 30-ha-Ziel vorgegeben hat, zu erreichen.

Das 30-ha-Ziel wird in dem vorgegebenen Zeitraum auf freiwilliger Basis nicht umzusetzen sein. Möglichkeiten für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme liegen bei Flächengemeinden, die ähnlich strukturiert sind wie die Samtgemeinde Barnstorf. In Flächengemeinden wird aufgrund der reichlich vorhandenen Fläche oft ohne große Notwendigkeit land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche versiegelt.

Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema ist ein wichtiger Beitrag zur Erreichung des 30-ha-Zieles der Bundesregierung. Zusätzliche Anreize sind zur Erreichung des Ziels notwendig. Diese müssen vor allem finanzieller Art sein. Wichtig ist aber auch eine Reform des Baurechts, um die Nutzung und Umnutzung von Altbauten zu vereinfachen. Viele positive Beispiele sind ein weiterer zielführender Baustein.

Das Forschungsvorhaben „Gläserne Konversion” hat zu einem Bewusstseinswechsel von Rat, Verwaltung sowie Einwohnerinnen und Einwohnern innerhalb der Samtgemeinde Barnstorf geführt. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Es gilt noch zahlreiche Akteure zu überzeugen. Wir sind jedoch auf dem richtigen Weg.

Hinweis der Redaktion: In einer der nächsten Ausgaben des PUBLICUS folgt ein Beitrag zur Gründung des Bürgerforums.

 

Jürgen Lübbers

Samtgemeindebürgermeister, Barnstorf
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