15.08.2011

Aufhebung von Sanierungsgebieten

Fehlerquellen bei der Berechnung von Ausgleichsbeträgen

Aufhebung von Sanierungsgebieten

Fehlerquellen bei der Berechnung von Ausgleichsbeträgen

Sanierungsbedingte Wertsteigerung? Schwer ermittelbar. | © Matthias Krüttgen - Fotolia
Sanierungsbedingte Wertsteigerung? Schwer ermittelbar. | © Matthias Krüttgen - Fotolia

Die in der Nachwendezeit insbesondere in den neuen Bundesländern und Berlin festgesetzten Sanierungsgebiete werden gegenwärtig nach und nach aufgehoben. Ziel der städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen war neben der Bewahrung und Wiederherstellung lange vernachlässigter historischer Stadtkerne auch die Aufwertung einzelner Stadtteile oder Wohnsiedlungen. Diese Maßnahmen, die im Wesentlichen in den 1990er Jahren begonnen wurden, sind nunmehr weitgehend abgeschlossen oder stehen unmittelbar vor dem Abschluss.

Vor dem Hintergrund der Aufhebung dieser Sanierungsgebiete stellt sich für Kommunen und private Grundstückseigentümer gleichermaßen die Frage der Festsetzung von Ausgleichsbeträgen im Sinne von § 154 Abs. 3 BauGB. Bei der Festsetzung dieser Ausgleichszahlungen handelt es sich um ein äußerst komplexes Verfahren.

Die Höhe des Ausgleichsbetrags bemisst sich gemäß § 154 Abs. 1 BauGB nach der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts eines im Sanierungsgebiet belegenen Grundstücks. Abgrenzungsprobleme entstehen insoweit bereits dadurch, dass lediglich die auf der Sanierung beruhenden Wertsteigerungen und nicht solche allgemeiner Natur in die Berechnung des Ausgleichsbetrags einbezogen werden dürfen. Gleichzeitig sind auch die regelmäßig der Berechnung zugrundegelegten Verkehrswertgutachten fehleranfällig, da verschiedene Methoden zur Wertermittlung zur Verfügung stehen. Die Komplexität des Wertermittlungsverfahrens führt in der Praxis dazu, dass Ausgleichsbetragsbescheide oftmals mittels Anfechtungsklage angegriffen werden.


Die rechtlichen Herausforderungen des Sanierungsrechts bestehen damit auch nach Abschluss der eigentlichen Sanierungsmaßnahme fort.

Rechtliche Grundlagen der Wertermittlung

Der Ausgleichsbetrag nach §§ 154, 159 Abs. 1 Nr. 7 BauGB definiert sich als eine Geldleistung, die der sanierungsbedingten Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks entspricht. Ausgleichsrelevant ist demnach die Wertdifferenz zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierungsmaßnahme weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (sog. Anfangswert) und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (sog. Endwert). Dieses Prinzip gilt selbst dann, wenn – zum Beispiel in einem von Abwanderung betroffenen Gebiet – der Bodenwert im Sanierungszeitraum gesunken ist. Wäre der Bodenwert ohne die Sanierungsmaßnahme noch niedriger, ist hier ebenfalls ein Ausgleichsbetrag ermittelbar.

Bisher WertV – jetzt ImmoWertV

Die Einzelheiten der Wertermittlung regelte bisher die Wertermittlungsverordnung (WertV) sowie die darüber hinaus in den verschiedenen Bundesländern existierenden Ausführungsvorschriften zur Festsetzung von Ausgleichsbeträgen. Die Wertermittlungsverordnung wurde jüngst durch die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 19. 05. 2010 ersetzt. Für Wertermittlungen mit dem Stichtag 01. 07. 2010 ist gemäß § 24 ImmoWertV die neue Regelung anzuwenden. Da der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Wertermittlung keine grundsätzliche Änderung des Ermittlungsverfahrens beabsichtigte, kann die bisher ergangene Rechtsprechung zur Wertermittlung insoweit übertragen werden.

Zur Verfügung stehende Berechnungsverfahren

Zur Berechnung der Anfangs- und Endwerte der betroffenen Grundstücke kommen verschiedene Berechnungsmethoden in Betracht. Vorrangig ist das sogenannte Vergleichswertverfahren gemäß § 15 ImmoWertV anzuwenden. In diesem Verfahren werden Vergleichswerte aus einer ausreichenden Zahl von Kaufpreisen solcher Grundstücke gebildet, die mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmende Merkmale aufweisen. Abgesehen von den in § 16 Abs. 2 bis 4 ImmoWertV genannten Sonderkonstellationen wird der Bodenwert ohne Berücksichtigung der vorhandenen Bebauung auf dem Grundstück ermittelt.

Die bislang übliche Praxis, zur Bodenwertermittlung auf die Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses nach §§ 192 ff. BauGB zurückzugreifen, ist auch weiterhin zulässig. Denn dieses Verfahren gilt als ein Anwendungsfall des Vergleichsverfahrens. Die Bodenrichtwerte geben die durchschnittlichen Lagewerte für den Boden, bezogen auf einen m² Grundstücksfläche an. Sie stellen auf die typischen Grundstücksverhältnisse einzelner Gebiete ab und werden im sogenannten Bodenwertatlas zusammengefasst. Der Gutachterausschuss legt den Bodenwerten eine typische Bebauungsdichte zugrunde. Damit haben die festgelegten Bodenrichtwerte jedoch nur gebietstypischen und somit durchschnittlichen Charakter. Grundstücksbezogene Besonderheiten sowie konjunkturelle Marktveränderungen finden in die Richtwertermittlung keinen Eingang. In der Konsequenz können die ermittelten Bodenrichtwerte nicht ohne Weiteres als grundstücksbezogener Anfangs- und Endwerte übernommen werden, da sie die besonderen Eigenschaften einzelner Grundstücke nicht berücksichtigen. Sie können folglich nur Richtvorgaben sein, die jeweils an die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles, etwa die Verkehrs- bzw. Geschäftslage, Art und Maß der baulichen Nutzung, Grundstücksform und -größe oder an andere mit dem Grundstück verbundene Rechte und Pflichten, anzupassen sind.

Sind keine ausreichenden Vergleichspreise vorhanden und liegen auch keine geeigneten Bodenrichtwerte vor, ist die Anwendung von Wertermittlungsverfahren, die nicht in der ImmoWertV benannt sind, trotz des Anwendungsvorrangs des Vergleichsverfahrens zulässig. Zu nennen sind hier das sog. Deduktive Verfahren, das Lagewertverfahren und die Zielbaummethode.

Insbesondere für die Zielbaummethode spricht nach Auffassung vieler Stimmen in der Literatur seine höhere Ermittlungsgenauigkeit. Diese resultiert aus einer sogenannten Multifaktorenanalyse, deren Prinzip darin besteht, Bewertungen zu objektivieren, indem eine Wertfeststellung in möglichst viele Einzelbewertungen aufgespalten wird. Der Gesamtwert wird zu diesem Zweck in eine hierarchische Verzweigungsstruktur zerlegt, die eine Kette in Form eines „Zielbaumes” bildet. Die Einzelbewertungen werden sodann anhand eines zuvor festgelegten Schlüssels und ihrer Bedeutung nach gewichtet. Ziel ist es, für die Wertermittlung notwendige Werturteile nachvollziehbarer zu gestalten und eventuelle Bewertungsfehler zu minimieren. Bei diesem Verfahren werden Anfangs- und Endwert nicht getrennt festgestellt, sondern der Endwert aus dem festgestellten Anfangswert und der modellhaft berechneten Übertragung der sanierungsbedingten Wertsteigerung abgeleitet.

Fehlerquellen– Insbesondere sanierungsbedingte
Wertsteigerungen durch Bauleitplanung

Neben der Frage der korrekten Ermittlung etwa der Geschossflächen- und Grundflächenzahlen oder der richtigen Wahl des Wertermittlungszeitpunktes weist insbesondere die Abgrenzung zwischen sanierungsbedingten und sanierungsunabhängigen Wertsteigerungen erhebliche Probleme auf. § 154 BauGB lässt lediglich einen Ausgleich für sanierungsbedingte Wertsteigerungen zu. Sanierungsunbeeinflusste Bodenwertsteigerungen müssen daher bei der Berechnung des Endwertes außer Betracht bleiben. Hier wird im Einzelfall genau zu prüfen sein, ob Wertsteigerungen etwa auf Maßnahmen des Eigentümers beruhen und nicht durch die Sanierungsmaßnahme bedingt wurden. Hilfreich kann in diesem Zusammenhang auch ein Vergleich mit der Wertentwicklung in angrenzenden Gebieten sein, welche nicht von der Sanierungsmaßnahme erfasst waren.

Abgrenzungsschwierigkeiten

Abgrenzungsprobleme bestehen vor diesem Hintergrund insbesondere auch im Hinblick auf städtebauliche Planungen. So kann sich etwa die Festsetzung von Maximalgeschossflächen und Nutzungsarten in einem Bebauungsplan wertsteigernd auswirken. Städtebauliche Pläne finden daher regelmäßig Eingang in das Wertermittlungsverfahren und speziell in eingeholte Verkehrswertgutachten. Nach der Rechtsprechung des OVG Göttingen (OVG Göttingen, Besch. v. 24. 06. 2006, Az. 2 B 89/04) kann eine städtebauliche Planung aber nur dann zur Bodenwertermittlung herangezogen werden, wenn sie mit dem Sanierungszweck zusammenhängt und nicht auf anderen, allgemeinen städtebaulichen Erwägungen beruht. Dies kann insbesondere dann fraglich sein, wenn städtebauliche Planungen im Nachgang der Festsetzung eines Sanierungsgebiets und im Widerspruch zu dem ursprünglichen Sanierungskonzept erfolgen. Auch wenn ein solches Sanierungskonzept regelmäßig allein informeller Natur ist und eine Änderung im Rahmen der Vorgaben der §§ 136 ff. BauGB prinzipiell möglich ist, so wird im Einzelfall der tatsächliche Zusammenhang zwischen Sanierung und veränderter Planung zu prüfen sein.

Zukunftsprognosen zu Wertsteigerungen problematisch

Ein weiteres Problem im Hinblick auf die Wertermittlung stellt sich, wenn zukünftige Entwicklungen berücksichtigt werden sollen. Zwar können diese gemäß § 2 ImmoWertV grundsätzlich in die Berechnung einbezogen werden, dies aber nur dann, wenn sie mit hinreichender Sicherheit aufgrund konkreter Tatsachen zu erwarten sind. In der Praxis stellt sich dieses Problem oftmals, wenn zum Zeitpunkt der Wertfeststellung lediglich ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan vorliegt.

Ein solcher Beschluss rechtfertigt zwar unter Umständen die Annahme, dass ein Grundstück der Bebauung zugänglich gemacht wird. Belastbare Aussagen über die konkrete Form der Bebauung können vor dem Eintritt der Planreife im Sinne von § 33 BauGB jedoch schwerlich getroffen werden. In der Rechtsprechung hat sich daher ein sogenannter Wagnisabschlag durchgesetzt, der die Unsicherheit einer baulichen Aufwertung abbilden soll. Auch Abzüge dafür, dass sich die tatsächliche Realisierung der planbedingten Wertsteigerung unter Umständen über Jahre hinziehen kann, werden in der Rechtsprechung und Literatur diskutiert.

Fazit

Letztlich steht der Gemeinde bei der Bewertung der für den Anfangs- und Endwert maßgeblichen Faktoren ein nicht unerheblicher Spielraum zu. Als maßgebliche Voraussetzung der Rechtmäßigkeit eines festgesetzten Ausgleichsbetrages betont das Bundesverwaltungsgericht stets dessen Ermittlung auf Basis einer rationalen, die Gegebenheiten des Grundstücksverkehrs plausibel nachvollziehenden Berechnungsmethode. Gerade die exakte Abgrenzung von sanierungsbedingten und sanierungsunabhängigen Wertsteigerungen wirft im Einzelfall aber oftmals rechtliche Schwierigkeiten auf.

 

Nina Jarass

Rechtsanwältin, Kapellmann und Partner, Berlin
 

Dr. Jan Redmann

Rechtsanwalt Kapellmann und Partner, Berlin
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