15.08.2011

Stolperstein oder Stein der Weisen?

Dauerhaftes Wahlrecht zwischen Doppik und Erweiterter Kameralistik

Stolperstein oder Stein der Weisen?

Dauerhaftes Wahlrecht zwischen Doppik und Erweiterter Kameralistik

Einführung der Doppik: welcher weg führt zum Ziel? | © Beholder - Fotolia
Einführung der Doppik: welcher weg führt zum Ziel? | © Beholder - Fotolia

Nach den Landtagswahlen in einigen Bundesländern im Jahr 2011 deutet sich im kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen dieser Länder ein weiterer Systemwechsel an. In den Koalitionsverhandlungen in Sachsen-Anhalt zwischen CDU und SPD wurde in der Vereinbarung „Sachsen-Anhalt geht seinen Weg, Wachstum-Gerechtigkeit-Nachhaltigkeit” über die Bildung einer Koalition über den kommunalen Rechnungsstil Folgendes ausgeführt:

„Die Koalitionspartner sind sich einig, dass sich das doppische System als Verfahren in der kommunalen Buchführung etablieren soll. Die Angemessenheit der Abschreibung ist zu prüfen. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung soll den Gemeinden und Landkreisen allerdings ein dauerhaftes Wahlrecht zwischen doppischem System und erweiterter Kameralistik eingeräumt und die Gemeindeordnung dahingehend geändert werden.”

Starke Kommunen – starkes Land

Der Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sieht für die Kommunen eine noch großzügigere Variante vor. Dort wird unter der Rubrik „Starke Kommunen – starkes Land” Folgendes festgestellt: „Zahlreiche Kommunen stellt es vor erhebliche Probleme, ihre Buchführung mit beträchtlichem finanziellem und personellem Aufwand den derzeitigen gesetzlichen Vorgaben entsprechend von der Kameralistik auf die Doppik umzustellen. Wir werden ihnen ein Wahlrecht zwischen beiden Systemen einräumen.”


Durch die Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements auf der Grundlage des Beschlusses der IMK von 2003 besteht in den Bundesländern die Möglichkeit, das kommunale Haushalts- und Rechnungswesen von der bislang zahlungsorientierten auf eine ressourcenorientierte Darstellungsform umzustellen und eine bessere Steuerung der Kommunalverwaltungen durch die Vorgabe von Zielen für die kommunalen Dienstleistungen anstatt der herkömmlichen Bereitstellung von Ausgabeermächtigungen zu ermöglichen.

Drei-Komponenten-Modell in Sachsen-Anhalt

Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben in Sachsen-Anhalt sollte die Übergangsphase in den Kommunen von der kameralistischen zur doppischen Haushalts- und Rechnungsführung bis Ende des Jahres 2012 abgeschlossen sein. Anders als in einzelnen Bundesländern gab es in Sachsen-Anhalt nicht die Möglichkeit, sich optional auch für ein Rechnungswesen auf Basis der erweiterten Kameralistik zu entscheiden. Ziele der Reform des Haushalts- und Rechnungswesens waren insbesondere neben der Darstellung des vollständigen Ressourcenaufkommens und -verbrauches und der Verbesserung der Steuerung das einheitliche Rechnungswesen im „Konzern Kommune”, die Steuerung durch Budgets und die Unterstützung von Kosten- und Leistungsrechnung und Controlling.

Nach den bisherigen Rechtsvorschriften zum NKHR hat die Kommune in Sachsen-Anhalt spätestens zum 01. 01. 2013 im Rahmen des Drei-Komponenten-Modells zu Beginn des Haushaltsjahres, in dem sie erstmals ihre Geschäftsvorfälle nach dem System der doppelten Buchführung erfasst, eine Eröffnungsbilanz unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen. Am Ende eines Haushaltsjahres hat die Gemeinde einen Jahresabschluss aufzustellen, der aus einer Ergebnisrechnung, einer Finanzrechnung und einer Vermögensrechnung, der Bilanz besteht.

In der Ergebnisrechnung erfolgt die Darstellung des vollständigen Ressourcenverbrauchs und des Ressourcenaufkommens, dass mit den betriebswirtschaftlichen Größen Aufwand und Ertrag ausgedrückt wird. Der Ergebnissaldo stellt die Veränderung des Eigenkapitals zur vergangenen Rechnungsperiode dar. An der Entwicklung des Eigenkapitals lässt sich feststellen, ob die Kommune nachhaltig wirtschaftet oder ob sie von der Substanz lebt. In der Finanzrechnung, die sich auf die betriebswirtschaftlichen Rechnungsgrößen Einzahlungen und Auszahlungen bezieht, werden alle Geschäftsvorfälle aufgenommen, die das Geldvermögen, die liquiden Mittel in der Vermögensrechnung, der Bilanz, verändern.

Während bei dem Rechnungswesensystem der Doppik jeder Geschäftsvorfall Veränderungen auf zwei Konten auslöst und sämtliche Geschäftsvorfälle im laufenden Haushaltsjahr zusammenstellt, um die Vermögens- und Schuldenveränderungen sowie das Ergebnis in einem Jahr festzuhalten, erfolgen in der Kameralistik einfache Buchungen auf einem Einnahme- oder Ausgabekonto. Aufgabe dieses Rechnungswesensystems ist es, die kassenmäßigen Vorgänge zu erfassen und das finanzwirtschaftliche Ergebnis zu ermitteln. Die Verwaltungskameralistik ermöglicht eine laufende Kontrolle der Geldbewegungen.

Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Rechnungswesensystemen Verwaltungskameralistik und Doppik bestehen zum einen darin, dass die Verwaltungskameralistik kein geschlossenes Buchführungssystem darstellt. Dieses Rechnungswesensystem übt lediglich eine Kontrollfunktion aus. Mit Hilfe der Haushaltsüberwachungslisten soll kontrolliert werden, ob die Ansätze im Haushaltsplan eingehalten werden. Die Verbräuche von Werten werden nur berücksichtigt, sofern sie gleichzeitig Ausgaben sind. Am Ende des Haushaltsjahres erfolgt die Feststellung über die Gesamthöhe der Einnahmen und Ausgaben. Die Gesamthöhe der Schulden, des Vermögens und des Erfolges wird nicht festgestellt.

Die kaufmännische Buchführung stellt den Erfolg eines Haushaltsjahres fest. Die Verbräuche eines Jahres werden ermittelt und alle Erträge und Aufwendungen in der sog. Ergebnisrechnung gegenübergestellt. Es erfolgt die Feststellung der Vermögens- und Schuldenverhältnisse, indem alle Vermögens- und Schuldenbestände am Jahresende in der Bilanz zusammengefasst werden. Aufgrund der Bilanz werden weitergehende Informationen über die Gesamtwerte, die der Kommune zur Verfügung stehen und über die Finanzierung dieser Werte gewonnen.

Erweiterte Kameralistik in einzelnen Bereichen

Um in der öffentlichen Verwaltung Erträge, Leistungen bzw. Erlöse, Aufwendungen und Kosten für die Belange der Kostenrechnung ermitteln zu können, ist die Erweiterte Kameralistik in einzelnen Bereichen eingeführt worden. Ähnlich der kommunalen doppischen Regelung wird auch bei der Erweiterten Kameralistik die Kosten- und Leistungsrechnung zur Unterstützung der Verwaltungssteuerung und Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Kommune verbindlich vorgeschrieben werden. Grundlage für die Erweiterte Kameralistik sind die Haushaltsüberwachungslisten und die jeweiligen Eintragungen in der Spalte „Anordnungen”. Bei diesen Eintragungen ist jeweils zu prüfen, ob in der Rechnungsperiode gleichzeitig Kosten oder Leistungen vorliegen. Aus diesem Grund wird die Haushaltsüberwachungsliste um die Spalten Wirtschaftsrechnung, Neutrale Rechnung, Anlagenrechnung, Lagerrechnung und Rechnungsabgrenzung erweitert.

Die Erweiterte Kameralistik überschneidet sich mit den Rechnungswesensystemen Doppik und Verwaltungskameralistik in wesentlichen Punkten. In der Erweiterten Kameralistik gilt entsprechend der Verwaltungskameralistik mit einigen Ausnahmen wie z. B. der Abschreibungen das Kassenwirksamkeits- bzw. Fälligkeitsprinzip. Für die kommunale Doppik ist das Verursachungsprinzip maßgeblich. Wie in der Doppik erfolgt die Ermittlung und Gegenüberstellung von Kosten und Leistungen, indem in den Haushaltsüberwachungslisten zusätzliche Abgrenzungsspalten gebildet werden, um Einnahmen und Ausgaben, neutrale Erträge und Aufwendungen, Kosten und Leistungen differenziert darstellen zu können. Der Nachweis von Vermögensgegenständen erfolgt aufgrund der Anlagenrechnung ähnlich wie in der Doppik.

Die Erweiterte Kameralistik wird nur eine Vorstufe zum NKHR sein. Warum sollten sich die Kommunen jetzt erst einen Zwischenschritt vornehmen, wenn der Weg von der Erweiterten Kameralistik bis zum NKHR gar nicht mehr so weit ist, da auch bei der Erweiterten Kameralistik das komplette Vermögen der Kommune zu erfassen und bewerten ist, Anlagerechnungen zu führen sind und Abschreibungen zu errechnen sind. Dies führt für die Kommunen über Jahre gesehen nur zu zusätzlichen Kostenbelastungen, die durch die sofortige Einführung eines kommunalen doppischen Systems minimiert werden können.

 

Dr. Michael Grimberg

Dozent für Öffentliche Finanzwirtschaft und Betriebswirtschaft, Hochschule Harz, Fachbereich Verwaltungswissenschaften, Ostbevern
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