15.08.2011

Das bisschen Haushalt …

In Potsdam wird die Bürgerschaft an der Haushaltsplanung beteiligt

Das bisschen Haushalt …

In Potsdam wird die Bürgerschaft an der Haushaltsplanung beteiligt

...schafft sich nicht alleine: in Potsdam packen die Bürger mit an. | © Sergej Toporkov - Fotolia
...schafft sich nicht alleine: in Potsdam packen die Bürger mit an. | © Sergej Toporkov - Fotolia

Unterschiedlichste Diskussionen in der Gesellschaft und das zunehmende bürgerschaftliche Engagement sind Ausdruck einer weitreichenden gesellschaftlichen Veränderung. Immer mehr Menschen entwickeln angesichts der wachsenden Komplexität und Anonymität moderner Gesellschaften den Wunsch nach persönlicher Mitwirkung und aktiver Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse.

Gerade die kommunale „Demokratie vor der Haustür” lebt vom freiwilligen Engagement der Einwohnerschaft. So wandeln sich auch deutschlandweit Städte zusehends. Eine Vielfalt an bestehenden Initiativgruppen und Vereinen beschreibt dabei das vorhandene Interesse nach einer gemeinsamen Gestaltung und wird somit Ausdruck der Identifikation der Einwohnerinnen und Einwohner mit ihren Heimatstädten.

Landeshauptstadt Potsdam – Auf dem Weg zur Bürgerkommune

Den Anfang dieses weitreichenden Vorhabens setzte die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung bereits im Mai 2004. In Umsetzung dieses Beschlusses erarbeitete die Verwaltung das Rahmenkonzept „Potsdam auf dem Weg zur Bürgerkommune” und legte im September 2005 den Entwurf für den „Leitfaden für die Bürgerkommune Potsdam” vor. Der Weg zur „Bürgerkommune Potsdam” stellt sich seitdem als langfristiger Lernprozess für Bürgerschaft, Politik und Verwaltung dar. Als wichtigstes Ziel sollen die Rahmenbedingungen für alle Engagierten optimiert und die Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger untereinander sowie mit der Verwaltung der Landeshauptstadt Potsdam intensiviert werden. Dabei geht es darum, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und politische Entscheidungen transparent darzustellen. Um dies zu erreichen, werden umfassende Informationen bereitgestellt und zusätzliche Beteiligungsmöglichkeiten eröffnet. Somit kann eine gemeinsame Kultur des Ehrenamts entwickelt und aktiv erlebt werden. Als Bestandteil ihres Leitbildes führt die brandenburgische Landeshauptstadt seit 2006 den Titel „Bürgerkommune” und fasst damit bestehende Partizipationsmöglichkeiten und Einzelprojekte zu einem Gesamtkonzept zusammen. Als derzeit wichtigstes Instrument zählt der Potsdamer Bürgerhaushalt.


Bürgerhaushalt Potsdam: Mitwirken – Gestalten – Verändern

Potsdam ist eine der wenigen deutschen Großstädte, die ein Beteiligungsinstrument wie den Bürgerhaushalt bereits seit mehr als fünf Jahren in Folge anwendet. Von Jahr zu Jahr wächst dabei die Zahl der Teilnehmenden kontinuierlich. Mehr und mehr Potsdamerinnen und Potsdamer nutzen diese Form der Mitsprache und engagieren sich aktiv.

Der Bürgerhaushalt stellt eine indirekte Form der Beteiligung dar. Er ist langfristig angelegt und verfolgt drei zentrale Ziele. Erstens sollen die städtischen Finanzen für die Bürgerschaft verständlich, nachvollziehbar und transparent dargestellt werden. Zweitens kann somit öffentlich über Bedarfe, Ressourcen und zukünftige Entwicklungen diskutiert werden. Dabei soll eine weitreichende Beteiligung der Einwohnerschaft ermöglicht und ein dauerhafter Dialog zwischen Bürgern, Politik sowie Verwaltung gefördert werden. Drittens erhalten die Stadtverordnetenversammlung und Verwaltung der Landeshauptstadt Potsdam eine deutliche Unterstützung bei der Aufstellung des gesamten Etats und eine wichtige Legitimation für die Verteilung von öffentlichen Geldern.

Einführung und Konzeptgestaltung

Die Landeshauptstadt Potsdam hat unterschiedliche Erfahrungen mit der Durchführung von Bürgerhaushalten gemacht. So wurde die Verwaltung im Oktober 2003 durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung erstmals aufgefordert, mit der Einführung eines Bürgerhaushaltsverfahrens zu beginnen. Im Rahmen des Haushaltsplanentwurfs wurde in 2005 erstmalig eine Informationsveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger durchgeführt, Schwerpunkte der Verwaltungsarbeit vorgestellt und in 2006 ergänzend dazu Bürgervorschläge gesammelt. Das Ergebnis dieses ersten Verfahrens fand dann jedoch aufgrund unklarer Rahmenbedingungen zwischen Verwaltung und Politik keinen Eingang in den städtischen Haushalt. Aus diesem Grund bildete sich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Politik und Verwaltung mit dem Ziel einer gemeinsamen Konzeptgestaltung. Als Vorbild diente der Berliner Bezirk Lichtenberg. Das angepasste Verfahren dient seit 2007 („Bürgerhaushalt 2008”) als Grundlage für die Potsdamer Beteiligungsprozesse. In 2010 fand eine Neuauflage des Konzeptes statt, in der Anpassungen zu den Abstimmungsphasen und der Rechenschaftslegung integriert wurden.

Verfahren und Ablauf

Im Rahmen des Bürgerhaushalts der Landeshauptstadt Potsdam wird im öffentlichen Diskurs über Bedarfe, Ressourcen und zukünftige Entwicklungen diskutiert. Dazu werden zunächst die wichtigsten Haushaltszahlen vorgestellt und Möglichkeiten und Grenzen des städtischen Haushalts aufgezeigt. Daneben erfolgt die Sammlung von Bürgervorschlägen zu allen kommunalen Aufgabenfeldern.

Als Resultat mehrerer öffentlicher Abstimmungsrunden ergeben sich die 20 wichtigsten Empfehlungen der Bürgerschaft, die dann – als Ergebnis einer etwa sechsmonatigen Konsultationsphase – mit dem Haushaltsplanentwurf der Verwaltung den Stadtverordneten zur Beratung übergeben werden. Die Diskussion der Bürgeranregungen erfolgt somit im Rahmen der städtischen Haushaltsberatung. Eine endgültige Entscheidung, ob und wie die Vorschläge umgesetzt werden, verbleibt bei der Stadtverordnetenversammlung.

Der Bürgerhaushalt in Potsdam sieht verschiedene Formen der Beteiligung vor, um möglichst vielen Bürgern der Landeshauptstadt Potsdam die Mitwirkung zu ermöglichen.

Mittels der Bereitstellung von schriftlichen Informationen und Beteiligungsmaterialien können Vorschläge eingebracht, diskutiert und abgestimmt werden. Diese Informationen werden an aus dem Melderegister zufällig ausgewählte Potsdamerinnen und Potsdamer versendet und sind im Rathaus erhältlich.

Daneben werden alle Informationen auch unter www.potsdam.de/buergerhaushalt zur Verfügung gestellt. Es besteht dort die Möglichkeit, alle Vorschläge zu lesen und deren Verlauf nachzuvollziehen.

Außerdem können Interessierte im Online-Archiv den aktuellen Stand der Umsetzung der Vorschläge nachvollziehen. Für diejenigen, die kein Internet besitzen oder den persönlichen Austausch mit anderen Interessierten und Verantwortlichen suchen, bieten mehrere Bürgerversammlungen in den Stadtteilen eine gute Alternative.

Was geschah bisher?

Im fünften Jahr des Bürgerhaushalts der Landeshauptstadt Potsdam kann bereits auf erfolgreiche Ergebnisse der Vorjahre verwiesen werden. So wurden seit dem Start des ersten Bürgerhaushalts in der Summe über 2100 Bürgervorschläge eingereicht, diskutiert und bewertet. Dabei stieg die Teilnehmerzahl kontinuierlich. In den letzten Jahren nahmen durchschnittlich jeweils 4 % aller abstimmungsberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner aktiv an dem freiwilligen Beteiligungsverfahren teil. Aus den Bürgerhaushalten von 2008 bis 2011 wurden der Stadtverordnetenversammlung dabei 112 Vorschläge zur Beratung übergeben. Auf der Seite der innerhalb des Kommunalhaushalts berücksichtigten Bürgeranregungen kann die Landeshauptstadt Potsdam auf erfolgreiche Ergebnisse verweisen. So ergaben beispielsweise die bestätigten Vorschläge des Bürgerhaushalts im Haushaltsplan 2009 ein Finanzvolumen in Höhe von etwa 760.000 Euro. Im Rahmen der Investitionstätigkeit der Landeshauptstadt Potsdam können durch zusätzliche Mittel aus dem Konjunkturpaket II von Bund und Land ab 2009 ebenfalls die Sanierung des Kulturhauses Babelsberg und Lärmschutzmaßnahmen an der Bundesstraße B 273 realisiert werden. Diese beiden Vorschläge aus dem Bürgerhaushalt 2008 hatten eine Investitionssumme in Höhe von insgesamt 1,7 Mio. Euro.

Enge Abstimmung zwischen Politik und Verwaltung erforderlich

Die Erfahrungen des Potsdamer Bürgerhaushalts verdeutlichen, dass eine enge Abstimmung zwischen Politik und Verwaltung als elementare Voraussetzung zum Erreichen eines gemeinsamen Ziels betrachtet werden muss. Sind die Rahmenbedingungen nicht klar definiert, besteht die Gefahr, dass die Politik die Ergebnisse nicht unterstützt und die Bürgerschaft sich und ihre Anliegen nicht ernst genommen fühlt. Aus den Erkenntnissen der Vorjahre orientiert sich das Projekt mittlerweile an einer Mischung aus detaillierter Information und umfangreicher Befragung. So liegt einerseits während der Phase der Vorschlagssammlung eine direkte Ansprache der Bevölkerung im Fokus. Auf diesem Weg soll die Qualität der eingereichten Vorschläge unterstützt und ein größeres Verständnis für den kommunalen Haushalt erreicht werden. Andererseits besteht der Anspruch, eine große Beteiligung in den Abstimmungsrunden zu erreichen und so eine aussagekräftige Erhebung innerhalb der Bürgerschaft zu erzielen. Hierbei gelten eine langfristige Projektplanung und aufeinander abgestimmte Ausrichtungen der Öffentlichkeitsarbeit als grundlegende Erfolgsfaktoren.

Bürgerhaushalt und Haushaltssicherungskonzept

Eine besondere Herausforderung bei der Durchführung des Bürgerhaushalts der Landeshauptstadt Potsdam ist der Status der „HSK (Haushaltssicherungskonzept)-Kommune”. Das Beteiligungsverfahren thematisiert hierbei eindeutig die angespannte Finanzsituation der unter Konsolidierungsdruck stehenden Stadt. Aus diesem Grund werden die Bürgerinnen und Bürger ebenfalls ausdrücklich dazu aufgefordert, Einsparungsvorschläge zu unterbreiten. So wird das Ziel der Haushaltsstabilisierung aktiv thematisiert. Weiter wird eine Sensibilisierung der Bürgerschaft hin zu notwendigen Ausgabensenkungen und Einnahmenerhöhungen vorangetrieben. Eben die Offenlegung der Haushaltskennzahlen wird von einem Großteil der Bürgerschaft grundsätzlich positiv aufgenommen.

Aufgrund des dauerhaft angelegten Charakters und der sich jährlich wiederholenden Abfolge des Potsdamer Bürgerhaushalts wird das Projekt nun bereits zum fünften Mal innerhalb von fünf Jahren durchgeführt. Wie bereits beschrieben, konnte ein Trend des steigenden bürgerschaftlichen Engagements verzeichnet werden. Bezüglich der Beteiligung liegt die Landeshauptstadt mit 4 % der Einwohnerschaft deutlich über dem Durchschnitt anderer Kommunen, die ähnliche freiwillige Beteiligungsverfahren anbieten. Diese Leistung gilt es auch in den Folgejahren beizubehalten. Im Rahmen des jährlichen Turnus entsteht der wachsende Druck einer zeitnahen Rechenschaftslegung.

Die hohe Anforderung der Bürgerschaft nach einer schnellen Umsetzung möglichst vieler Wünsche und Maßnahmen kann, gerade in Zeiten leerer Kassen, kaum erfüllt werden. Dies erschwert es erheblich, der Bürgerschaft den Erfolg des Projekts zu vermitteln und möglichst viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer „bei der Stange” zu halten. Häufig wird in diesem Zusammenhang die Forderung nach einem eigenständigen Budget für das Projekt laut, auf dessen Grundlage dann die gewünschten Projekte zeitnah finanziert werden könnten. Weniger Beachtung findet dabei, dass dann das wichtigste Ziel des Beteiligungsprojekts – die Zusammenführung von Bürgern, Politik und Verwaltung – auf diesem Weg vernachlässigt würde. Kritiker eines Budgets sehen die Gefahr einer Art finanziell unterlegten Spielwiese „Bürgerhaushalt” und verweisen auf den dann fehlenden Bezug zu notwendigen Einsparungen. Sowohl Politik als auch Verwaltung müssen sich stets Ihrer Verantwortung bewusst sein, die Anliegen der Bürgerschaft bereits innerhalb der Haushaltsplanung zu berücksichtigen und die getroffenen Entscheidungen offen zu kommunizieren.

Ausblick

Wenn auch schon viele Beispiele verdeutlichen, was der Bürgerhaushalt in Potsdam bisher erreichen konnte, benötigen praktische Ergebnisse zur Umsetzung der Vorschläge Zeit. Das Verständnis dafür, dass das Beteiligungsprojekt einen Einstieg in die gemeinsame Gestaltung der Stadt ermöglicht, muss zukünftig zielführend ausgebaut werden. Nur durch einen kontinuierlichen Trialog zwischen Bürgerschaft, Politik und Verwaltung besteht die Chance, Politikverdrossenheit zu minimieren und das Interesse der Bürgerinnen und Bürger langfristig zu aktivieren. Dabei sollte auch die Erkenntnis, dass sich einige der eingebrachten Anregungen – scheinbar unabhängig von Partizipationsprojekten wie dem Bürgerhaushalt – bereits im kommunalen Haushalt wiederfinden, als Erfolg gewertet werden. Diese untermauern anschaulich die vorhandene Nähe zwischen politischen und bürgerschaftlichen Interessen. Unterschiedlichste Beteiligungsverfahren helfen, die Akzeptanz auch für schwierige Entscheidungen zu erhöhen. Dies gilt insbesondere in Zeiten knapper Kassen. Grundsätzlich müssen alle Beteiligten von der Notwendigkeit der bürgerschaftlichen Partizipation überzeugt sein. Ziehen Politik und Verwaltung nicht am selben Strang, sind die Chancen für den dauerhaften Erfolg der Bürgerbeteiligung gering.

Weitere Informationen erhalten Sie unter www.potsdam.de/buergerhaushalt.

 

Frank Daenzer

Projektmitarbeiter Bürgerhaushalt, Landeshauptstadt Potsdam
 

Sibylle Strotzer

Komm. Leiterin Zentrale Steuerungs-unterstützung, Projektleiterin Bürgerhaus-halt, Landeshauptstadt Potsdam
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